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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Bode, Wilhelm von: Friedrich Lippmann: Direktor der Berliner Kupferstichkabinetts, gestorben am 2. Oktober 1903
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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XV. Jahrgang 1903/1904 Nr. 5. 20. November.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaß! 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

FRIEDRICH LIPPMANN,

Direktor des Berliner Kupferstichkabinetts,
gestorben am 2. Oktober igo3

Es sind kaum zwei Jahre verflossen, seit an dieser
Stelle dem Leiter des Berliner Kupferstiehkabinetts, der
damals fünfundzwanzig Jahre an derSpitze der Sammlung
stand, Worte wärmster Anerkennung für seine Tätig-
keit gezollt werden durften. Wer den starken, kern-
gesunden Mann damals gekannt hat, wer ihn noch
vor wenigen Monaten gesehen hat, würde ihm noch
Jahre ungestörter Gesundheit und rüstigen Schaffens
gegeben haben, aber ein Herzleiden, das sich im
Anfang des Sommers plötzlich und in besonderer
Stärke einstellte, hat nach schweren Leiden seinem
Leben ein vorzeitiges Ziel gesetzt.

Lippmann war kein Berliner, kein Preuße; seine
Herkunft verriet bis in sein Alter seine Sprache. Er
wurde als der jüngste Sohn eines wohlhabenden
Fabrikbesitzers am 6. Oktober 1838 in Prag geboren.
Hier erhielt er auch seine wissenschaftliche Ausbildung,
teils auf dem Gymnasium auf der Kleinseite, teils durch
Privatunterricht; durch letzteren auch in der Musik, für
die er — was seine späteren Freunde wohl kaum in
ihm vermutet haben — besondere Anlage und Interesse
hatte. Zehn bis dreizehn Jahre jünger als seine Ge-
schwister und fast nur auf die Gesellschaft seines be-
jahrten Vaters und einer kranken Schwester angewiesen,
war er von früh auf sich selbst überlassen, lebte fern
von Geselligkeit und den gewöhnlichen jugendlichen
Vergnügungen. Dies hat auf sein Wesen und seinen
Charakter dauernd einen Einfluß geübt; obgleich keines-
wegs von einsiedlerischen Neigungen, haßte er doch
jede Rücksicht auf Form, Gesellschaften oder öffent-
liche Vergnügungen waren ihm zuwider; erst sehr spät
hat er sich an sie gewöhnt, hat er selbst Freude
daran gefunden. Dagegen war er ein begeisterter
Freund des Sports und betätigte sich darin zum Teil
bis in seine späten Jahre hinein. Mit einem Schul-
freunde, an dem er bis zu dessen Tode leidenschaftlich
hing, übte er die verschiedensten Arten von Sport; er war
Reiter, ein vorzüglicher Fechter, Bergsteiger, Radler,
vor allem leidenschaftlicher Ruderer. Als Student baute
er sich selbst ein Boot, auf dem er zusammen mit
einem Freunde einen Ausflug bis Dresden machte.
Am liebsten war er aber daheim, in dem alten Garten '

hinter der Fabrik auf einer Insel der Moldau; dort
bastelte er, stellte sich kleine Maschinen her oder setzte
sie zusammen, zimmerte sich Wägelchen und Boote
und übte so seine technische Begabung, die ihm in
seinem späteren Berufe so sehr zustatten kam.

Den Winter liebte Lippmanns Vater seiner Gesund-
heit halber im Süden zuzubringen; dahin zog ihn wohl
auch seine Freude an der Kunst, hatte er doch an der
Wiener Akademie einen Kursus durchgemacht. Der Sohn
begleitete ihn; namentlich in Venedig war er schon
als Schüler wiederholt und Monate hindurch. Damals
lernte er die fremden Sprachen, deren völlige Be-
herrschung, freilich bei starkem Prager Dialekt,
ihm das Reisen im Auslande stets leicht und lieb
machte. Dieser frühzeitige Aufenthalt in Italien weckte
schon in dem Knaben das Interesse an der Kunst und
mit der Zeit auch das Interesse am Sammeln von
Kunstwerken. Als er 1856 die Universität Prag
bezog (nach einem mehrwöchentlichen ersten Besuch
von Paris nach guter Absolvierung des Abituriums),
wählte er jedoch nicht die Kunst zum Studium —
damals studierte man ja Kunstgeschichte überhaupt
noch nicht — sondern Staats- und Rechtswissenschaft,
und darin absolvierte er auch sein Examen, suchte
sich aber daneben allerlei Kenntnisse in Geschichte
und Naturwissenschaften anzueignen, für die er be-
sondere Begabung hatte. Dann begab er sich auf
Reisen nach Frankreich und England; namentlich in
Paris und London blieb er monatelang, setzte hier
in den Kunstsammlungen seine Studien, die er in
Wien im Belvedere, in der Albertina und in der kaiser-
lichen Bibliothek begonnen hatte, mit größtem Eifer
fort. Als er nach Jahr und Tag nach Wien zurück-
kam, war er zum k. k. österreichischen Rechtsprakti-
kanten verdorben, dafür trat er in Verbindung mit
dem Kreis kunstbegeisterter Männer, die damals unter
der Leitung von Heider und Eitelberger den reichen
Kunstdenkmälern Österreichs ihre Aufmerksamkeit zu-
wandten, das Studium seiner Kunstsammlungen zu
erschließen und die Kunstgeschichte auf den Universi-
täten zur Geltung zu bringen suchten. Eitelberger
begründete nach dem Muster des South Kensington-
Museums das Österreichische Museum für Kunstge-
werbe, das unseren deutschen Kunstgewerbemuseen
für Jahrzehnte als Vorbild gedient hat. Ein »Ge-
schaftelhuber« im besten Sinne, eine Seele von Gold,

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