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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Zum Hunderdsten Geburtstage Gottfried Sempers am 29. November
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Verschiedenes / Inserate
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105

Bücherschau

106

Damals erschreckte mich der Oedanke. Der behaglich
installierte Familienvater sträubte sich dagegen, den Künstler
begeisterte er.

Jetzt würde ich in einem solchen Unternehmen das
täglich mehr schwindende Selbstvertrauen wiedergewinnen;
ich würde die Expiation eines mühevollen Exils erfüllen,
den politischen Wirren entrückt sein, meiner verwaisten
Familie die nötigste Unterstützung verschaffen und meinen
Wunsch, meinem Vaterlande, das ich liebe und das mich
kennt, ferner zu dienen, erfüllt sehen. Richtung meiner zu-
gleich wissenschaftlichen und künstlerischen Bildung, Ge-
wohnheit des Reisens im Orient, spezielle Vorbereitung
durch das ganz frische Studium asiatischer und ägyptischer
Kunst, welches meine literarische Arbeit veranlaßte, Festig-
keit der Konstitution, machen mich zu der Erfüllung eines
solchen Aufrages, wie ich glaube, geeignet, falls es möglich
wäre, den gerichtlich Verfolgten damit auszuzeichnen.

Ich verbinde mit dieser wahrscheinlich Chimären Idee
nicht die Aussicht und kaum den Wunsch einer Wieder-
herstellung meiner bürgerlichen Existenz in Deutschland,
noch meiner Rückkehr auf dem Wege der Begnadigung.
Auch denke ich dabei nicht an Sachsen, sondern an einen
andern deutschen Staat.

Wenn irgend, so ist ihre Realisierung nur durch Ihre
Vermittlung möglich. Einesteils wegen Ihres Einflusses
und Ihren nahen Berührungen mit allen ersten Autoritäten
in den Wissenschaften und Künsten in Deutschland, andern-
teils deshalb, weil Sie mich kennen, mein Wesen, meine
Aptitüden richtig beurteilen.

Die Werke assyrischer Kunst sind erst aus ihren
tausendjährigen Gräbern erstanden. Unsere deutschen
Sammlungen haben noch meines Wissens nichts davon
aufzuweisen. Kein deutscher Reisender seit Niebuhr hat
jene Gegend betreten, oder wenigstens Untersuchungen
dort angestellt.

Eine Durchforschung der europäischen Türkei würde
ebenfalls manches Neues ans Licht bringen; für griechisch-
römische Kunst wie für byzantinische Zeit, das Mittelalter
und den Islam. Nur weniges ist darüber bisher erschienen.

Kleinasien und selbst Ägypten bietet noch immer
neuen Stoff und eine unversiegbare Fundgrube für Er-
werbung von Kunstschätzen.

Für den Fall, daß ich nach Amerika auszuwandern mich
genötigt sehe, habe ich den Plan, in New York eine
Privatlehranstalt für Architekten und Techniker zu errichten.

Was raten mir Ew. Excellenz? Soll ich die letzten
Bande, die mich an das Vaterland knüpfen, soll ich meine
Schrift zerreißen und übersiedeln? Soll ich sie fortsetzen?
Wie dazu die nötige Frist in Europa gewinnen?

Ich wage es, Ew. Excellenz, um die Gunst einer
recht baldigen Beantwortung dieser Fragen und um Ihre
Ansicht über die Möglichkeit und die Art Ihrer Realisie-
rung meiner abenteuerlichen Missionsidee zu bitten.

Würde ich innerhalb vierzehn Tagen keine, wenn
auch nur vorläufige Antwort erhalten, so würde ich eine
Bestätigung meiner Befürchtung darin erkennen, durch
diese Zuschrift Unangemessenes gewagt zu haben. Ich
würde endlichen Entschluß fassen und meine Tribus nach
Amerika verpflanzen.

Jedenfalls aber verharre ich stets in dem Gefühle
wahrer Verehrung und aufrichtigster Anhänglichkeit für
Ew. Excellenz, in welchem ich ehrerbietigst zeichne
Ew. Excellenz

Paris den 10. April allerergebenster Diener

1850 Gottfried Semper.

59 rue Rochechouart
chez Mr Sechan, peintre.

BÜCHERSCHAU

Franz Pascha, Kairo. Berühmte Kunststätten Nr. 21.
Leipzig, E. A. Seemann 1903. 160 S. mit zahlreichen
Abbildungen. M.

Der hochverehrte Senior der heutigen Forscher auf
dem Gebiete der arabischen Kunst, dem wir die wertvolle
Arbeit über die Baukunst des Islam in Dürrns Handbuch
der Architektur verdanken, hat nochmals zur Feder ge-
griffen, um, was ihm ein halbes Jahrhundnrt der Arbeit
und des Forschens in der Denkmälerwelt von Kairo an
Kenntnissen und Eindrücken einbrachte, als Vermächtnis
an die Vielen zu übermitteln, die heute an den Nil pilgern,
um dort aus dem offenen Buche von Natur und Kunst zu
lernen. Das ist eine Tat, für die wir nicht genug danken
können, Es gibt heute zwar bereits manchen, der eine
Ahnung vom Werden einzelner Gebiete der arabischen
Kunst hat, aber keinen, der das Ganze der ägyptischen
Gruppe so überblickt wie »Franz Pascha«. Ich möchte
daher, bevor ich das Buch den Touristen empfehle, es zu-
nächst den Gelehrten als den besten, heute vorhandenen
Führer nennen.

Schon die Anordnung ist eine systematische. In
chronologischer Folge wird zuerst die älteste Bautätigkeit,
dann die Periode der Foatimiden, Ejubiden, Mamluken
und Türken vorgeführt. Dann folgen in sachlicher
Gruppierung zuerst die Profanbauten: gewöhnliche Wohn-
häuser, Paläste, Okellen, öffentliche Bäder, endlich zum
Schluß die Monumente der Nekropolen, die sogenannten
Mamluken- und Kalifengräber. Zahlreiche vorzügliche
Abbildungen, zum Teil vom Autor selbst aufgenommen,
zum Teil nur ihm als Mitglied des Comite de conservation
des monuments de l'art arabe zugänglich, vervollständigen
ein Oesamtbild, das die deutsche Literatur als erste
auf diesem Gebiete besitzt. Möchte das Büchlein das
Morgenrot einer wissenschaftlichen Forschung werden,
die nicht immer wieder das Problem der arabischen
Kunstentwickelung als den Tummelplatz geistreicher
Theorien auf dem Gebiete der Arabeske und Polygonal-
ornamentik behandelt, sondern, wie die Spezialarbeiten von
van Berchem und Sarre, den Dingen vom historischen
Standpunkt aus im Orient selbst nachgeht und uns ganz
neue Ausblicke in die Vielgestaltigkeit der Völker-
schiebungen, die dabei in Betracht kommen, eröffnen.
Franz Paschas Stärke liegt auf dem Gebiete der Bau-
technik. Er hat als Architekt und Begründer der Konser-
vierung der arabischen Denkmäler Kairos in dieser
Richtung die genauesten Beobachtungen gemacht. In die
historischen Bahnen ist er dann durch eine andere Großtat,
die Begründung des arabischen Museums, gekommen. Die
deutsche Wissenschaft darf den Wiesbadener Julius Franz
mit gerechtem Stolz zu den ihrigen zählen.

Bescheiden, wie Franz Pascha zeitlebens war, stellt
er als die Gesichtspunkte, die ihn bei Abfassung seines
Werkchens leiteten hin, »einmal dem größeren Publikum
die "fernliegenden arabischen Monumente Kairos, welche
bis jetzt in Fachschulen und Handbüchern so stiefmütter-
lich behandelt wurden, näher zu bringen und in
zahlreichen beigegebenen Abbilduugen eine Sammlung
orientalischer Kunstformen zu liefern, welche bei dem
sich jetzt vollziehenden Umschwung der Ansichten über
die Bedeutung des Orientes in der Kunstgeschichte von
nicht geringem Interesse sein dürften; dann aber auch
den an die Ufer des Niles pilgernden kunstsinnigen
Wanderern, die oft monatelang in der Hauptstadt ver-
weilen, einen technischen Führer zum eingehenden
Studium der eigenartigen Monumente in die Hand zu
geben. Das Büchlein enthält in kurzgefaßter Form eine große
 
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