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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Holländischer Brief
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Kesser, Hermann: Die Galerie Henneberg in Zürich
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0169

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315

Die Galerie Henneberg in Zürich

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Weiteres wollen wir von dieser Ausstellung nicht
erwähnen. Kürzlich wurde die dritte Serie dieser Aus-
stellungen eröffnet, in welcher der 79jährige Josef Israels
in einigen Prachtwerken aus dem letzten Jahre als die
ewig neue, schöpferische, grösste Kraft unserer Malerei
des 19. Jahrhunderts zu Tage trat. Mit ihm eine Reihe
von anderen Künstlern, von denen ich nur de Jonge er-
wähne wegen seiner frischen, lebhaften und stimmungs-
vollen Bildnisse und Landschaften und Hoppe, wegen
seiner hervorragenden, an die alten Holländer erinnernden
Mondlandschaft. Vor einigen Tagen wurde wieder eine
neue Reihe von Gruppen ausgestellt, in welcher unter an-
deren Willem Maris der Ältere und der junge Willem Maris,
Sohn des Jacob, vertreten sind. Wir wollen jedoch auf
diese Ausstellung nicht eingehen. Man kann nämlich
nicht alles sehen, was hier in Holland fortwährend zu
sehen ist. So will ich die Ausstellung im »Kunstkring«
im Haag auch nicht erwähnen, und überhaupt nicht weiter
in Details gehen.

Nur einiges noch mag für diejenigen Leser dieser
Zeitschrift, welche sich auch für alte Kunst interessieren,
wichtig sein, dass bis Ende März in Utrecht eine Porträt-
ausstellung abgehalten wird, in welcher alte und neue
holländische Bildnisse gemischt ausgestellt sind. Pracht-
bildnisse von Scorel, Moreelse und anderen alten Hol-
ländern sind dort zu sehen.

Mit der Beleuchtungsfrage von Rembrandt's »Nacht-
wache« ist man noch immer nicht weiter gekommen. Die
Kommission, welche feststellen sollte, welche Beleuchtung
die beste sei, hat ja bekanntlich mit fast allgemeinen
Stimmen (nur zwei dagegen) Seitenlicht als das beste er-
klärt. Dazu sollte dann ein Ausbau am Reichsmuseum
angebracht werden, welcher jedoch 70000 holländische
Gulden kosten würde, soll er dem Museumsbau keinen
architektonischen Schaden bereiten. Und nun scheint
wirklich diese Ausgabe zu kostspielig zu sein und wird
es wohl darauf hinausgehen, dass alles bleibt wie zuvor
und alle Mühen und Schleppereien mit dem Bilde ver-
gebens gewesen sind. c. B.

DIE GALERIE HENNEBERG IN ZÜRICH

Von Hermann Kesser

(Schluss)

Von Gabriel von Max unmittelbar nach Piglhein
sprechen zu müssen, mag vielen ungereimt erscheinen,
aber die Chronistenpflicht erfordert es.

Wir kennen sie, die romantischen, bleichen Frauen-
köpfe, deren Blick aufs Visionäre gehaftet ist; nicht immer
hat sich Max auf diesem Gebiet bewegt, er hat Werke ge-
schaffen, die vor kommenden Geschlechtern vielleicht Be-
stand haben werden; in der Galerie Henneberg ist nicht
viel von ihnen. Höchstens die »Braut von Korinth«, die
den Geliebten an sich presst, giebt in ihrer stimmungs-
düsteren, unheimlichen Beleuchtung mehr als eine blosse,
spiritistisch angehauchte Anekdote; das Gemälde ist form-
schön und wirkt fesselnd, wenn wir auch nicht so ganz
an das tragische Geschick der beiden Unglücklichen glauben
können, dazu ist die erotische Pose zu stark, die Senti-
mentalität zu aufdringlich. Es war einmal . . .

Weil wir gerade von Max handeln, können wir uns
auch zu Grützner wenden. Grützner war mit acht seiner
echtesten Verkaufsbilder vertreten; man weiss zum Über-
druss, wie sie sind, die feisten, behaglich lächelnden Pfäff-
lein, bald im Weinkeller ein Fass anstechend, bald die
Blume des Weines durch die rote Nase ziehend, bald beim
Schmause. Ein heiliger Antonius im Sinne des fröhlichen
Griitzncr, ein Fallstaff und einige Stillleben gaben nur Ab-

arten seiner fabrikmässig hergestellten Produkte. Die
Grützner haben freilich dank der geringen Aufklärung der
Massen über Kunst sofort ihre Abnehmer gefunden.

Ein prächtiges Stück jüdischen Volkslebens giebt Lud-
wig Knaus in seinem »Ghetto«, das Judengässchen am
Abend. Ohne jede moralisierende Tendenz zeigt er uns
die Kinder Israels in ihrem »Judenviertel«, die Trödler,
müde des täglichen Schachers in lebhaftester, gestikulieren-
der Unterhaltung mit ihren Nachbarn, eine zahlreiche
Judenfamilie, jung und alt, die kleinen Sprösslinge im
harmlosen Spiel, die Alten im ernsten Gespräch; dort steht
ein schneidiger Jüngling im Begriffe, sich zu verabschieden
und einen Ausgang ins Quartier der Ungläubigen zu
machen, abseits von allem Lärm liest eine Schöne in einem
fesselnden Roman. Jede einzelne Figur ist derb und ehr-
lich gesehen, ein unverfälschter Typ einer besonderen
Rasse. Mit grosser Liebe ist das Milieu behandelt, vom
alten Aushängeschild bis zum schmutzigen Fenster sehen
wir: Der Künstler hat alles an Ort und Stelle mit dem
Bleistift aufs Papier geworfen und sich bemüht, ohne
Übertreibung ein Stück Volk zu zeichnen, das in seiner
Abgeschlossenheit von seinem Lebensgewohnten noch
nichts eingebüsst und sich seine Merkmale erhalten hat.
Knaus will hier nicht humoristisch wirken, trotz der ans
Komische streifenden Originalität einzelner Gruppen bleibt
man ernst, weil doch über das Ganze ein schwermütig
stimmender Ton gegossen ist, der sich auch dem Be-
schauer mitteilt.

Über ein Dutzend Studien zum »Ghetto« lassen er-
kennen, mit welcher Sorgfalt Knaus an die Ausführung
gegangen ist. In anderen Zeichnungen lernen wir den
feinen Beobachter bäurischer und ländlicher Bevölkerung
kennen, das Volk der bayrischen und Tiroler Berge in der
Kirche, bei der Arbeit und bei der Erholung, will sagen
im Wirtshaus.

In grösseren Werken und zahlreicher konnte man den
Knaus sinnesverwandten Vautier studieren, nur dass Vautier
zum Unterschied von Knaus sich mehr in genrehaften Anek-
dotenbildchen gefällt, freilich wird er nie so unkünstlerisch
und trivial, wie es mit wenig Ausnahmen seine Schule ge-
worden ist, die das Humorvolle rezipierte und um seiner selbst
willen darstellte und dabei des künstlerischen Feingefühls ent-
riet. Vor allem seine grösseren Kompositionen »Wirtsstube an
einem Jahrmarkt«, Studien wie das »Zweckessen auf dem
Lande«, »vor der Gerichtssitzung« werden immer erwünschte
Beiträge zur Kulturgeschichte des deutschen Landvolkes
sein und uns allmählich verschwindende Sitten und Ge-
bräuche im Bilde festhalten. Der angeheiterte Ehemann,
der erst bei Morgengrauen zu seiner besseren Hälfte
zurückkehrt und ähnliche ulkige Episoden aus dem Leben
der kleinstädtischen Welt lässt man sich gerne gefallen,
wenn man sich auch bald satt sieht. Gleich Knaus ist
auch Vautier mit einer reichen Sammlung von Zeichnungen
vertreten, technisch trefflich durchgeführte Skizzen, die
manchem Kupferstichkabinett eine wertvolle Zugabe sein
dürften.

Wo Knaus und Vautier sind, darf auch Defregger nicht
fehlen; wir führen von sechs unbedeutenderen Arbeiten
nur den »Freiheitskämpfer in Tyrol« an, ein Bild, das
Defregger's unleugbare Virtuosität in der Wiedergabe
charakteristischer Vertreter seiner Tiroler im kleinen zeigt.

Über Julius Adam, den Katzenmaler, Gustav Dvorak,
Paul Meyerheim, Sperling und Kowalsky, brauchen wir
kein Wort zu verlieren, was sie in der Henneberg-Galerie
hatten, das ist belanglos für die Geschichte der Kunst
und sie offenbaren auch hier nie bedeutende Eigenschaften,
die sie einer ernsthaften Betrachtung würdig machten.
Wer einen Adam, einen Kowalsky und Genossen gesehen
 
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