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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Dülberg, Franz: Münchner Brief, [2]: (Emil Lugo - Alfred Kubin - Karl Bauer - Segantini)
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Ankauf von Otto Greiner's Gemälde "Odysseus bei den Sirenen"
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0165

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307

Ankauf von Otto Greiner's Gemälde — Nekrologe — Personalien — Denkmalpflege

308

der einen Cigarrenstummel aufhebt, Stuck's Pan nnd
Nymphe, von Thoma eine feine bachdurchflossene Land-
schaft ohne Staffage, Ribot, der schussbereite Jäger, und
sogar Sachen von hier recht selten gesehenen Meistern:
eine kleine Flusslandschaft von Daubigny, eine Ölskizze
(Schäferscene) von Millet und ein erstaunliches Waldstück
von Constable. Die Firma Heinemann will sich in den
Maximiliansanlagen, nahe dem Hildebrandbrunnen, ein
eigenes Haus bauen lassen. Der Kunsthandel nimmt ent-
schieden in München einen neuen Aufschwung; hoffent-
lich bleibt einiges von den durchwandernden Schätzen in
der Stadt hängen.

Im Februar. franz düldero.

ANKAUF VON OTTO GREINER'S GEMÄLDE
»ODYSSEUS BEI DEN SIRENEN«

Noch schneller und entschiedener als der Ankauf
von Klinger's »Beethoven« hat sich die Erwerbung von
Otto Greiner's kolossalem Ölgemälde »Odysseus bei
den Sirenen« für das Leipziger Museum soeben voll-
zogen. Allerdings betrug der Kaufpreis noch nicht den
zehnten Teil des »Beethoven«, nämlich nur zwanzig-
tausend Mark, und die Wege zum Ankauf waren dadurch
geebnet, dass sich die Verwaltung in der Voraussicht der
Bedeutung dieses Gemäldes seit Jahren das Vorkaufsrecht
gesichert hatte, und dass ferner die Stiftungsgelder des
»Georgifond« von Geheimrat Georgi in hochherziger Weise
zur Verfügung gestellt wurden. So konnte das Museum
ohne langwierige Verhandlungen ein Kunstwerk von un-
gewöhnlicher Bedeutung und damit eine neue Attraktion
seines früher an »Schlagern« nicht allzu reichen Besitzes
acquirieren. Eben wurde das Bild im Kunstverein aus-
gestellt, zugleich mit einer Anzahl dazu gehöriger Studien
in Pastell von Figuren in Lebensgrösse und von Detail.
Wir werden das Gemälde unseren Lesern in der »Zeit-
schrift für bildende Kunst« in Abbildung vorführen und
möchten hier nur in wenigen Worten über den Inhalt be-
richten. Es ist ein Breitbild von nahezu vier Meter Länge
und zwei Meter Höhe und zeigt rechts vorn eine schroffe
Klippe, auf der drei nackte Frauengestalten in energisch
bewegter Haltung halb knieen, halb hocken und durch
Gesten und lockende Worte die Schiffer drunten zu be-
thören trachten. Jede von den dreien bietet eine andere
Ansicht, die beiden äussersten rechts und links, durch eine
hochgehobene tiefrote Mohnguirlande verbunden, zeigen
Vorder- resp. Rückenansicht, die mittelste scharfe Profil-
stellung. Aus einem sturmgekrümmten Ölbaume, dem
letzten Schössling einer gewaltigen Wurzel, haben sich die
Sirenen eine originelle Naturharfe geschaffen, indem sie
Saiten von den Zweigen nach der Wurzel spannten. Hart
an der Klippe vorbei zieht das primitive Fahrzeug des
Odysseus, vorwärts getrieben von einem Segel und von
den mechanischen Schlägen dreier wettergebräunten nackten
Ruderer, gelenkt von einem in hochmütiger Pose dastehen-
den Steuermanne. An den Mastbaum geschnürt reckt sich
der Dulder Odysseus und wendet sein an Laokoon er-
innerndes Antlitz voll Sehnsucht den lockenden Frauen
zu. Zwei Gefährten, einer knieend und einer stehend, ver-
doppeln mit Kraft und Eifer die haltenden Bande. Vor
dem Schiffe blinkt lichtblaues Wellengekräusel, weiter
nach der Tiefe zu sieht man weissrandige Sturzwellen und
ganz fern die hohe, dunkelblaue See. Der Himmel ist
stark grau bewölkt mit ganz wenig durchbrechendem
Blau. Rechts ganz am Rande, hinter der Klippe, leuchten
in der Ferne rötliche Felsenufer wie ein Motiv aus Terra-
cina, ein entzückendes Bildchen im Bilde. Durch das
Grau des Wolkenhimmels und seiner Reflexe im Wasser

wird die helle koloristische Gesamthaltung des Bildes be-
stimmt; alle übrigen Farben: das Schwarzbraun des
Schiffes und des Felsens, der Bronzeton der Leiber, das
Rot der Klatschrosenguirlande sind in feiner Harmonie
damit vereinigt. Aber in der Komposition ist es nicht
ohne einige Gewaltsamkeiten abgegangen, so scheint mir
das Schiff dem Ufer sehr nahe und vor allem der Felsen
der Sirenen dem Auge des Beschauers zu nahe zu sein.
Es wird also die Illusion erweckt, dass man unmittelbar
hinter den Sirenen auf der Insel steht und von hier aus,
nicht, wie man gern möchte, vom Schiffe aus, den Vor-
gang miterlebt. Obwohl das lineare Gleichgewicht im
Bilde durch die wagerechte Linie des Schiffes und durch
den Felsen mit den drei Frauen einerseits und das Segel
mit der dreiteiligen Gruppe am Mastbaum andererseits
hergestellt ist, überwiegt doch perspektivisch die Felspaitic
so sehr, dass man immer unwillkürlich den Standpunkt
rechts einnimmt. Auch die Verkürzungen der Glieder, z. B.
des Armes der mittleren und des Rückens der hinteren
Sirene sind nicht frei von Härten. Nicht wenige der Be-
schauer werden zuerst frappiert sein von dem völligen
Mangel an heroisch-klassischer Auffassung, sie werden erst
Preller überwinden müssen, um Greiner zu goutieren, aber
niemand wird verkennen, dass mit diesem Gemälde eine
ungewöhnlich ernste und starke Künstlerpersönlichkeit
sich offenbart. Der Ruhm als einer der besten Graphiker
der Gegenwart genügte Greiner nicht mehr, er wollte zeigen,
dass er malen könne und hat nun mit gewaltigster Kraft-
entfaltung und glücklichem Gelingen sein Meisterstück als
Maler geschaffen. b.

NEKROLOGE

Der Bildhauer und Maler Ludwig Gloss ist am
23. Februar in Mödling gestorben. Er wurde am 30. Januar
1851 in Wiener-Neustadt geboren und bildete sich auf
der Wiener Akademie, später in München und bei
Professor Zumbusch. Zu seinen besten Skulpturen
gehören der »Friedensengel« für die Familiengruft Ritter
von Rotherman in Frauenhaid, ferner die fünf Statuen für
das neue Wiener Rathaus. In den letzten 20 Jahren war
Gloss auch als Maler thätig und pflegte hauptsächlich das
Porträt und das Genre.

PERSONALIEN

Der Kunstgelehrte Privatdozent Dr. Karl Cornelius
in Freiburg i. Br. ist zum ausserordentlichen Professor
ernannt worden. — Dr. Rudolf Kautzsch, Privatdozent an
der Leipziger Universität und Direktor des Buchgewerbe-
museums ist einer Berufung als Professor an die Univer-
sität Halle gefolgt; zu seinem Nachfolger im Direktoriat
des Buchgewerbemuseums wurde Dr. Eduard Tönnies ge-
wählt.

DENKMALPFLEGE

Florenz. Der Unterrichtsminister Nasi hat dem Pro-
fessor Chiappelli, der auf dem Fresko Orcagna's in Santa
Maria Novella ein unerkanntes Danteporträt gefunden zu
haben glaubt, mitgeteilt, dass er den Professoren Maccari
und Seitz den Auftrag erteilt hat, das Fresko zu unter-
suchen und behufs eventueller Restaurierung ihm Vor-
schläge zu machen. Da es schwerlich möglich sein wird,
ein einzelnes Stück der Komposition zu restaurieren, so
wird vielleicht eine gründliche Reinigung des ganzen
Werkes die Folge sein, wodurch der Streit dann auch
praktische Bedeutung gewinnen würde. a. Gr.
 
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