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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Hintze, Erwin: Miniaturen-Ausstellung: im Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und Altertümer zu Breslau
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0089

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XV. Jahrgang 1903/1904 Nr. 10. 31. Dezember.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

MINIATUREN-AUSSTELLUNG
im Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und
Altertümer zu Breslau

Von Erwin Hintze, Breslau

In der Reihe von Ausstellungen modernen Kunst-
gewerbes, die das Schlesische Museum für Kunst-
gewerbe und Altertümer in der Zeit seines vier-
jährigen Bestehens veranstaltet hat, erschien die soeben
geschlossene »Ausstellung von Miniaturmalereien aus
schlesischem Besitze oder schlesischer Herkunft« als
eine willkommene Abwechslung. Bei der Auswahl
der Ausstellungsobjekte beschränkte man sich auf
eigentliche Miniaturen. Innerhalb dieser Grenze um-
faßte die Ausstellung mittelalterliche Buchillustrationen,
künstlerisch ausgestattete Stammbücher und Wappen-
briefe, Porträt-, Genre- und Landschaftsminiaturen.

Frühmittelalterliche Minium- oder Mennige-
malereien — die Vorläufer der späteren mehrfarbigen
Buchminiaturen — besitzt Schlesien nicht. Als diese
in den Kulturländern des Altertums und des Mittel-
alters gefertigt wurden, war Schlesien noch nicht aus
der Zeit seiner Urgeschichte herausgetreten. Das
Kanonbild eines Missales aus der Breslauer Dom-
bibliothek (Kat. Nr. 2) gibt in seiner eintönig braunen
Färbung eine gewisse Vorstellung von der alten
Miniumkunst. Wie einige darin vorhandene Orts-
namen andeuten, ist das Missale süddeutscher Her-
kunft und muß in der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts entstanden sein, da das von Papst Urban IV.
im Jahre 1264 eingeführte Fronleichnamsfest im
laufenden Texte noch nicht enthalten ist, sondern
erst von späterer Hand auf dem Einbanddeckel ein-
getragen wurde. Ebenfalls in die erste Hälfte des
13. Jahrhunderts (um 1225) führt uns ein schlesisches
Psalterium nocturnum aus dem alten Kloster der Zister-
zienserinnen in Trebnitz, jetzt in der Königlichen und
Universitätsbibliothek in Breslau (Nr. 1). Der Duktus
der Schrift, der Stil der zehn Prachtinitialen und der
siebzehn Vollbild-Illustrationen ist echt romanisch. Die
Farben sind matt im Sinne mittelalterlicher Fresken.
Die Figuren sind ein wenig untersetzt. Etwas feierlich
Hoheitsvolles liegt in ihren Gesichtern. Schlicht
und streng sind die Gewänder mit den geraden
regelmäßigen Falten. Manches von diesem Stil- 1

Charakter weist auch das »Psalterium prout per totam
hebdomadem in divino officio legitur« auf, das um
1300 entstanden sein mag und ebenfalls aus dem
Trebnitzer Jungfrauenkloster in die Königliche und
Universitätsbibliothek zu Breslau gelangte (Nr. 4).
Doch die Farben sind kräftiger und bunter, die
Figuren beweglicher, sie nähern sich der gotischen
Form. Wie frühzeitig in Schlesien ein feines Ver-
ständnis für Linien- und Farbenschönheit in der
Ornamentik vorhanden war, zeigt der reiche Initialen-
schmuck eines Perikopenbuches von etwa 1290 aus
der Breslauer Stadtbibliothek (Nr. 3). Die Hand-
schrift wurde wohl in Schlesien selbst ausgeführt, da
sie in ihrem Kalendarium auf Blatt 4 den Tod Herzog
Heinrichs in der Tatarenschlacht bei Liegnitz im
Jahre 1240 (es müßte 1241 heißen) erwähnt, also
ein Ereignis, das in erster Linie für einen Schlesier
von großem Interesse war.

Sechzehn Missalien, meist aus Breslauer Kirchen
stammend, führen in ihren Kußbüdern mit dem
Kreuzestode Christi die Entwicklung der schlesischen
Buchmalerei von der frühen Gotik bis zum Aufblühen
der Renaissance vor. Ein schlesisches Missale aus
der Breslauer Stadtbibliothek, das, wie am Schluß
der Praefatio vermerkt ist, im November 1325 be-
gonnen wurde, zeigt in seinem Kanonbilde mit den
langen hageren Figuren und den knitterigen Gewändern
das Aufkeimen gotischer Formen (Nr. 5). Dann folgt
eine Reihe von Missalien meist aus dem Anfang und
der Mitte des 15. Jahrhunderts, die in ihren bald
einfacher, bald üppiger ausgestatteten Kanonbildern
rein gotische Formen aufweisen (Nr. 11, 12, 15, 18,
19, 22—26 u. s. w.). Über Ort und Zeit der Her-
stellung und über den Verfertiger eines Speziales mit
einem außerordentlich farbenprächtigen Kanonbilde
aus der Breslauer Stadtbibliothek geben uns am Ende
der Handschrift die Worte Aufschluß: »Comparatum
est hoc speciale per seniores Fraternitatis sanete Marie
Magdalene sub anno Domini MCCCCLXXIII et finitum
est sexta feria ante penthecosten per Paulum Schindeler
per fratrem eiusdem Fraternitatis« (Nr. 16). Das
Schema der Komposition ist in diesen gotischen
Kußbildern fast immer das gleiche: inmitten der
Kreuzgenagelte, links Maria und rechts Johannes der
Evangelist. Nur bei einigen Prunkmissalien ist in
der Ausstattung durch Hinzufügen der beiden Schächer
 
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