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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Meyer, Alfred Gotthold: Zur Donatello-Kritik
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0190

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3Ö3

Nekrologe — Ausstellungen

364

bildner, der Darsteller des Lebens, im Einzeldasein und
im Geschehen. —

»Dekorativ« und »statuarisch« sind dehnbare, leicht
mißverständliche Begriffe. Nicht minder sind es heut be-
reits die Bezeichnungen von Stilperioden. Der Begriff
»gotischer« Plastik ist für die französische und deutsche
Bildnerei kaum noch anwendbar; er ist es auch nicht für
die italienische. Gleichwohl spricht Swarzenski von »den«
Gotikern unter den Florentiner Bildhauern, also doch wohl
von Meistern wie Giovanni di Piero Tedesco? oder wie
Niccolö d' Arezzo? oder wie Nanni di Banco? — Jeden-
falls schreibt er diesen »Gotikern« den »gekrollten Rand
am Mantel«, den auch Donatellos S. Markus aufweist, zu.
»Von Donatellos Vater, dem Tuchspanner, frischweg in
das Atelier des Sohnes genommen« (Schmarsow) sei er
»natürlich« nicht. Auch hier kann ich zum mindesten diese
Verstärkung des Widerspruchs nicht zugeben; auch hier
geht er über den Sonderfall hinaus. Zwei Mächte werden
angerufen: hie Stilgefühl — hie Technik! Die letztere ist
unbedingt die natürlichste. Der »gekrollte Rand« war an
dem Stoffstück, das Donatello seinem Modell umwarf,
zweifellos vorhanden; ihn zeigen auch ältere und gleich-
zeitige Statuen an Or San Michele. Weil der Mantelrand
>wirklich« so aussah, oder weil dies Motiv dem gotischen
»Formenwillen« entsprach?

Es sei erlaubt, mit Analogien zu antworten. Die Vertäfe-
lungen gotischer Innenräume sind aus einzelnen vertikal ge-
stellten Brettern zusammengefügt; diese sind nur so breit,
wie der Baumstamm sie hergibt; die Fugen werden mit
Leisten gedeckt. So sagt der Techniker. Der Stilhistoriker
aber spricht von gotischem Stilgefühl, das auch die Wand in
vertikale Schichten teilt. Er hat sicherlich recht, denn die
Schichten könnten wenigstens in beträchtlicher Länge des
Baumstammes ja auch horizontal sein; aber es ist darum
doch nicht unnötig, die technische Grundlage zu erwähnen.
— Ein anderes, der Textilkunst näheres Problem ist das
des sogenannten Faltwerks (parchemin plie) an gotischen
Möbeln. Der Techniker leitet es aus den Rillen des Hohl-
eisens ab, der Stilhistoriker aus der Freude der Gotik am
gefalteten Stoff. Recht haben beide. Materialstilistik und
Stilgefühl kommen einander entgegen. Entscheidend wird
beim echten Künstler allerdings das letztere. Donatello
benutzte den »gekrollten Rand« des Tuchstückes nur so lange
er im gotischen Formgefühl lebte. Später hat er diese
kleinlichen Faltenzüge unterdrückt.

Tat er es unter dem Einfluß der Antike oder nach
dem inneren Gesetz seiner eignen Entwickelung? Damit
berühre ich den dritten Hauptpunkt, den Swarzenski an
die Spitze seiner Kritik gestellt hat. Das Thema: »Dona-
tello und die Antike« kann hier natürlich nicht behandelt
werden. Meine Anschauung darüber weicht von der
Swarzenskis keineswegs so weit ab, wie er aus meiner
Monographie herausgelesen zu haben scheint. Dieses Miß-
verständnis haben die »allgemein charakterisierenden Stich-
worte« meiner Kapitelüberschriften verschuldet; und nur
darüber sei mir noch eine Bemerkung gestattet, weil das
wiederum allgemein methodologische Fragen betrifft. Ich
habe jene Überschriften mit vollem Bewußtsein ihrer Un-
zulänglichkeit gewählt, da es mir darauf ankam, bei dieser
populären Schilderung Donatellos die übliche, gleichmäßig
hinfließende Erzählung vom »Leben und Wirken« durch eine
tiefere Charakteristik der Werke selbst zu ersetzen. Dona-
tellos Kunst ist in Wirklichkeit ebenso inkommensurabel
wie die eines Rembrandt. Aber ich glaube, daß der be-
scheidene Hauptwert einer solchen knappen Monographie
noch eher darin bestehen kann, die unendliche Mannig-
faltigkeit der Werke — sei es selbst etwas gröblich! —
unter allgemeine, dieser Kunst selbst entnommene Ge-

sichtspunkte zu bringen, als sie alle einzeln richtig zu
datieren.

Die Pflicht der Kunstwissenschaft Donatello gegenüber
kann nicht durch ein populäres Büchlein eingelöst werden.
Ebensowenig aber durch eine Kritik desselben, die einige
der tiefsten Probleme dadurch noch erschwert, daß sie ihre
einseitige Entscheidung als unbestrittene oder unbestreit-
bare Wahrheiten hinstellt. Alfred gotthold meyer

NEKROLOGE
Andre Hennebicq f- Am 31. März starb in Brüssel
der Historienmaler Andre Hennebicq im 68. Lebensjahre.
Er war in Tournai geboren, Schüler von Portaeis, und
hatte seinen ersten großen Erfolg auf der internationalen
Ausstellung in Amsterdam 1871 mit dem Gemälde:
Messalina vom Volke beschimpft. Dann folgten Bilder
wie: Italienische Arbeiter bei Rom; Antoinette von Ros-
mael, den Reformierten die Bibel auslegend; Große Moschee
in Tanger.

Der norwegische Maler Christian Meyer Roß, ge-
boren in Flekkefjord am 22. November 1843, ist in Rom,
wo er seit langem lebte, am 3. April gestorben. Er wählte
die Stoffe seiner Historien- und Genrebilder, die besonders
in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts auch auf
deutschen Ausstellungen, in München, Düsseldorf und
anderen Städten, zu sehen waren, gewöhnlich aus der Zeit
der französischen Revolution und des ersten Kaiserreiches.

Hugo Elkan f. Der Porträtmaler Hugo Elkan, ein
geborener Frankfurter (1869) und Schüler der Akademie
in Karlsruhe und München, unter Heiderich und Löfftz,
ein sehr hoffnungsvoller und in Frankfurt a. M. und in
London rasch zur Anerkennung gekommener Porträtist, ist
am 8. April in seiner Vaterstadt gestorben. Eine schwere
Erkrankung hatte ihn lebensmüde gemacht und in einem
unbewachten Augenblicke öffnete er sich die Pulsadern
und starb an Verblutung.

AUSSTELLUNGEN
Die deutsche Kunstausstellung in Bremen. Wenn
sich der Kunstverein zu Bremen vorgenommen hatte, die
diesjährige große Kunstausstellung so zu gestalten, daß
sie Zeugnis ablegen sollte vom besten, was deutsche
Künstler der Gegenwart schufen, so ist ihr das in vollem
Maße gelungen. Es haben sich die namhaftesten Künstler
hier oben an der Nordsee ein Stelldichein gegeben, keiner
der hauptsächlichsten Vertreter süd-, mittel- und west-
deutscher Kunst fehlt und der nicht geradezu berühmten,
aber dennoch tüchtigen und sympathischen Künstlererschei-
nungen sind eine ganze Menge zu Gaste. — Da wäre es
hübsch gewesen, wenn die Eröffnung der Ausstellung
gleich mit der Fertigstellung der neuen Fassade hätte vor
sich gehen können. Aber mit des Himmels und des Hand-
werkers Mächten, so scheint es, ist kein ewiger Bund zu
flechten: Noch klopfen Steinmetzen und Maurer am Sockel
des Gebäudes herum, so daß die wirklich wohlgelungene
Fassade des Bremer Architekten E. Gildemeister nur erst
halb zur Geltung kommt. Aber, das ist nur noch eine
Sache weniger Wochen; dann steht der alte Kunsttempel am
Wall im verjüngten Gewände da, der inneren Verjüngung
sichtbares Zeichen. — Denn das werden nun auch wohl
bald die früher so rabiaten Gegner der modernen Ära
in Bremen einsehen müssen, daß es mit Bremen als Kunst-
stadt in raschem Tempo bergauf geht; ein Erfolg, wie ihn
die jetzige Ausstellung bedeutet, läßt sich nun einmal
nicht leugnen. — Man kann höchstens nur noch die Feder
aus der Hand legen und gar nichts zur Ausstellung sagen,
wenn man sie nicht anerkennen will. — So geschehen vom
 
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