Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

DOI Artikel:
Wolf, August: Neues aus Venedig, [1]
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0100

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
183

Neues aus Venedig — Bücherschau

184

NEUES AUS VENEDIG

Aus dem Dogenpalaste. Kürzlich hat der Restaurator
Zennaro seine große Arbeit, die Fütterung von Tintorettos
Riesenbild im Dogenpalast, »Das Paradies«, glücklich zu
Ende geführt. Wie jedesmal in solchem Falle haben die
zur Sicherung der Bildfläche aufgeklebten Schleier, bei
ihrem Ablösen nach geschehener Fütterung einen Teil des
Jahrhunderte alten Schmutzes mitgenommen. Anderseits
ist ein Teil des Leimes, der beim Füttern verwendet worden,
vorn durch die poröse alte Leinwand durchgedrungen.
So sieht denn jetzt das Bild eher einer Freske mit sehr
dunklen Schatten als einem Ölbilde gleich. Im ganzen ist
es heller geworden durch die Befreiung von der einge-
dürrten Schmutzmasse. Es trat nun die Frage heran,
ob dem Bilde, um es sozusagen gegen zerstörende Ein-
flüsse zu schützen, ein Firniß gegeben werden solle, dem
eine Reinigung der Bildfläche vorherzugehen hätte, oder
ob der gegenwärtige Zustand vorzuziehen sei. Zur
Lösung dieser Frage hielt man eine akademische Sitzung
ab, angesichts des Bildes. Der Präsident der Akademie
Molmenti gedachte zunächst der beiden durch den Tod
entrissenen Mitglieder der Akademie: Ludwig Passini und
Antonio Rota. Hierauf schritt man zur Beratung, welche
sich zu einer äußerst lebhaften Debatte gestaltete.
Bressanin und Tito verteidigten die Ansicht, daß man im ge-
gebenen Falle nicht wie gewöhnlich mit einer Schmutzdecke
zu tun habe, welche entfernt werden könne durch Putz-
wasser, sondern daß die Schatten in diesem Bilde durch
chemische Zersetzung, Oxydation, schwarz geworden seien
und nur chemische Mittel vielleicht ein Aufhellen erhoffen
lassen dürften, welche anzuwenden aber über alles gefähr-
lich sei und somit ganz hiervon abzusehen sei, ja mehr
noch: Es griff im Laufe der Diskussion die Meinung mehr
und mehr Platz, daß sogar ein bloßes Firnissen zu ver-
meiden sei. Dieser Meinung schloß sich auch Cantalamessa
an, zum öftern durch v. Blaas und Ciardi bekämpft. End-
lich behielt die Mehrheit, welche für Unterlassen jeder
weiteren Prozedur eintrat, die Oberhand und stellte folgende
Tagesordnung auf:

»Der vortrefflichen Leistung Zennaros alles Lob er-
teilend, hält man dafür, daß nun an dem Bilde nichts
weiter vorgenommen werden darf, da allen schwarz ge-
wordenen Stellen desselben auf keinerlei Weise ihr früheres
Kolorit gegeben werden kann, und daß an allen jenen
Stellen, welche nur mehr oberflächliche Veränderungen
zeigen, ein Hervorrufen des ursprünglichen Zustandes nur
ein Mißverhältnis in der allgemeinen Intonation erzeugen
würde, welchem jedoch der gegenwärtige Zustand des
Bildes vorzuziehen sei, welcher wenigstens die Berechtigung
der Jahrhunderte für sich hat.«

Diese Tagesordnung wurde mit achtzehn gegen zwei
Stimmen angenommen (v. Blaas und Ciardi).

Somit wird also das Bild, nachdem die Freskenreste
des Guariento von der der Restauration bedürftigen Mauer
gelöst und die Ausbesserung der Mauer beendigt sein
werden, in seinem jetzigen Zustande wieder an seine
Stelle gebracht werden.

Wie man sieht, wird in allen solchen Fragen hier immer
nach reichlicher Erwägung gehandelt und der Verlauf der
Sitzungen und ihr Resultat mit der größten Offenheit ver-
öffentlicht. Nichts geschieht im Stillen, um Publikum
und Kunstfreunde mit der oft unabänderlichen Tatsache
zu überraschen.

An den Verstärkungen der Fundamente des Markus-
turmes wird fleißig gearbeitet. 35 Arbeiter sind mit den
Einrammen der Pfähle beschäftigt, was auch den ganzen
Winter in Anspruch nehmen wird. Bauführer ist der öfter

genannte alte Praktikus Torres. — Mit den weiteren Ar-
beiten an der Frarikirche sind ebenfalls viele Arbeiter be-
schäftigt. — Neuerdings war man genötigt, in der Kirche
S. Francesco della Vigna die Vorarbeiten für tiefgreifende
Restaurierung vorzunehmen, da das Gewölbe der Kirche
die gefährlichsten Risse zeigt. Noch schlimmer steht es
mit der kleinen reizenden alten Kirche S. Nicolö dei
Mendicoli, wo, nachdem die die Wände bedeckenden großen
Gemälde herabgenommen waren, sich weitklaffende Risse
zeigten. Alles ist nun eingerüstet. — Als fast beendet ist
die Restaurierung des Glockenturmes von Sto. Stefano zu
betrachten, der dem Untergange durch Einsturz zu drohen
schien und nun gerettet ist. Ebenso ist alles geschehen,
den Glockenturm der Basilika in Torcello für weitere
Zeiten vor dem Einstürze zu bewahren. Der schiefste Turm
Venedigs, derjenige der griechischen Kirche S. Giorgio gab
neuerdings Veranlassung zu Besorgnis. Doch hat eine
Untersuchung ergeben, daß keine Gefahr vorhanden sei.

Dieser Tage begrub man den Architekten Saccardo.
Man hatte dem stets für sehr verdienstvoll gehaltenen alten
Manne, der viele Jahre hindurch die Restaurationsarbeiten
an der Markuskirche leitete, durch Verleihung einer goldenen
Medaille eine Ehrung von Seiten seiner Freunde zugedacht,
als der seiner Oberaufsicht unterstellte Markusturm zu-
sammenstürzte. Die Ehrung unterblieb und Saccardo ver-
lor Amt und Ansehen, um nur noch ein Scheinleben zu
führen, dem nun der Tod ein Ende gemacht hat. Niemand
konnte dem Manne das verdiente Mitleid versagen.

A. WOLF.

BÜCHERSCHAU
Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Aus-
stattung in der Auffassung des Mittelalters. Mit

Berücksichtigung von Honorius Augustodunensis Sicardus
und Durandus von Dr. Joseph Sauer. Freiburg i. Br.
Herdersche Verlagshandlung, 1902.

Das Buch ist dem Andenken von Franz Xaver Kraus
gewidmet, und der Schüler zeigt sich des Meisters in
jeder Weise würdig. Man ist überrascht zu lesen, daß
Sauers Arbeit die Erweiterung einer Dissertation ist; die
staunenswerten Kenntnisse, die Reife des Urteils, der
Ernst und die Gründlichkeit der Forschung verraten nirgends
eine Erstlingsarbeit. Sauer untersucht, welcher Zu-
sammenhang zwischen der symbolischen Ausdeutung des
Gotteshauses und seiner Teile in der Literatur und zwischen
der Symbolik der Kunstformen herrscht. Bisher hat man
letztere durch willkürlich zusammengestellte und des
lebendigen Zusammenhanges entkleidete literarische Quellen
zu erklären versucht und auch zu erklären vermocht. Man
hat in gewissen Schriftwerken, die besonders ergiebig
waren an Fingerzeigen, Kommentare der Kunstsymbolik
erblickt und dann für jedes Kunstwerk von etwas tieferem
Gehalt auch stets nach der literarischen Quelle suchen zu
müssen geglaubt. Dem gegenüber hat Sauer zum erstenmal
mit ebensoviel Fleiß als Urteilsfähigkeit die literarische
Symbolik des Gotteshauses im großen Zusammenhang
und in ihrer ganzen Entwickelung darzustellen versucht.
Dabei hat sich gezeigt, daß diese zunächst aus der Schrift-
auslegung herstammt und deren Willkürlichkeiten während
ihrer ganzen Entwickelung beibehalten hat; daß sie vom
g. Jahrhundert anfängt selbständig aufzutreten und nun
einfach das iiturgische Kirchenjahr und seine Ideen, den
ganzen Heilsgedanken in seiner geschichtlichen und in-
haltsreichen Entfaltung, das heißt das Gottesreich der
Kirche im weitesten Sinne widerspiegelt. Das materielle
Nachbild dieses Gottesreiches aber ist das Gotteshaus.
Mit dieser Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Aus-
stattung in der mittelalterlichen Literatur beschäftigt sich
 
Annotationen