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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Dülberg, Franz: Die Ausstellung der Lehr- und Versuchsateliers von Hermann Obrist und Wilhelm von Debschitz
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Die Schwind-Ausstellung in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0132

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Die Schwind-Ausstellung in München

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bogiges Ornament, an Schilde und Schwerter mahnend.
Die größeren Zierstücke oben von gelbem flächigen
und strahligen Dekor unterbrochen, die schmäleren
mit fädenartiger grüner Zier umsponnen.

Nach langer nüchterner Zwischenzeit empfindet
man das Buch jetzt wieder als Möbel, als ein Ding,
das auch einen Körper hat. Die Pflege des nach
Papier, Druckanordnung, Format, Gestalt der Anfangs-
buchstaben, des Titels, des Einbandes wohl aufge-
bauten Buches ist vielleicht die beste Schutzwehr
gegen das sinnlose Verschlingen von Gedrucktem.
In der Ausstellung sah man eine Reihe von Kon-
kurrenzentwürfen für ein Titelblatt der Bruckmannschen
Zeitschrift »Dekorative Kunst«; ich würde dem Blatte
von K. von Boetticher — rote Fruchtkugeln auf feld-
stuhlartig verschränktem Astwerk — oder dem von
Laura Lange — ein blaues gezacktes Schild, aus dem
leichenhaft herabhängend Garben, im ersten Ansatz
weiß, sich entwickeln — den Vorzug gegeben haben.
Vor allem dem Dienste des Buches hat sich Agnes
Schmitz-Dieterich geweiht, ein ausgesprochen frauen-
haftes, sehr präzises, sicheres, ein wenig spitzes Talent,
das sein außerordentliches Geschick im Skelettieren
der Dinge auch in einer Naturstudie, herabhängende
Äste vor braungelbem Grund, bekundet. Die zahl-
reichen von ihr gezeichneten Titelblätter, Kopfstücke
und Zierleisten sind mitunter etwas stachlig, wie Weih-
nachtsbaumschmuck. Sehr fein ein Titelblatt mit
einem stark im Kontur betonten, auf Käferbeinen
stehenden schildförmigen Ornament, vor dem eine
auseinander strebende und wieder sich zusammen-
fügende Rosenhecke sich wölbt: vor dem ganzen
blockartig eine einfache Schrifttafel. Besonders eigen
eine Umrahmung, Blütenzweig und Ähre, mit einem
sich unten stark aussprechenden Aste, von dem drei
fast senkrecht emporsteigende und dann pfeilerartig
zurückschießende Zweige sich erheben.

Das Vonuntenheraufarbeiten ist es, was ruhelose
Sympathie für die Obristschule erweckt. Mancherlei
wird ja jetzt im nebelvergrauten München gezeigt:
im Kunstausstellungsgebäude eine reiche Ausstellung
von Werken Moriz von Schwinds, den man wieder
einmal mit allen Mitteln von den Toten auferweckt,
in Heinemanns vornehm von Seidl erbautem Geschäfts-
palais ein stattliches Stelldichein aller, die in München
Namen und geprägten Marktwert haben, ein neuer
frischer Frontangriff der »Phalanx« — aber nichts
lädt so zum Verweilen wie die bisweilen zu liebendem
Mitleid, oft genug aber zu warmer Mitfreude zwingenden,
ringenden Versuche in den engen Zimmern des noch
feuchten Schwabinger Neubaues.

DIE SCHWIND-AUSSTELLUNG IN MÜNCHEN

München beherbergt zur Zeit eine Ausstellung, die hin-
hinsichtlich der darin enthaltenen Werke als eine bedeu-
tende bezeichnet werden muß, in bezug auf den Besuch
aber Grund zu mancherlei Überlegungen bietet. Es ist die
aus Anlaß des hundertsten Geburtstages Moriz von Schwinds
veranstaltete Vorführung seiner Werke, die innerhalb
weniger Tage von Professor von Reber und den Herren
des Königlichen Kupferstichkabinetts zusammengebracht

wurde, nachdem die Idee, den lange Zeit in München an-
sässig gewesenen Meister zu ehren, wirklich erst in aller-
letzter Stunde jene Unterstützung erfuhr, die man eigent-
lich als etwas Selbstverständliches hätte voraussetzen dürfen.
Sie kann den Anspruch nicht erheben, eine umfassende
genannt zu werden, trotzdem sie numerisch sehr umfang-
reich ist und beinahe sämtliche Räume des Ausstellungs-
gebäudes am Königsplatz (Sezession) einnimmt. Manches
hätte füglich als nichtwesentlich in Betracht kommend weg-
bleiben können. Der Wert der Sache hätte darunter absolut
nicht gelitten. Was aber als vorzüglich daran gelten muß, ist
das historische Zusammenfassen der Gesamttätigkeit des
genialen Künstlers. Seine frühesten Arbeiten sind ebenso
vertreten wie die Schaffensresultate seines Lebensabends.
Wo die Originale nicht zu beschaffen waren, sind sie durch
Reproduktionen vertreten. Aus den zahlreich vorhandenen
Originalen mag sich ein jeder den Geist der Erscheinung
in solchen Fällen dazu denken. München zollt dem Toten
seine Ehrerbietung in einem Maße, wie man es bei den
zahlreichen sonstigen Ausstellungen nicht gewohnt ist:
Die Säle vermögen den Menschenstrom kaum zu fassen,
der aus- und einflutet. Die Stimmung ist eine beinahe
andächtige zu nennen. Man hört selten ein lautes Wort,
es sei denn, daß jugendliche Erscheinungen ihrer Freude
treffenden Ausdruck geben vor diesen Schöpfungen, die
aller Äußerlichkeit, allen auffallenden Wesens bar die Ar-
beit eines Mannes weisen, dem Poesie und Kunst ent-
strömten, wie der Erddampf dem frisch geackerten Boden.
Es ist alles so urecht, so urehrlich. Eine unglaubliche
Schaffenskraft entspricht dem Schaffensdrang, den Schwind
besaß. Und wie hat er ihm Ausdruck zu geben vermocht.
»Schaun's, die Natur studiern«, sagte er eines Tages zu
dem ihm befreundeten, noch unter uns weilenden Arzte
Dr. Hellermann — »das ist schon recht, aber wenn einem
nix einfallt, dann nutzt ihm die Natur eh nix«. Und was
er zum gleichen Freunde sagte: »Wenn ich weiß, was ich
will, na hab' ich a Hand wie a Schraufen (Schrauben)«,
das spricht deutlich aus diesen Werken, deren ganzes
Wesen von einer unglaublichen Klarheit durchzogen er-
scheint. Der »Clou« ist der im Besitze des Freiherrn
v. Frankenstein befindliche Zyklus »Aschenbrödel«. Die
»Schöne Melusine« ist durch eine Reihe sehr weit ent-
wickelter Entwürfe, Besitzerin die Tochter Schwinds, Frau Dr.
Bauernfeind, vertreten. In der »Lachner-Rolle«, einem un-
glaublich langen Bildstreifen mit Federzeichnungen, die
das Leben und Wirken seines genialen Freundes, des Kom-
ponisten Lachner, in 42 Abteilungen zeigt, ist der Humorist
Schwind so recht zum Ausdruck gekommen. Und welche
tiefgründige Poesie liegt nicht in dem wundervollen Bilde
der Linzer Donaubrücke! Aus der Privatbibliothek des
Königs von Bayern stammt die ganze große Reihenfolge
der Entwürfe für die Geschichte der Oper, aus dem Be-
sitze der Erben Sch's. eine große Reihe wundervoller Zeich-
nungen und Bilder, darunter die Entwürfe zu den Altar-
bildern der Münchener Frauenkirche, die Kartons zu den
Fresken der Reichenhaller Pfarrkirche, daneben aber auch
Arbeiten, die es deutlich fühlen lassen, welche Freude am
Leben selbst den herrlichen Mann durchwob. Ein Bildchen
wie »Marie Spaun auf dem Gmundner See« ist der Inbe-
griff fein menschlichen ebenso wie malerischen Empfindens.
Eine Reihe von Porträts zeigt ihn abermals von einer
andern Seite, kurzum es ist ein Reichtum ohnegleichen in
diesen Räumen aufgespeichert. Köstlich sind Jugendarbeiten,
Lithographien, die z. B. in einer Suite von Blättern die
Erlebnisse schildern, welche einer Alt-Wiener Gesellschaft
anläßlich einer Landpartie widerfahren. Ungezählt ist die
Reihe von Handzeichnungen, von Radierungen, von Holz-
schnitten, die alle Glieder sind in der langen Lebenskette
 
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