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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

DOI Artikel:
Hevesi, Ludwig: Neuere Wiener Plastik
DOI Artikel:
Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0178

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Pariser Brief

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steht auf einer Stele von ganz moderner Bildung,
aber sorglichst erwogenen Empfindungslinien. Der
geschliffene afrikanische Marmor, lila und rosa durch-
einander geflammt, ist eine Sorte, die zum erstenmal
nach Wien gelangt. Ornament ist da überflüssig.
An der Vorderwand aber ist die Widmungstafel ein-
gelassen, mit der vom Unterrichtsminister von Härtel,
bekanntlich einem der leitenden Latinisten unserer
Zeit, verfassten Inschrift: »Pontifici maximo Leoni
decimo tertio optimo fidelium pastori per quinque
lustra ecclesiam singulari dei Providentia felicissime
gubernanti eiusque thesauros uberrime recludenti hunc
boni pastoris imaginem Franciscus Josephus primus
Imperator Austriae Rex Apostolicus Hungariae pietatis
ergo D. D. D.« Die Worte »eiusque thesauros uberrime
recludenti« sind ein Zitat aus der vom Papste eigen-
händig niedergeschriebenen Inschrift für seine Porträt-
medaille (»Reclusit thesauros ecclesiae anno Sancto
Leo P. P. XIII.«), zu der er dem Künstler wiederholt
gesessen, und deren Revers in grossen Zügen die
römische Landschaft mit dem ragenden Umriss der
Peterskuppel zeigt. Eine ähnliche Stele aus demselben
Marmor, 162 cm hoch, mit goldener Widmungstafel
zwischen zwei kleinen in Email mit Brillanten aus-
geführten Wappen, ist das Jubelgeschenk der Stadt
Wien. Beide Kunstwerke wurden dem Papste von
dem österreichisch-ungarischen Botschafter, dem be-
sonderen Abgesandten des Kaisers und dem Künstler
in feierlicher Audienz überreicht. Die Marschall'sche
Papstmedaille selbst ist unstreitig eine der besten
Porträtmedaillen unserer Zeit. Das Profil mit dem
nachgerade historisch gewordenen Lächeln ist mit
seinen geistvollen Alterszügen sehr lebendig gegeben.
Auch gewisse Einzelheiten, die ein ceremoniöserer
Künstler vielleicht verheimlicht hätte, sind beobachtet;
so das kunstreich nach vorn gebürstete Haar, das
unterwegs eine lose Nackenlocke auf den Kragen des
Ornats fallen lässt und ein wenig an das Haar Kaiser
Wilhelm's I. erinnert. Rudolf Marschall hat sich durch
diese Arbeiten hoch über die Mitstrebenden in Wien
erhoben.

Wien, im Februar.

PARISER BRIEF
Herr Odilon Redon ist zwar nicht der letzte der
Mohikaner, aber doch der letzte Rosenkreuzer. Zur Zeit
des dreissigjährigen Krieges gab es in ganz Europa Mit-
glieder dieses nachmals verschwundenen Oeheimordens,
an den kein Mensch mehr dachte, bis es dem sonderbaren
Schwärmer Joseph Peladan, der sich selber den Titel »Sär«
begelegt hat, vor etwa fünfzehn Jahren einfiel, die Sache
zu neuem Leben zu erwecken. Es gehörten zu der
modernen Oesellschaft der Rose-Croix einige Maler und
Schriftsteller, die nach der inzwischen schon erfolgten
Auflösung bekannt geworden sind: Henri Martin, Aman-
Jean, der Karikaturist Valloton und einige andere. Odilon
Redon, einer der Hauptleute bei den jährlichen Ausstel-
lungen der Rosenkreuzer, hat sich nach dem Eingang der
Oesellschaft nicht einem anderen Salon angeschlossen,
wie es seine soeben genannten Genossen gethan haben,
sondern er hat sich in die mystische Einsamkeit seiner
Rosenkreuzerei zurückgezogen. Nur besonders bevorzugten
Sterblichen wurde der Eintritt in seine Werkstatt erlaubt,

und hier machte dann der Hausherr die Honneurs mit
den Ceremonien eines mittelalterlichen Alchimisten. Jetzt
endlich, zum erstenmal seit dem vor acht Jahren erfolgten
Tode der Rose-Croix, zeigt Odilon Redon bei Durand-Ruel
seine Werke den Augen der Profanen. Er ist gleich selt-
sam in seinen Themen wie in der Ausführung und Technik.
Das erste, was der Eintretende sieht, sind einige ein-
gerahmte Bleistiftskizzen, so unbeholfen und mittelmässig,
dass da alle Kritik aufhört. Irgend ein mässig veranlagter
Gymnasiast würde das besser machen. Aber Redon kann
trotzdem zeichnen, wie man an einigen zart ausgeführten
Pastellen sieht, die wirklich sehr gute, wenn auch nicht
gerade hervorragende Porträts sind. Dann hängen da ein
paar kleine Bildchen von Blumen und Früchten, sehr knapp
und nüchtern, aber voll Liebe und Einfalt: man könnte
fast an Chardin erinnert werden. Aber das alles ist nicht
der eigentliche Redon, der Redon vom Rosenkreuze. Der
knallt in den heftigsten und leuchtendsten Tönen drauflos:
orange und violett liebt er am meisten, und wahrhaftig,
seine blendenden Harmonien beweisen, dass der Mann
ein grossartiger Kolorist ist. Sehr viel Ähnlichkeit hat er
mit dem Wiener Klimt, aber er treibt die Seltsamkeit noch
ein gut Teil weiter als der Österreicher. Wie bei Klimt
flimmern goldene Sterne herum, blendende Farben ver-
einigen sich zu glühenden Bouquets und wenn der Be-
schauer davorsteht und die Sache zu begreifen sucht, so
wird ihm von alledem so dumm, als ging ihm ein Mühl-
rad im Kopfe herum. Erst nach langer Zeit sieht er
überhaupt, dass in dem knallroten Feuerbrand ein Frauen-
kopf thront, dass aus der schwarzen Finsternis ein Gerippe
herausschaut oder dass das vermeintliche Blumenbouquet
eine Versammlung von funkensprühenden Geistern ist.
Wer sehr viel Zeit hat, mag sich dann ganz in die Sache
hineinwühlen und vielleicht glückt es ihm, der verworrenen
Sache klaren Sinn zu finden. Wir wollen uns mit der
Erkenntnis begnügen, dass Odilon Redon ein sehr eigen-
artiger Farbenkünstler ist, der dazu befähigt scheint, grosse
Flächen dekorativ zu behandeln. Bisher ist ihm eine solche
Aufgabe nicht zu teil geworden, aber alle die farben-
leuchtenden kleinen Bilder von ihm scheinen zu beweisen,
dass ein ganz bedeutender Dekorator in ihm steckt. Was
er an die Wand malt, wird freilich das beschauende
Publikum nicht begreifen können, noch viel weniger als
es die »Philosophie« Klimt's begreifen kann, aber darauf
kommt es ja schliesslich nicht an. Jedenfalls wäre Redon
im stände, eine Wand mit blendender Farbenpracht zu
bedecken, deren hinreissende Harmonie das Auge des
Beschauers bezaubern würde. Im übrigen ist es ja nicht
notwendig, dass man sich bei jedem Gemälde gleich
auch etwas denken muss. Gefällt es nur unseren Augen,
so ist schon vieles gewonnen.

Eugen Carriere hatte bei Bernheim eine Ausstellung
veranstaltet, worin er seine unerreichte Meisterschaft als
Seelenzergliederer und Erforscher der geheimsten Regungen
im menschlichen Gemüte von neuem darthat. Neues ist
von ihm jedoch nicht zu sagen, denn alles, was man zu
seinem Lob vorbringen kann, ist schon oft gesagt worden.
Er ist ohne jeden Zweifel der innerlichste aller modernen
Porträtisten und wird als Sänger des Hohen Liedes von
Mutterliebe und Elternglück auf die Nachwelt übergehen.

In diesem Augenblicke wird man in Paris mit Kunst-
ausstellungen dermassen überhetzt, dass man nicht jeden
Monat einen, sondern jeden Tag zwei »Pariser Briefe«
über das Kunstleben schreiben könnte. Zum Glück ist
kaum der zehnte Teil dieser grossen und kleinen »Salons«
wichtig genug, um besonders besprochen zu werden, aber
selbst die übrigbleibenden können nur ganz flüchtig erwähnt
werden. Carlos Schwabe, ein, wenn ich nicht irre, in
 
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