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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Kesser, Hermann: Zu Hans Sandreuters Gedächtnis
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Ostini, Fritz von: Rudolf Maison
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0146

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275

Rudolf Maison f

276

einst dem Knaben bedeutungsvoll eingeprägt hatte
und später für ihn zum »Schicksal« geworden ist . . .
Es hat die Künstlerlaufbahn Sandreuters in bedauer-
licher Weise kompliziert, ja verdüstert, schreibt Trog,
" daß sein Debüt als Maler so sichtbarlich unter dem
Einfluß Böcklins stand; man sah in seinen Arbeiten
vorzugsweise nur das, was ihm von seinem Vorbild
zugeflossen war, und verlor dabei zu sehr das aus
dem Auge, was der jüngere aus seinem Eigenen zu-
geschossen hatte.« Wenigstens so lange er auch die
Gegenstände seiner Darstellung der Böcklinschen
Welt entlehnte, möchte ich ergänzend hinzufügen.
Sandreuter konnte schon darum nicht auf die Dauer
als Nachahmer Böcklins gelten, weil sich seine Stärke
bald auf anderen Feldern als Böcklins romantischen
Naturgebilden erweisen sollte. Er war nicht ein
Gestaltendichter in der Art Böcklins, seine Kunst war
bodenständiger, weniger phantastisch als die seines
Lehrers. »In Sandreuters Phantasie ist etwas bürger-
lich Solides,« sagt Trog im Zusammenhange einer
solchen Charakteristik, und jenes »tiefe innere Ver-
hältnis, das Böcklin zur südlichen Natur und süd-
lichen Leben hatte, besaß Sandreuter nicht in diesem
Grade«, wenn auch aus den Gemälden, zu denen
der Künstler die Inspiration im Süden geholt hat,
gewiß »eine warme Begeisterung für Italien spricht.
Aber im Süden hat sich Sandreuters starker, freier,
klarer Stil herausgebildet, hier sein reger Farbensinn
nachhaltigste Anregung und Orientierung erhalten.
Den Entdeckungen des Auges und dem instinktiv
richtigen Empfinden des Hochbegabten schuf die
Lehre Böcklins das feste künstlerische Fundament.«
Damit hat Trog den Werdegang des Koloristen
Sandreuter mit scharfem Verständnis gekennzeichnet.
Die Liebe und Lust an der satten, leuchtenden Farbe,
die verdankt Sandreuter seinem großen Meister und
dem farbenfrohen Italien. Die Schule hat ihn davor
bewahrt, sein Heil in eintöniger landschaftlicher
Grau-in-Grau-Malerei zu suchen. Das koloristische
Element ist es, das seinen Naturschnitt auf jenen
warmen, lebensprühenden Ton stimmt. Darum war
er so glücklich in der Wahl seiner Motive, weil er
sich Motive suchte, die seinem angeborenen und von
Land und Lehrer herausgebildeten Farbensinn ge-
fielen. Immer treffen wir auf seinen Bildern, auch
wenn der natürliche Vorwurf ein bescheidener war,
irgend eine auf den ersten Blick bestechende har-
monische Farbensinfonie, sei es, daß das saftige Grün
einer Wiese mit dem zarten Rosa blühender Apfel-
bäume zusammenstimmt, der bläuliche Dunst des
grauenden Tages mit den purpurglänzenden Berg-
spitzen, das sonnenbeschienene Waldesdach mit dem
tiefblauen, dunklen südlichen Himmel. Sandreuter
kannte den packenden sinnlichen Wohllaut der Farbe;
Böcklin war der Vater dieses Wissens. Auch im
dekorativen Figurenbild rechnete der Künstler fast
ausschließlich mit der Farbe. »Nicht auf das Einzelne
wollen sie geprüft sein«, sagt Trog mit Beziehung
auf einen Freskenzyklus, Schilderungen mittelalter-
lichen Lebens im Schmiedenzunftsaale zu Basel,
»sondern auf die Gesamterscheinung, und hier stimmt

die koloristische Rechnung trefflich«. Das farbige
Element überwiegt bei Sandreuter im komponierten
Figurenbild, bei Schöpfungen seiner dichterischen
Phantasie und bei Studien nach der Natur. Das wird
uns im einzelnen von Trog, der des Künstlers Lebens-
werk vollständig kennt, nachgewiesen. Ein Vergleich
zwischen Böcklin und Sandreuter ist natürlich nicht
angängig. Das sind zwei inkommensurable Größen.
Böcklin ist ein König im Reiche der Kunst, Sand-
reuter ein Vasall. Aber die Art und Weise, wie
Sandreuter Böcklinsche Farbenprinzipien in seine
Welt übersetzte, gibt zu genken. Die moderne
lyrische Landschaft, das breit gemalte, auf rein male-
rische Akzente angelegte Naturbild und die farbige
Sagenwelt des großen Romantikers haben also doch
gewisse Berührungspunkte. Die beiden Richtungen
brauchen nicht so schroff gegeneinander gestellt zu
werden, wie es immer geschieht. Sandreuter ist
wieder ein Beweis, daß es in der Kette der Kunst-
geschichte keinen Riß gibt. Auch zu den gegensätz-
lichen Stoffgebieten laufen bestimmte Fäden. Es muß
nur einer kommen und den Zusammenhang verkörpern.
Sandreuter sah in seiner Jugend nur Böcklin, ein ähn-
liches Ziel schwebte ihm stets als Ideal vor. Dann er-
kannte er, als Künstler und Mensch herangewachsen, die
malerische Wirkung der flüssigen, breiten Farben-
gebung, er lernte die Impressionisten und Pleinairisten
kennen. Für mich stellen sich deshalb seine spätesten,
eigensten Werke als eine bewußte Kombination zweier
Richtungen dar: Der Romantik Böcklins und der
impressionistischen Malerei der Franzosen, beide
natürlich durchsetzt mit einer selbständigen, kraft-
vollen Note.

Gerade durch die Lektüre von Trogs detaillierter,
eingehender Studie, deren Bedeutung neben den
interessanten Aufschlüssen über Tatsächliches in der
ehrlichen Analyse von Sandreuters Schaffen liegt,
wird man auf diese Annahme hingelenkt.

DR. HERMANN KESSER-Zärich.

RUDOLF MAISON f
Am 12. Februar ist in München an einer plötz-
lichen, tückischen Erkrankung der Bildhauer Rudolf
Maison gestorben, ein Künstler, der nicht nur durch
eine stattliche Reihe hervorragender Werke sich schon
unsterblichen Ruhm gesichert hat, sondern auch offen-
bar noch im aufsteigenden Ast seiner Bahn stand.
So Schönes er auch schon gab, das Beste hatte er
erst noch zu geben, der unermüdliche Ringer und
Kämpfer hatte einen großen, freien, persönlichen Stil
erst in den letzten Jahren sich zu eigen gemacht,
erst jetzt den Weg zu einer Monumentalität gefunden,
wie er sie suchte, zu einer Monumentalität, welche
frei war von jedem überkommenen Kanon. Darin,
daß er jetzt fort mußte, jetzt an diesem Wendepunkte,
jetzt wo er daran war, das Verständnis immer weiterer
Kreise für seine Art zu erobern und seinem unerbitt-
lichen, unbestechlichen Richter, sich selbst, immer
voller zu genügen, darin liegt die große Tragik
dieses Künstlerlebens. Man muß den Gang dieses
Lebens kennen, um das Maß der Tragik zu verstehen.
 
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