Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

DOI Artikel:
Schmidt, Karl Eugen: Ein neues Madonnenrelief Donatello's?
DOI Artikel:
Lyka, Karl von: Internationale Kunstausstellung in Budapest
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0235

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
447

Internationale Kunstausstellung in Budapest

448

pressionistischen Bilder unternehmen die Flucht in
die Öffentlichkeit. Bei Bernheim werden einige ent-
zückende Sachen gezeigt. Dabei ist auffallend, wie
die Impressionisten ihre Manier geändert haben: so
ansprechend geschmackvoll und fein ihre älteren Sachen
sind, so virtuos im schlechten Sinne, so brutal geradezu
wirken sie in den Arbeiten der letzten zehn Jahre.
Da sind zwei Claude Monets aus dem Jahre 1872:
Ansichten aus Saardam, wo sich hochgieblige hell-
grüne Häuser, dunkle Baummassen, ein blauer, hoher,
mit weissen Wolken befahrener Himmel im Kanal
spiegeln. Die Luft ist durchsichtig rein und klar,
und man schaut bis in weite Fernen hinaus auf den
am Horizont verschwindenden Kanal mit seinen
Kähnen und den Windmühlen seiner Ufer. Nichts
kann reizender, poetischer und realistischer zugleich
sein als diese beiden Bilder. In zwei spätem Bildern
von der französischen Riviera zeigt sich Claude Monet
wieder als der entzückende Farbendichter, der sich
in seinen besten Sachen mit dem grössten Koloristen
der Neuzeit, mit dem Engländer Turner, messen
kann. In rosigem Dufte liegt der See und die Alpen
im Hintergrunde vor dem Beschauer, so zart und
fein hingehaucht wie ein Märchenland. Wie schade,
dass Monet, in dessen Seele ein grosser Poet schlum-
mert, sich viel lieber in der Rolle des Grammatikers
gefällt, der die wechselnden Lichterscheinungen an
einem bestimmten Thema gewissenhaft und oft sehr
unerfreulich abhandelt! Sisley hat dieselbe Wandlung
durchgemacht: auch von ihm ist eine Landschaft von
1873 da: neben einem saftig grünen Kohlfelde liegt
eine gelbe Weizenfläche, und in schweren dunklen
Massen stehen die Obstbäume am hohen blauen
Himmel, an dem die weissen Wolken hinziehen. In
diesem »Argenteuil« genannten Bildchen findet man
zwar nicht die später bei Sisley so beliebten Ab-
stufungen von blau, violett und lila, aber desto natür-
licher, richtiger und ungesuchter wirkt die Arbeit.

Von Manet selbst ist ein grosses Bildnis Zola's
da, ferner ein Junge in weissem Kittel, der Seifen-
blasen macht, ein kleinerer Junge mit einem leuchtend
roten Käppchen, ein weibliches Bildnis ganz in Weiss,
eines der besten Beispiele für die feine Modellierung
der Fleischtöne ohne jede Zeichnung als Linien-
führung, ein Stillleben und einige andere Sachen,
deren keines etwas Neues lehrt, und die alle ohne
Ausnahme die oben angeführte Thatsache von dem
Verschwinden der Farben Manet's erhärten. Wie
Manet auf seine Schülerin Berthe Morizot gewirkt
hat, lässt sich hier ebenfalls sehr gut beobachten:
das Bildnis der Dame im rosa Ballkleid könnte fast
von der Morizot sein, und die Damenbildnisse der
Morizot, die in der Nähe hängen, unterscheiden sich
von den Arbeiten Manet's nur durch grössere Zart-
heit, Anmut, fast möchte man sagen: Weiblichkeit.
In der Auffassung, in der Technik, in der Anschauung
der Natur sind Meister und Schülerin einander voll-
kommen gleich. Ausser der Morizot ist hier noch
eine Schülerin Manet's vertreten, deren Bilder man
nur sehr selten zu sehen bekommt: die Engländerin
Mary Cassatt. Ihre hier ausgestellten Porträts von

jungen Frauen und Kindern weisen ihr nicht die
aparte und eminente Stelle ein, die der Morizot ge-
bührt. Sie sucht durch Verwendung grosser franker
Farbenflächen zu wirken und setzt deshalb grüne, blaue
und rote Kleider in breiten Flächen nebeneinander. Das
wirkt nicht immer angenehm, und die Stärke der Cassatt
liegt nicht in diesen koloristischen Versuchen, sondern
vielmehr in ihrer frischen Auffassung und der tech-
nisch äusserst geschickten Modellierung der Gesichts-
züge ihrer Modelle. Neben Manet scheint sie als
Lehrmeister Rubens studiert zu haben, und einige
ihrer nackten Kinder sind direkte Urenkel der Kinder
und Engel des Flamen. Leider sind sie wie alle
Urenkel etwas degeneriert, verzeichnet und verformt.

Degas ist mit einigen Tänzerinnen und Wäsche-
rinnen vertreten, sehr feinen und aparten Sachen, die
das unglaubliche Talent dieses grossen Meisters im
Erfassen einer vorüberhuschenden Bewegung aufs
neue beweisen. Renoir's Bildnisse und Landschaften
zeigen nichts Neues: er war immer von der Vorliebe
für die blaue Farbe eingenommen, und alles wird bei
ihm blau, was andere grün, rosig oder braun sehen.
Von Pissarro ist ausser zwei hohen Gärten mit kleinen
Figuren ein sehr feines und stimmungsvolles Bild
da: ein pflügender Bauer auf dem von den letzten
Strahlen der Abendsonne beleuchteten Acker. Schliess-
lich sei noch Cezanne erwähnt, der grausamste und
unerbittlichste von den impressionistischen Meistern.
Alle seine Bilder leiden an äusserst störenden per-
spektivischen Fehlern; um eine Schüssel mit Äpfeln
zu malen, setzt er sich offenbar direkt auf den Tisch
und sieht dann die Sachen in einem bei der Wieder-
gabe ganz unmöglich wirkenden Winkel: die ganze
Sache steht schief, und handelte es sich um wirkliche
Äpfel, so müssten sie unfehlbar von dem Tische
herabrollen. Ebenso giebt es bei ihm kein Vor- und
Zurücktreten der Gegenstände, alles steht in gleicher
Entfernung, und auf dem Bildnisse des Schriftstellers
Gustav Geffroy sind der Mann, der vor ihm stehende
Tisch und der hinter ihm stehende Bücherschrank
alle in der nämlichen Linie aufgebaut. Dadurch ver-
schwindet jede plastische Körperlichkeit, und die
Figuren und Gegenstände sehen aus, als ob sie flache
Blech- oder Papierstücke wären, die man auf die
Wand aufgeklebt hat. Man muss ein Auge schliessen,
um die Welt so zu sehen, und ich glaube stark, dass
Cezanne wirklich dieses einäugige Verfahren anwendet,
welches alle Perspektive und alle Körperlichkeit auf-
hebt. Jedenfalls wird die kommende Richtung nicht
gerade diese Eigentümlichkeit des Impressionismus
beibehalten. KARL EUGEN SCHMIDT.

INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG IN
BUDAPEST

Diesmal kamen die ausländischen Künstler in
geschlossenen Gruppen nach Budapest. Sie brachten
auch etwas von ihrem Genius loci mit, namentlich
die Schweden, Engländer, Franzosen. Die letzteren
reichen freilich bis ins Jahr 1864 zurück, von Eduard
Manet bis zu den Malern der Bretagne: Luden Simon
 
Annotationen