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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Bode, Wilhelm von: Friedrich Lippmann: Direktor der Berliner Kupferstichkabinetts, gestorben am 2. Oktober 1903
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Friedrich Lippmann

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ein Mann von Eisen, wie sie Österreich in neuerer
Zeit nur ganz ausnahmsweise noch gehabt hat, ver-
stand es Eitelberger, auch die Jugend für seine Be-
strebungen heranzuziehen. Ihm mußte ein Mann
von der Begabung für Kunst, von dem scharfen
Blick und dem Sammeleifer, wie sie Lippman
besaß, für sein neues Museum besonders erwünscht
sein, und dieser griff freudig zu, als sich ihm die
Gelegenheit bot, einen ihm lieben Beruf zu wählen.
So trat er 1867 mit in den Verband des Öster-
reichischen Museums, zunächst als »Korrespondent«,
seit 1868 als Kustos.

In seiner neuen Beschäftigung fand Lippmann an-
fangs die beste Gelegenheit, ganz seiner Begabung und
Liebhaberei nach sich zu betätigen. Eitelberger, be-
sorgt, zunächst einen Stock alter Kunstwerke für das
junge Museum zu erwerben, bediente sich dafür
namentlich der Beihilfe seines jungen Genossen. Lipp-
mann wurde zu dein Behufe nach Italien geschickt,
ging wiederholt nach Paris und London — in Paris hatte
er gelegentlich der Weltausstellung 1867 die Pracht-
werke der Wiener Schatzkammer aufzustellen — und
kam häufig in die Städte Süddeutschlands und Öster-
reichs, in denen damals gerade eine Fülle der wert-
vollsten Werke der Kleinkunst am Markte war. In
diesen Jahren und auf solchen Reisen erwarb Lipp-
mann vor allem seine großen Kenntnisse der Mo-
numente, zu denen er schon in der Jugend den
Grund'gelegt hatte. Denen, welche ihn erst in spä-
teren Jahren kennen lernten, war es ein Rätsel, wie
Lippmann dazu gekommen war; denn sie kannten
nur seine Abneigung gegen den Besuch einer Samm-
lung oder einer Ausstellung und seinen Mangel an
Ausdauer, wenn er sich dazu hatte bereden lassen.
Aber was er sah, sah er gründlich, und was er ge-
sehen hatte, behielt er für immer. Seine Kenntnisse
bereicherte er und seinen Blick schärfte er nament-
lich auch durch die Bekanntschaft mit einer Reihe
hervorragender Sammler und Sammlungsvorstände
an den verschiedensten Orten, nicht am wenigsten
auch dadurch, daß er für sich mit Eifer zu sammeln
begann. Lippmann war keineswegs nur für die Kunst
einer bestimmten Zeit eingenommen, das Künstlerische
in den Werken aller Zeit zog ihn an und fand in
ihm einen verständnisvollen Bewunderer. Seinem
Bekannten Trau in Wien half er beim Sammeln von
chinesischem Email und Porzellan, seinem Bruder
verschaffte er eine hervorragende Sammlung von Ge-
mälden der holländischen Schule, seine eigenste Lieb-
haberei aber war die Zeit der Renaissance: er um-
gab sich mit Möbeln dieser Zeit, brachte eine
treffliche Sammlung illustrierter Bücher des 15. Jahr-
hunderts zusammen und schmückte seine Zimmer
mit Gemälden deutscher und niederländischer Meister;
Werke von Kulmbach, Baidung, Altdorfer, Cranach,
Bouts und anderen wußte er in diesen Jahren in
seinen behaglichen Räumen im Palais Epstein am
Ring zu vereinigen.

Eitelberger sah dieses leidenschaftliche Sammeln
bei einem Beamten des Museums nur ungern; in

dem Wunsch, ihm Einhalt zu tun, und um Lipp-
mann zugleich mehr auf wissenschaftliche Arbeiten
hinzulenken, schickte er ihn nicht mehr auf Reisen,
besorgte die Erwerbungen selbst, zog ihn zu In-
venturarbeiten und zu öffentlichen Vorlesungen im
Museum heran und machte ihn schließlich zum Vor-
stand der Gipssammlung. Schwerer hätte er sich
nicht vergreifen können, da seine gutgemeinten er-
ziehlichen Mittel gerade entgegengesetzt wirkten! Einem
so künstlerisch veranlagten Manne wie Lippmann war
bureaukratischer Dienst ein Greuel; ebensogern hätte
er Tüten gedreht, wie Gipsabgüsse katalogisiert und
aufgestellt. Auf diese Weise wurde ihm die Freude
an der Mitarbeit am Museum immer mehr verleidet,
immer eifriger sammelte er für sich, für seinen
Bruder und für Freunde. Hatte ihm die Wiener
Weltausausstellung 1873 noch einmal Gelegenheit
geboten, seine Kenntnisse durch die Zusammen-
bringung der retrospektiven Ausstellung alter Gemälde
in vorteilhaftester und ihm sympathischer Weise zu
betätigen, so mußte ihm der wirtschaftliche Zusam-
menbruch, der gleich darauf folgte, Wien vollständig
verleiden. Schwer verstimmt trat Lippmann vom
Österreichischen Museum zurück; nach zeitweiliger
Beschäftigung bei der Zentralkommission für Erhal-
tung der Kunstdenkmale, wobei er Steiermark und Tirol
bearbeitete, ging er Ende 1875 nach Paris, um dort im
Interesse seines Bruders die Versteigerung von dessen
Gemäldegalerie einzuleiten, die im Frühjahr 1876 zur
Ausführung kam. Dabei hatte er Gelegenheit, in die
bedenklichen Machenschaften des internationalen Kunst-
handels einen tiefen Blick zu tun, ja diese mit allen
ihren Widerwärtigkeiten selbst auszukosten. Nach
Wien oder überhaupt nach Österreich zurückzukehren,
widerstrebte ihm nach allem Erlebten so sehr, daß er
auch später nur selten und dann nur wenige Tage
wieder dort gewesen ist. Seine Blicke wurden für ihn
als Deutschen naturgemäß nach einer anderen Richtung
gelenkt. In Berlin hatten die Museen seit der Er-
nennung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm zum
Protektor 1872 und der im nächsten Jahre erfolgten
Ernennung von Richard Schoene zum vortragenden Rat
für Kunstangelegenheiten einen raschen, außerordent-
lichen Aufschwung genommen; durch neue Kräfte
war frisches Leben in die völlig stagnierenden Ver-
hältnisse gekommen, Mittel für Anschaffungen wurden
in ungewohnter Fülle zur Verfügung gestellt. Auf Direk-
torenposten, die längere Zeit unbesetzt gewesen waren,
wurden jetzt jüngere Kräfte berufen, neue Stellen
wurden geschaffen und geeignete Beamte dafür ge-
sucht. Unbesetzt war noch immer das Amt eines
Direktors des Kupferstichkabinetts, also gerade ein
Posten, für den Lippmann durch sein Interesse
und seine Studien besonders berufen war. Freunde
und Berufsgenossen, mit denen er in Wien zusammen
gelebt hatte, wirkten schon an den Berliner Museen,
sie machten auf Lippmann aufmerksam und wußten
gewisse Vorurteile glücklich zu überwinden; Anfang
November 1876 erfolgte seine Berufung als Direktor
des Kupferstichkabinetts nach Berlin. Dies geschah
freilich nicht ganz ohne Opfer seinerseits. Lippmann
 
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