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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Hevesi, Ludwig: Aus der Wiener Secession
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0185

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Bücherschau — Personalien

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Spezialschub, wie ihn auch Bauernfeld hatte, über den
Kopf der Donna vorgeschoben ist. Das ist wienerisch für
Wiener, und dabei mit einem gelungenen Griff ins
Malerische gegeben, um den sich der Künstler seit Jahren
bemüht. Ein anderes grosses Bild, mit zwei stadtbekannten
Blumenmädchen von kurvenhafter Korpulenz und einem
wahren Blumenfeuerwerk auf den Tabletten vor sich, ist
im grauen Strassenlicht gegeben, bei wohlverbürgten
Kattunfarben und Lokalnoten. Zwischen jener Walzer-
scene und einer ganz brillanten spanischen Tänzerin in
Gelb verliert es natürlich an farbiger Kraft. An den Thür-
pfosten seines Raumes hat Engelhart vier lebensgrosse
Bildnisse seiner eigenen Kinderchen angebracht, eine un-
gemein gemütliche Improvisation. Der Junge ist in länd-
lichen Schwimmhosen gegeben, das jüngste Mädel gar
nackt,' was ihm aber niemand verübelt.

In den Kabinetten treten Roller, Moll, Jettmar und
Metzner besonders hervor. Die riesige Arbeitskraft Roller's
ist durch seine Lehrthätigkeit an der Kunstgewerbeschule
nicht erschöpft. Vor wenigen Wochen erst haben seine
hochmodernen Dekorationen für den neu eingekleideten
»Tristan« in der Hofoper ganz Wien in Bewegung
gebracht. Diese von Wagner schwerlich geahnte land-
schaftliche Ausstattung gilt seither als eine Sehenswürdig-
keit des Tages. Und jetzt hat Roller sein Kabinett mit
zwölf Paneelen behängt, die alle die nämliche Landschaft,
den Niederblick aus seinem Atelier in den Sacre Coeur-
Garten (Bezirk III) und darüber hinweg auf Wien dar-
stellen, aber nach den zwölf Monaten immer anders
gestimmt. Auch Tag und Nacht und verschiedene Witte-
rungen tragen ihre Mannigfaltigkeit in das an sich
Einförmige. Wie schön wäre ein solcher Pavillon in
einem Wiener Privatpark. Dabei ist zu merken, dass der
Künstler nicht etwa in heute beliebter Weise die Land-
schaft stilisiert, sondern lieber mit Liebe innerhalb der
lokalen Wahrscheinlichkeit verbleibt und gleichsam die
Art Schindlers fortsetzt. Moll hat in seiner Stube sieb-
zehn Bilder vereinigt, Landschaftliches von der Hohen
Warte (bei Döbling), wo er jetzt haust, und Interieurs
(die an Kuehl anklingen) aus jenen ganzmodernen Villen-
häusern, die Josef Hoffmann dort für ein paar Secessionisten
und ihre Freunde erbaut hat. Die Bilder zeigen einen
starken Fortschritt zu Breite und Luftigkeit, ohne die
spezifisch saubere Moll'sche Hand vermissen zu lassen.
Einen grossen Erfolg hat Jettmar mit seinen vier Scenen
aus der guten alten Ungeheuerzeit, als der arme Urmensch
noch von allerlei Saurussen und Daktylussen gefressen
wurde. In der Ausgestaltung dieser delftblauen Leviathane
und theegrünen Ichthyodingsdas ist der Künstler ein
Phantastiker ersten Ranges. Nur seine prähistorischen
Kämpfer und Dulderinnen sind etwas porzellansüss aus-
gefallen. Franz Metzner ist der junge Charlottenburger
Bildhauer, dessen Entwurf für das Kaiserin Elisabethdenk-
mal, obgleich nur mit dem vierten Preise bedacht, als das
beste, ja einzig ausführbare im ganzen Wettbewerb
bezeichnet werden muss. Er ist in Wscherau (Böhmen)
1873 geboren, hat sich in München und Berlin entwickelt,
natürlich an der Akademie vorbei, und auch viel im
Architektonischen gearbeitet. Auf deutschen Ausstellungen
ist sein eigentümliches Stilgefühl längst aufgefallen. Es
ist darin eine gewisse unheimliche Note, gleichsam eine
tragische Linie und heroische Breitflächigkeit. Auch ist er
ein grosser Vereinfacher und findet mitunter eine Formel
von bemerkenswerter Knappheit. Daher kommt es, dass
etwa sein kleines kauerndes Bronzemädchen schon an die
fünfzigmal verkauft worden ist. Und von seinen Grab-
reliefs in Harzburg (Marmor) hat sich ein Liebhaber eine
Bronzereplik bestellt. Metzner wird nun, nach seinem

Wiener Erfolge, hierher übersiedeln. In den übrigen
Kabinelten giebt es allerlei, mitunter sehr gute Sachen
von Andri, Orlik, Tichy, List, Stöhr, Kurzweil, Schmutzer.
Von letzterem, dem Träger eines altberühmten Stecher-
namens, ist eine Riesenradierung (1,50 Meter breit) des
Joachim'schen Quartetts, mit entsprechend energischem
Schwarz-Weiss, eigens hervorzuheben. Aber auch ausser-
halb der Kabinette giebt es manches Gute; ich nenne
nur die Bilder des poetisch empfindenden Friedrich König,
der übrigens diesmal in einer grossen Amazonenscene
unwillkürlich etwas klimtisiert, und eine, wenn man
so sagen darf, rapide Landschaft (Granitbruch in Maut-
hausen) von Baron Myrbach.
Wien, Anfang April.

BÜCHERSCHAU
Adolfo Avena, Monumenti deW Italia Meridionale. Rela-
zione del ufficio regionale per Ia conservazione dei
monumenti delle provincie meridionali. Vol. I del pe-
riodo 1891 — 1901. Roma 1902.
Im Auftrage des Unterrichtsministeriums hat Adolfo
Avena eine umfassende Relation über die Monumente
Süditaliens herausgegeben. Dieselbe umfasst die Provinzen
von Bari, Benevent, Campobasso, Caserta, Catanzaro,
Foggia, Lecce, Napoli, Potenza, Reggio Calabria, Salerno
und ausserdem ein Verzeichnis sämtlicher Monumente Süd-
italiens nach Provinzen und Ortschaften eingeteilt. Nicht
weniger als 256 Abbildungen, zum grossen Teil nach
Originalaufnahmen und Zeichnungen ausgeführt, begleiten
den Text des stattlichen Quartbandes. Schon im Jahre
1860 gab Heinrich Schulz seine Denkmäler der Kunst des
Mittelalters in Unteritalien heraus und seitdem ist nichts
Zusammenfassendes mehr über den Gegenstand erschienen.
Jetzt giebt das Buch Avena's, dem eine Fortsetzung folgen
wird, einen glänzenden und äusserst dankenswerten be-
schreibenden Katalog der reichen Denkmalsschätze in
Unteritalien. In noch umfassenderer Weise und in histo-
rischem Zusammenhange wird demnächst Emile Bertaux
denselben Stoff in einer Prachtpublikation behandeln.

E. St.

Im Verlage von J. U. Kern in Breslau hat Herr Pro-
fessor Dr. Flugo Magnus eine Tafel zur Erziehung des
Farbensinnes der Kinder erscheinen lassen, die samt
72 Farbenkärtchen und einem Texthefte 7 Mark kostet.

PERSONALIEN
Geheimer Hofrat Professor Dr. Georg Treu in

Dresden, der Direktor der Skulpturensammlungen im
Albertinum, feierte am 29. März seinen 60. Geburtstag.
Treu wurde 1843 m St. Petersburg geboren, studierte in
Dorpat, Berlin und Göttingen und promovierte in Göttingen
mit einer Dissertation De ossium humanorum larverumque
imaginibus. Er habilitierte sich an der Universität zu Berlin
und wurde 1882 nach Dresden als Nachfolger Hettner's be-
rufen. Er hat sich um die Dresdner Skulpturensammlungen
hohe Verdienste erworben, namentlich hat er eine Samm-
lung moderner deutscher und ausländischer Bildwerke (be-
sonders französischer und belgischer Skulpturen) angelegt,
die in Deutschland einzig dasteht. Auch seine Behandlung
der antiken Originalwerke, die er von den wunderlichen Er-
gänzungen befreit hat, ist als mustergültig anzusehen.
In dieser Beziehung, wie durch die gesamte neue Anord-
nung sind die Dresdner Skulpturensammlungen vorbildlich
geworden. Als Schriftsteller hat sich Treu ausser durch
seine Schriften über Olympia und den Hermes des Praxi-
teles besonders durch sein Eintreten für Klinger und
Meunier bekannt gemacht. Zu Ehren Treu's fand an seinem
 
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