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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 14.1903

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Schleinitz, Otto von: Londoner Brief, [3]
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Widmer, Karl: Karlsruher Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.5810#0250

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Karlsruher Kunst

478

des Kupferstichs. Die Hauptmezzotintsammlung ent-
hält 7650 Blätter, die letztere 2675 Bildnisse. Die
seltensten und schönsten Beispiele der graphischen
Kunst sind hier durch 284 englische und 70 aus-
ländische Meister vertreten. Da noch viel auszubessern
ist, so wurden zur Zeit nur 60 der interessantesten
Blätter dem Publikum zur Besichtigung geboten, da-
gegen sollen im nächsten Jahre 500 bis 600 Stiche
im British Museum ausgestellt werden.

Das »Viktoria- und Albert-Museum« veranstaltete
in seinen Räumen eine Ausstellung von Kupferstichen
britischer Meister, die den dritten Abschnitt einer
graphischen Serie bildet. Die in den Vorjahren
den graphischen Künsten gewidmete Ausstellung be-
traf Lithographie und Illustration. Wenngleich die
ausgezeichnetsten Probeblätter und die verschiedensten
Plattenzustände hier vorhanden sind, so werden dem
interessierten Publikum die meisten derselben doch
bekannt sein. In der South Kensington-Kunstschule
fand unter Vorsitz des Bildhauers Alfred Gilbert eine
Vereinigung statt, um den zum Besuch in London
eingetroffenen Bildhauer Auguste Rodin zu bewill-
kommnen. Wie es kaum anders zu erwarten war,
fiel die, Hauptrolle in dieser Begrüssungsfeier den
beiden hervorragenden Landsleuten des Gastes, näm-
lich dem Professor Legros und M. E. Lanteri zu.

Die Menzelausstellung in der vornehmen French
Gallery in Pall Mall wurde am 6. Juni unter dem
Protektorate des deutschen Botschafters Grafen Wolff-
Metternich feierlich eröffnet. Wenn auch diese ca.
120 Nummern von Zeichnungen, Aquarellen und
zwölf Ölgemälden nicht entfernt einen Begriff von
der Grösse MenzePscher Kunst geben und besonders
die Darstellungen aus der Fridericianischen Zeit ver-
missen lassen, so kann man doch mit Genugthuung
konstatieren, dass die hier den Londoner Kunstkreisen
zum erstenmal gebotenen Proben Menzel'scher Zeich-
nung und Malerei eine sehr sympathische Aufnahme
gefunden und einen tiefen Eindruck gemacht haben.
Im Mittelpunkt des Interesses stehen Der Markttag
auf der Piazza d'Erbe in Verona, von der Galerie
Henneberg (für 240000 Mark verkäuflich!) ausgestellt,
und die von Generalkonsul C. Behrens in Hamburg
geliehenen drei Werke: Das Innere der Kathedrale
von Salzburg (Aquarell) und die Ölgemälde Alte
Synagoge in Prag und Eine Strasse in Paris. Zwei
vortreffliche, im Jahre 1850 gemalte Porträtstudien
des Dr. Puhlmann und Major Leuthold wurden noch
kurz vor der Absendung nach London von der Ber-
liner Nationalgalerie erworben, wie der Timeskritiker
schreibt »aus Furcht, dass ein englischer Kunstfreund
sie wegschnappen könnte«.

Ein inzwischen bereits in Berlin angelangtes
Porträt König Eduard's VII. von der Hand des
Malers Emil Fuchs und bestimmt von dem Chef für
sein Gardedragoner-Regiment, fand hier vielen Bei-
fall. Unter den Personalien gebührt dem Präsidenten
der Königlich schottischen Akademie die erste Stelle.
Dieser wurde als Sir James Guthrie in den Adels-
stand erhoben, und da er erst 44 Jahre alt ist,
so bleibt van Dyck der Ruhm, die betreffende

Ehre schon früher, das heisst mit 34 Jahren erreicht
zu haben.

Hinsichtlich der grossen stattgehabten Kunstauk-
tionen will ich nur einige Worte an den Verkauf
des Gainsborough für 198450 Mark anknüpfen. Ich
habe das betreffende Bild, ein weibliches Damen-
porträt, eingehend besichtigt und halte dasselbe für
kein zu besonderes Werk des Künstlers. Andererseits
sprechen alle Anzeichen dafür (vorausgesetzt normale
Zeiten), dass die Werke ersten Ranges der alten eng-
lischen Meister auf 500000 — 600000 Mark steigen
werden. Seit zwölf Jahren habe ich fortgesetzt an
dieser Stelle auf die kommenden Preissteigerungen
hingewiesen. o. v. SCHLEINITZ.

KARLSRUHER KUNST

Im Karlsruher Kunstverein ist zur Zeit eine grössere
Kollektion von Arbeiten des bekannten Aktlehrers der
Karlsruher Akademie Professor Ludwig Schmid- Reutie
ausgestellt: Skizzen und Studien und ein vollendetes
Bild »Kain». Schmid - Reutte, in dem die Akademie
eine ihrer hervorragendsten Lehrkräfte besitzt, ist auch
als ausübender Künstler jedenfalls ein Mann von un-
bestreitbar grossen, wenn auch einseitig ausgebildeten
Qualitäten. Seine Beherrschung der menschlichen Form
ist vollendet, wird aber nie akademisch, bleibt immer gross,
wuchtig, herb, energisch auf das Wesentliche gerichtet und
durchsetzt von einem stark persönlichen Zug eines leiden-
schaftlichen Kraftgefühls. Dagegen fehlen ihm die eigent-
lich malerischen Potenzen. Seine Vorzüge reden aus den
Skizzen, den gezeichneten Aktstudien am eindringlichsten
zu uns. Sein »Kain« wirkt bei aller Wucht der formalen
Darstellung mehr zeichnerisch als bildmässig.

In einem erfreulichen Fortschreiten ihrer Entwickelung
ist unsere jung aufblühende Karlsruher Privatarchitektur
begriffen. Es ist das um so bedeutungsvoller, als gerade
das eigentlich lokale Kunstleben aus der Thätigkeit der
Privatarchitekten, dem bürgerlichen Wohn- und Geschäfts-
haus neuerdings die stärksten Impulse einer künstlerischen
Regeneration empfangen hat. In der Malerei stehen einer
solchen, im strengen Sinne autochthonen Entwickelung vor-
läufig noch mancherlei Schwierigkeiten im Weg: vor allem
der Mangel an einem einheimischen Kunstmarkt und dann
auch das Fehlen an grossen staatlichen und kommunalen
Aufträgen. Auf diesem Gebiete hängt die Frage, ob sich
das Karlsruher Kunstleben auf der Höhe halten wird,
immer wieder vom staatlichen Eingreifen ab: vor allem
von den Berufungen an die Akademie. Nun haben zwar
die letzten Jahre bewiesen, dass man an massgebender
Stelle die Bedeutung dieser Frage wohl zu würdigen ver-
steht. Mit Thoma, Dill, Trübner ist gewiss ein bedeutendes
Stück modernen deutschen Kunstlebens bei uns eingekehrt.
Aber sie kamen als fertige Künstler. Ihre eigentliche
Werdezeit liegt jenseits ihrer Karlsruher Berufung. Ihre
Thätigkeit, das heisst ihre eigentlich künstlerische, schöpfe-
rische, wird in einem mehr oder minder äusserlichen Zu-
sammenhang mit ihrem hiesigen Aufenthalt bleiben müssen,
solange ihnen nicht von Seiten des Staates oder der Stadt
Gelegenheit geboten wird, in grösseren Monumental-
aufgaben die Spuren ihres hiesigen Wirkens auch durch
sichtbare Zeugen mit der künstlerischen Entwickelung der
Stadt zu verweben (wie das z. B. Thoma und Trübner in
Heidelberg zu teil geworden ist).

Ein um so reicheres Feld künstlerischer Thätigkeit auf
dem Karlsruher Boden ist den hiesigen Privatarchitekten
gegeben. Es ist gewiss kein schlechtes Zeugnis für den
 
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