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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Hevesi, Ludwig: Die moderne Galerie in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0240

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XIV. Jahrgang

1902/1903

Nr. 29. 12. Juni.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendtingen sind zu richten an e. A. Seemann, Leipzig, Querstrasse 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE MODERNE GALERIE IN WIEN
Von Ludwig Hevesi

Die moderne Kunst hat endlich auch in Wien
ihren festen Punkt gewonnen. Den Krystallisations-
punkt, um den sich Elemente von künstlerischer
Lebenskraft ansetzen können in Gegenwart und Zu-
kunft. Dem Unterrichtsminister von Härtel war es
vorbehalten, den alten Traum von einem Wiener
Luxembourg zu erfüllen. Unter seinem Regiment ist
System in die jahrelangen, vorderhand eher ziellosen
Anläufe gekommen, in deren Richtung nur Sangui-
niker von Beruf etwas Positives, vielleicht Ganzes
herandämmern sahen. Die Sache war nun nachgerade
reif geworden, nicht zum wenigsten durch den dauer-
haften Erfolg der Wiener Secession, die das konser-
vative Wiener Auge planmässig an Verpöntes und,
wie man im Wiener Schreibdialekt zu sagen pflegt,
Perhorresziertes zu gewöhnen wusste. Zwei kunst-
eifrige Mitarbeiter des Ministers, seine beiden rechten
Hände, Sektionschef Stadler von Wolfersgrün und
Ministerialrat Karl von Wiener, haben ihr unleugbares
Verdienst um das erfreuliche Ergebnis; die moderne
Galerie war in den letzten Jahren das Schosskind des
Ressorts. Der Kaiser hat eines seiner eigenen Häuser,
das untere Belvedere, zu einstweiliger Unterbringung
der Kunstwerke überlassen, und an der Gartenseite
dieses Prinz Eugen'schen Beausejour schimmern nun
über einer Thür die goldenen Worte »Moderne
Galerie«. Es sind die nämlichen Räume, in denen
die Ambraser Sammlung so lange Zeit untergebracht
war; die achtzehn detailreichen Aquarelle von Karl
Ooebel in der Kaiserlichen Galerie erinnern für alle
Zeiten an den interessanten Anblick, den diese Säle
und Gemächer damals boten. Es sind wahre Pracht-
räume des angehenden Rokoko. Der geschliffene
leberrote Marmor der Thürgewände und Kamine setzt
sich gelegentlich in grossgeschwungenen Kurven über
die Saaldecke fort, unterteilend und freizügige Rahmen
bildend für eine unabsehbare weisse Welt von Stuck-
reliefs ornamentaler und figuraler Art. Oder die
weiten Plafonds sind mit allegorischen Fresken be-
deckt, »plafonnant« wie die Möglichkeit, aber durch
zwei Jahrhunderte zu der Ruhe von ausgespannten
Gobelingezelten harmonisiert. Einer der Säle hat auch
einen herrlichen Mosaikfussboden aus grossen farbigen

Marmorplattcn. Über zwei Kaminen schimmern grosse
weisse Marmorreliefs, die man gerne Raphael Donner
zuschreibt. Ich finde, dass dieses Provisorium seinen
eigenen künstlerischen Reiz hat. Man denke sich in
zweien der schönsten Säle die beiden Riesenbilder
Max KUnger's aufgebaut, das »Urteil des Paris« und
den »Christus im Olymp«. Sie machen mir den
Eindruck, als habe sie Klinger da geschaffen, auf Be-
stellung eines fürstlichen Mäcens, der ihm als Werk-
statt die schönsten Säle seines Schlosses eingeräumt
hat, wie Karl V. einem Tizian. Warum soll man
sich nicht diese Illusion machen dürfen? Besonders
lebhaft wird mir dies in dem Goldkabinett des Prinzen
Eugen, wo man lauter Makartiana vereinigt hat.
Eugen von Savoyen liebte solche strahlende Juwelen-
schreine von Gemächern, und auch in seinem Stadt-
palast in der Himmelpfortgasse (jetzt Finanzministerium)
ist ein solches Kabinett," eine förmliche goldene Sta-
laktitengrotte, das eigentliche Kleinod. Makart in jenem
Goldkabinett, das ist so recht etwas in Makart's Sinne
Gedachtes. Hans Makart als Kammermaler Prinz
Eugen's, in dessen Parkschloss arbeitend, von Gold
und wieder Gold umgeben, das wie von selbst in
seine Malereien hineinspielt, als Goldgrund in seine
»Modernen Amoretten«, in seinen Ölzelt'schen Plafond,
in seine Goldocker, Neapelgelb und Zinnober. Er
ist wohl soeben in den Park hinausspaziert und nur
seine Bilder stehen da und warten auf seine Wieder-
kehr. Die »Fünf Sinne« (aus Miethke's Besitz) kulissen-
gleich in zwei Reihen aufgestellt, darüber in der Luft
schwebend der Ölzelt'sche Plafond, wie um zu ver-
suchen, welche Wirkung eine solche Zusammen-
stellung machen würde. Als Hintergrund dazu das
grosse Gemälde der Wolter als Messalina, auf ihren
Pfühlen ruhend, geschmeidegeschmückt. Diese sieben
Bilder sind zu einem ganzen Makartboudoir zusammen-
gestellt. Dazu jenes üppige Gemälde, die Vision
einer ganzen Saalwand, in die seine eigenen »Modernen
Amoretten« als Panele eingefügt sind. Eine grosse
Plafondskizze und ein grosser Entwurf für einen
Theatervorhang vollenden den Eindruck eines zeit-
weiligen Makartateliers. Ich finde, dass man diese
Dinge gar nicht stimmungsechter aufstellen konnte.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich übrigens noch den
Wunsch aussprechen, dass doch endlich einmal in
Deutschland das Vorurteil von der Vergänglichkeit
 
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