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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Dülberg, Franz: Aus Münchens Bildersommer 1903
DOI Artikel:
Wolf, August: Vom Dogenpalaste
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0017

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Vom Dogenpalaste

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bilde ist zumal das wunderbare Herausleuchten der
braunen Augen aus dem ganz hellen aber doch leicht
rötlichen Gesicht gut gegeben, wie es jedem, der
einmal die halmleichte Gestalt auf der Sedia unter
dem aufbrennenden Evviva von Vierzigtausenden in
die Peterskirche hereinschwanken sah, unvergeßlich
ist. Die gelblich weiße Gewandung, das sehr frische
Rot des Mantels, das Karminrot der Stuhllehne und
das Grau der Wand schließen die Farbenreihe. Ganz
auf rot gestellt, in flottem, etwas charakterlosen Akkord,
ist das Porträt Rampollas. Auch hier sind die Augen,
mit ihrem so merkwürdigen, ungleichen Blick, treff-
lich herausgebracht.

Die Belgier bieten diesmal nicht viel Außerordent-
liches. In Rene de Baugnies »Am Abend« (46) ist
das seltsame dumpfrote Abendlicht der kleinen flan-
drischen Marktplätze (es ist wohl der von Brügge
dargestellt!) greifbar und zart zugleich Erscheinung
geworden. Eine Gruppe drängt sich um eine Obst-
verkäuferin, ein Umschlagetuch, violettrosa, gibt da
noch einmal das variierte Thema stark an.

Die Italiener haben sich gegen das vorige Jahr
kaum geändert. Das Andenken Segantinis — lux ex
septentrione — bildet den einzigen Stab dieser von
der Vergangenheit und von der Fremdenindustrie
beinahe totgeschlagenen Kunst. Feine träumerische
Reize hat Oreste da Molins bleiches Pastell »Er-
wachen« (1488), Halbfigur (Akt) eines jungen Mäd-
chens von ernstem sicher umzogenen Gesichtsoval.
— Von dem sehr talentvollen Cairati eine tief-
gestimmte Landschaft »Ponte di Mezzo« in Parma
(163): Abendhimmel, streifige Wolken, düster feind-
liche Natur; alles dies mit sehr sorgfältig angesetzter
aber fast reliefartig körperhafter Farbe ausgesprochen.

Die letzte Erlösung nach so mancher laut eifernden
Absichtlichkeit, nach so mancher mit breiten Tatzen
sich fest auf den Boden klebenden Mittelmäßigkeit,
die zumal in den hier nicht genannten Bilderhunderten
zum Vorschein kommt, reichen dem müden Durch-
wanderer der Säle die Schotten. Hell, locker, leise
und warm sind diese Bilder immer, freilich wohl nie
mit festem stolzem Griffe hinausführend. Da auch
ihre Art gut bekannt ist, und dieser Aufsatz räumlich
schon über alle Ufer zu treten droht, sei nur noch
einiges genannt, nicht geschildert. Das Kniestück
eines Hochlandspfeifers von Somerled Macdonald (736),
in dem grünlich bräunlichen Tone wohl von in Eng-
land bewahrten Bildern Rembrandts und Aert de
Gelders abhängig, trefflich in der Beobachtung des
animalischen Vorganges um Lippen und Wangen;
ein im knappen Ausschnitt äußerst kokettes Stück von
William Shanks: »An der See« (1084), ein ganz
junges Mädchen, das mit weit aufgeschürzten Kleidern
im blauen Wasser spaziert; eine seidig zarte, auf
hellstes Violett gestimmte Luftzauberei von Tom
Blacklock: »Träumerei« (97), ein Mädchen, das bei
nebelerfülltem Himmel am Meeresstrande sitzt; fester,
an frischem Zinnober und reinem Gelb reich, Fultons
°''d holzsammelnder Kinder in herbstlichem Walde
j332). ergreifend bei einfachstem Motiv von A. K.
OWn der Strand von Solway mit Gewitterwolken

(143) und von Patrick Dournie eine Seestudie mit
durchbrechendem Monde (232).

jedenfalls steht die Gabe Schottlands vom letzten
Ende des 19. Jahrhunderts dem Geschenk, das MacT
pherson mit dem Ossian der nach tiefaufgewühlten
Naturstimmungen hungernden Welt machte, an reinem
Schönheitswert nicht nach.

VOM DOGENPALASTE

Tintorettos Gemälde »Glorie des Paradieses«
ist nun endlich glücklich herabgenommen worden
und liegt auf dem Fußboden des großen Ratssaales,
dessen große Wand über dem Throne des Dogen
es einnahm, welche Wand vollkommen erneuert
werden muß. Wie alle Kunstfreunde wissen, befand
sich unter Tintorettos siebenundzwanzig Meter breitem
und zehn Meter hohem Leinwandgemälde die 1365
gemalte Freske des Guariento, welche beim großen
Brande vom Jahre 1577 so stark beschädigt wurde,
dass man beschloß, Tintorettos Gemälde an ihre
Stelle zu setzen. — Herr Robert Schmidt in Char-
lottenburg machte in dieser Zeitschrift zuerst darauf
aufmerksam, daß man in dem Gemälde der hiesigen
Akademie von Jacobello del Fiore von 1430 eine
genau Kopie des großen Freskobildes vor sich habe
und gibt die Geschichte dieses Auftrages (in Nr. 29
vom 12. Juni). — Die Aufdeckung des seit 400 Jahren
nicht mehr zu Gesicht gekommenen Freskobildes
nun gibt jener interessanten Mitteilung vollkommen
recht. Besonders darin, daß die Kopie der Haupt-
sache nach eine genaue ist, und daß nur die Roh-
heit des Kopisten der herrlichen Schönheit des alten
Malers nicht gerecht wird. — Von dem hoch-
interessanten Freskogemälde sind ungefähr zwei Fünftel
erhalten, das heißt noch zu erkennen. Am besten
erhalten die Mittelgruppe und die Engelpaare rechts
und links am Throne. — Sehr merkwürdig ist der
Umstand, daß an einzelnen Stellen unter den Fresken-
resten, da wo solche herabgefallen, sich rot auf-
gemalte Konturen zeigen, welche den darüber ge-
malten und ausgeführten Figurenteilen nicht entsprechen.
An drei oder vier Stellen ist dies wahrzunehmen.
Es würde das auf eine noch frühere Freske von
derselben Wand deuten. — Man wird nun alles
versuchen, vor Restaurierung der Mauer selbst die
genannten Freskenreste herabzunehmen. Ihr völliger
Untergang würde sehr beklagenswert sein. Ich möchte
nicht verfehlen zu erwähnen, daß soeben in der Gazzetta
di Venezia eine Studie über das Freskogemälde er-
scheint, in welcher der ungenannte Verfasser an der
Hand eines Dokumentes dartut, daß die Freske,
weil stark beschädigt, von einem gewissen Francesco
Cevola vollkommen erneuert wurde. Der Vertrag
ist vom 29. Oktober 1524, wo ihm aufgetragen wird
in weitgehendster Weise zu verfahren. — Er scheint
diese Erlaubnis sehr ausgedehnt zu haben. — So er-
klärt sich, daß die Mittelgruppe einen noch alter-
tümlicheren Stil zeigt als alles übrige, was anderen
und mir sofort aufgefallen war. Der Verfasser oben-
genannter Studie nimmt an, daß das Bild der
Akademie nicht die Kopie von Guarientos Bild sei,
 
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