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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schmidt, Karl Eugen: Der Pariser Herbstsalon
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Bode, Wilhelm von: Italienische Kunstpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0059

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Italienische Kunstpflege

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von Georges Bottini genannt, einem viel ver-
sprechenden jungen Künstler, der sich zwischen den
Japanern und europäischen Impressionisten seinen
eigenen Weg sucht und dabei zu überaus reizenden
Resultaten gelangt. KARL EUGEN SCHMIDT.

ITALIENISCHE KUNSTPFLEGE1)
Was in Italien aus Privatbesitz für öffentliche Samm-
lungen noch gerettet werden kann, ist herzlich wenig.
Nach allen Verkäufen durch Jahrhunderte waren nur einige
wenige große Sammlungen übrig geblieben; von ihnen
hat die italienische Regierung, indem sie von ihrem Veto
gegen den Verkauf ins Ausland Gebrauch machte, die be-
deutendsten an sich gebracht und zwar um ein Spottgeld,
so (dank namentlich der rastlosen Tätigkeit von Professor
Venturi) die Galerie Borghese, die Sammlungen Ludovisi,
Corsini, Torlonia, die Kunstwerke im Besitz des Hospitals
S. Maria Nuova in Florenz und so fort. Viel mehr, un-
endlich viel mehr für die Erhaltung der Kunstwerke in
Italien als durch den Ankauf des ganz zusammengeschmol-
zenen Privatbesitzes kann geschehen durch eine richtige
Konservierung der zahllosen und unschätzbaren Werke,
die überall in öffentlichem Besitz in Italien sich befinden:
in den Galerien, in den Straßen, an den Gebäuden und
vor allem in den Kirchen. Freilich hat auch nach dieser
Richtung der italienische Staat gute Vorsorge getroffen; ja,
diese Sorge war eine der ersten, die das neue Italien sich
angelegen sein ließ. Jede Provinz hat ihre Inspektoren
zur Beaufsichtigung der Kunstwerke, in jeder Provinz sind
diese seit Jahrzehnten bereits aufs sorgfältigste inven-
tarisiert, in manchen Gegenden neuerdings auch für das
Archiv des Kultusministeriums photographiert worden.
Nach dieser Richtung kann Italien allen anderen Staaten
als Vorbild dienen. Aber diese Überwachung, die Für-
sorge für die Erhaltung der Kunstwerke, ihre Restauration,
ihre Aufstellung und so fort ist ein gar schwieriges Ding,
zumal in Italien, wo Staat und Kirche seit langem auf dem
Kriegsfuß oder — was noch schlimmer ist — auf gar
keinem Fuß miteinander stehen. Denn in den Kirchen
sind ja die Hauptschätze geborgen; dort ist aber die Er-
haltung am schwierigsten, die Autstellung am ungünstigsten,
die Sorge am geringsten. Und gerade hier scheut man
sich einzugreifen. Gelegentlich, abseits in den kleineren
Provinzstädten, stehen wohl Behörden und Geistlichkeit
noch in guter Beziehung; dann geht man Hand in Hand
gerade in der Pflege der lokalen Kunst, vereinigt die
Bilder aus den Kirchen in den Museen oder gibt ihnen
einen guten Platz in den Kirchen selbst, stellt sie wieder
in ihre alten Rahmen, sorgt für vorsichtige Restauration
und so fort. So hat man es in Brescia, Parma, Treviso
und anderen Städten, namentlich in Norditalien gemacht.
Wo dies aber nicht der Fall ist, sieht's meist böse aus,
da die einen die Sache absichtlich verkommen lassen und
die anderen nicht ernstlich einzugreifen wagen. So gerade
an den Hauptkunststätten Italiens: in Florenz, Venedig, Rom.

Man trete in Florenz nur in die erste beste große
Kirche. Ich nehme S. Croce, das zum Nationalheiligtum
erklärt ist. Die Kirche ist voll der herrlichsten Grabsteine,
die zum Teil nachweislich auf die ersten Künstler zurück-

1) W. Bode hatte kürzlich in der »Voss. Ztg.« einen
größeren Aufsatz über italienische Reiseeindrücke ver-
öffentlicht, in welchem die auf die Kunstpflege sich be-
ziehenden Erörterungen uns so interessant erschienen, daß
wir den Verfasser gebeten haben, einen Teil davon in
einer erweiterten Form hier zum Abdruck zu bringen.

D. Red.

gehen, auf Desiderio, Ghiberti und andere; trotzdem werden
sie nach wie vor als Pflaster benutzt; in wenigen Jahr-
zehnten wird kaum auf einem mehr als ein dürftiger Rest
der Zeichnung zu erkennen sein. Als ich mit einem der
leitenden Männer an Ort und Stelle darüber sprach, meinte
er, es lohne sich kaum noch, etwas dafür zu tun, da die
Steine ja von früher her so stark abgetreten seien, und
sie an der Wand aufrichten zu lassen, könne er sich nicht
entschließen, da sie doch für den Boden bestimmt seien.
S. Croce birgt eine der herrlichsten Statuen Italiens: die
große Bronzefigur des heiligen Ludwig von Donatello; sie
steht wohl fünfzehn Meter hoch an der dunklen Eingangs-
wand unter dem Fenster, so daß sie fast unsichtbar ist —
ein Werk, für das im Handel heute gewiß zwei Millionen
Franken bezahlt werden würden! In S. Maria Novella, der
zweiten prächtigen Bruderkirche von Florenz, die von oben
bis unten voll ist von herrlichen Kunstwerken aller Art,
sieht's noch schlimmer aus. Daß Orcagnas Fresken, daß
Cimabues Altarbild regelmäßig ganz finster sind, versteht
sich von selbst: es war ja von jeher so! Masaccios Ge-
kreuzigter mit den herrlichen Stiftern zur Seite, eine der
großartigsten Schöpfungen der Renaissance, ist an der
Eingangswand total im Dunkeln. Die Bronzegrabplatte
Ghibertis im Chor wird der Fremde vergeblich suchen;
hier liegt sie zwar nicht mehr auf dem Boden, aber sie
steckt im Innern des abscheulichen modernen Holzbaues,
der die Rückseite des Altars bildet! Noch bedenklicher
steht's hier um Ghirlandajos berühmte Fresken. Wer sie
seit einem Menschenalter Jahr um Jahr gesehen und studiert
hat, wird gleich mir mit Schrecken den raschen Verfall
dieser Fresken wahrgenommen haben. Und wie mit diesem,
so geht es mit manchen anderen herrlichen Freskenzyklen
in Italien! Kein Wunder, wenn man sieht, wie man sie
vernachlässigt. Jahre und Jahrzehnte vergehen, ohne daß
sie gereinigt werden, fingerdicker Staub legt sich auf die
unebenen Wandflächen, und dieser Staub, namentlich wenn
er sich mit Feuchtigkeit verbindet, dringt in die Fresken
ein und frißt die Farbe weg. Wenn sie dann noch, wie
in der Novella, ein Riesenfenster zur Seite haben und dem
zehrenden Licht ausgesetzt sind, so ist ihr völliger Ruin
nur eine Frage der Zeit! Ein anderer Freskenzyklus, eines
der großartigsten Kunstdenkmale in ganz Italien, die Fresken
Riero della Francescas in S. Francesco zu Arezzo, ist seit
langen Jahren der Zerstörung durch die jammervolle Re-
stauration dieser Kirche ausgesetzt: Wände werden ab-
gerissen, der Boden aufgewühlt, Altäre versetzt, ohne daß
die Fresken geschützt werden, die der Staub fast unkennt-
lich gemacht hat. Erst in neuester Zeit sollen sie durch
eine Bretterwand, die man vor den Chor gezogen hat,
geschützt sein — geschützt? Als ob nicht durch die Fugen
der Staub in dichten Wolken hindurchzöge!

Ähnliches gilt von einer ganzen Reihe von Fresken,
namentlich in Kirchen, in denen noch Gottesdienst von
frühmorgens bis zum späten Abend abgehalten wird, oder
die, wie S. Croce, zu Nationalmonumenten erklärt worden
sind, wo also Staub und Rauch ununterbrochen aufgewirbelt
werden. Solchen Schäden gegenüber sollte man sich
rechtzeitig fragen, ob es nicht notwendig ist, diese Fresken
ganz abzunehmen und in Museen unterzubringen, wo sie
obenein sehr viel besser zu sehen wären! Für diese
einfache und billige Manipulation des Übertragens hat
man ja gerade in Italien verschiedene der geschicktesten
Künstler, voran Stefanoni von Bergamo, die ohne die ge-
ringste Beschädigung jedes Fresko, selbst von Gewölben
abnehmen und übertragen. Aber ehe man sich zu einer
so gründlichen Operation entschließt, werden die Kranken
— fürchte ich — ihrem Übel unrettbar verfallen sein!

Die Brera bringt mich auf eine andere Frage, die jetzt
 
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