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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Laban, Ferdinand: Für Hubert und Jan van Eyck!
DOI Artikel:
Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0161

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299

Pariser Brief

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es nun nicht eine schöne Aufmerksamkeit, wenn man
in Rom — wo italienische, päpstliche Kunst in solcher
Weise von Nordländern geehrt wird — den Entschluss
fasste, den Deutschen eine kleine Oegenerkenntlichkeit
zu erweisen, indem von den massgebenden Persön-
lichkeiten aus — ich wage es sogar ehrfurchtsvoll
Se. Heiligkeit selbst zu nennen — den geistlichen
Würdenträgern in Gent nahe gelegt würde, sie
möchten den hierzu Berufenen die Erlaubnis zum
Photographieren des grossartigsten Werkes germa-
nischer, religiöser Malerei gewähren.

Auf welchem Wege dieses ausgestreute Samenkorn
das Erdreich. erreicht, in dem es zur That ausreifen
kann, entzieht sich meinem Vermuten. Ich kann nur
sagen: Nachdruck dieser Zeilen aus der »Kunst-
chronik« ist nicht nur gestattet, sondern höchst er-
wünscht, ja erbeten! Und zwar wende ich mich mit
meiner Bitte ebensowohl an die ausländischen wie
an unsere deutschen Zeitungen.

Dr. FERDINAND LABAN,
Bibliothekar der Königl. Museen zu Berlin.

PARISER BRIEF

Eine ausserordentlich interessante Ausstellung ver-
einigt bei Georges Petit vier Künstler, die man, da es nun
einmal nicht ohne das Schachtelsystem der »Schulen«
gehen will, Impressionisten nennt: Lepine, Boudin, Jong-
kind und Sisley. Alle vier haben ungefähr zur gleichen
Zeit gearbeitet, etwa zwischen 1860—i8go, und alle vier
sind tot. Nur Sisley hat lange genug gelebt, um Zeuge
seiner Berühmtheit zu werden, die anderen sind gestorben,
ehe es den eifrigen Bemühungen der Händler gelungen
war, den Ruhm und die Preise ihrer Schützlinge in die
gehörige Höhe zu treiben. Denn man darf sich bei allem
Verständnis und bei aller Bewunderung für die Kunst der
Impressionisten nicht verhehlen, dass ihr plötzlich zu
schwindelnder Höhe aufgestiegener Ruhm sehr viel mit
geschickter Reklame und geschäftigem Tamtam zu thun
hat. Die ganze Gesellschaft der Maler, die man jetzt unter
der Bezeichnung »Impressionisten« zusammenfasst, war
bei Lebzeiten von gewissen Kunsthändlern monopolisiert;
dreissig Jahre lang haben die Händler Boudins, Lepines,
Jongkinds, Sisleys, Pizaros, Monets, Renoirs u. s. w. auf-
gespeichert, um jetzt, wo die Hälfte der Leute verschwun-
den ist und die andere im hohen Alter steht, die Schleusen
der Magazine aufzuthun, nachdem man vorher durch
fingierte Verkäufe und andere geschickte Machenschaften
die Preise in die Höhe getrieben hat. Selbstverständlich
werden die Schleusen vorläufig nur für diejenige Ware
geöffnet, deren Urheber verschwunden sind. Claude Monet
und Degas werden noch eine Weile warten müssen. Denn
so lange der Künstler lebt, drückt er selbst seine Preise,
indem er arbeitet und seinen schon vorhandenen Werken
somit Konkurrenz macht. Erst wenn die Quelle versiegt
ist, kann man den ausgeströmten Segen in Flaschen fassen
und nach der Seltenheit den höheren Preis bestimmen.
Da nun Boudin, Jongkind, Lepine und Sisley tot sind, so
ist es an der Zeit, dass die Händler ihre Schätze an die
Öffentlichkeit und an den Mann bringen. Diese sehr
reellen Erwägungen sind die Ursache der gegenwärtigen
Ausstellung bei Georges Petit. Von Zeit zu Zeit lese ich
in Büchern und Zeitschriften von den Opfern, die von
gewissen Pariser Händlern gebracht worden seien, um
der idealen Anschauung der Impressionisten zum Siege
zu verhelfen. Das ist eine sehr thörichte Auffassung, die

von den betreffenden Künstlern durchaus nicht geteilt wird.
Die Leute, die sich vor dreissig Jahren der Impressionisten
bemächtigten, machten einfach eine geschäftliche Speku-
lation, die gelingen oder fehlschlagen konnte. Sie schufen
das, was man sonst einen »Trust« oder ein »Corner«
nennt. Die Spekulation ist ihnen ausserordentlich geglückt,
und hat ihnen jetzt schon, wo sie erst am Anfange der
Liquidation stehen, Millionen eingebracht. Ich sehe nicht
ein, warum man den Leuten begeisterte Loblieder singen
soll. Aber betreten wir die Ausstellung.

Es sind im ganzen hundert Bilder ausgestellt, fünf-
undzwanzig von jedem der genannten Künstler. Diese
Ausstellung gewährt uns nicht nur einen genauen Einblick
in die Art eines jeden der vier Maler, sondern sie ist zu-
gleich ausserordentlich interessant, indem sie den Werde-
gang des sogenannten Impressionismus überzeugend vor-
führt. Die vier Leute greifen deutlich ineinander über,
und obgleich in Wirklichkeit von einer solchen Entwicke-
lung des einen aus dem anderen vermutlich nicht die Rede
ist, stellen sie doch vier weiter schreitende Stufen in der
Geschichte des Impressionismus dar, deren jede unmerk-
lich zu der folgenden hinüberleitet. Besonders deutlich
ist dies bei den drei erstgenannten; Sisley ist von dem
ihm zunächst stehenden Jongkind durch eine weit grössere
Kluft getrennt als Lepine von Boudin und Boudin von
Jongkind. Der delikateste und zarteste von den vieren
ist Stanislaus Lepine, der in seiner stillen Poetenart an die
Leute von Barbizon und Ville d'Avray erinnert und in
einigen seiner träumerischen Flussbilder und traulicher
Gassen Corot's erster Manier begegnet.

Alle vier Meister wählen fast genau die nämlichen
Motive: mit ganz wenigen Ausnahmen bieten ihre Bilder
Ansichten von Flussufern und vom Meeresstrande, und
die vorteilhafteste Mise en page ist ihnen allen gemein.
Was man sich von dem resoluten Verzichte der Impressio-
nisten auf jede Auswahl und Bildwirkung erzählt, stimmt
vielleicht für Degas, lässt sich aber weder auf die hier
vertretenen vier Maler, noch auf Claude Monet anwenden.
Ganz im Gegenteil suchen sich diese Künstler immer ein
möglichst dankbares Motiv, und wenn sie es einmal ge-
funden haben, bearbeiten sie es wieder und wieder unter
allen erdenklichen Beleuchtungen. Lepine kommt nur
selten aus Paris und seiner nächsten Umgebung heraus,
und geschieht dies doch, wie in seinen Bildern aus der
alten normännischen Stadt Caen, so weiss er auch anderswo
genau die nämlichen stillen träumerischen Winkel und
Flussufer zu finden, die ihn in und bei Paris beschäf-
tigen. Er ist bei weitem der sinnigste, in sich ver-
sunkenste Poet von den vieren. Er malt seine Bilder
einzig, weil sie ihm Vergnügen machen. An das kaufende
Publikum denkt er dabei nicht. Er liebt die duftigen Fern-
sichten auf der Seine, die einsamen Winkel am Kai, die
stillen Gässchen, die von gemütlichem Volke belebten
Plätze, und alles giebt er mit Liebe, Gemüt und Poesie
wieder. Warum er eigentlich zu den Impressionisten ge-
zählt wird, ist nur aus wenigen seiner Bilder, wo er den
farbigen Reflexen der Luft auf dem Wasser gerecht wird,
zu erkennen. Jedenfalls steht er im ganzen den Leuten
um Corot und Rousseau viel näher als den Anhängern
und Nachfolgern Monet's, Pizarro's, Renoir's u. s. w.,
welche nahe daran sind, die Theorien des Impressionismus
ad absurdum zu führen.

Boudin ist etwas weniger Poet und etwas mehr Maler
als Lepine. Ihn freuen die hellen, klaren Accorde seiner
Farben, die silbernen Wolken am hohen blauen Himmel,
die roten leuchtenden Kleider und Sonnenschirme der
Damen auf dem gelben Meeresstrande, die dunkelgrünen
Bäume am silbernen Himmel, die roten Häuser am sil-
 
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