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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

DOI Artikel:
Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0193

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XV. Jahrgang 1903/1904 Nr. 23. 29. April

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« und zum • Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haas enstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

PARISER BRIEF

Die diesjährige Ausstellung der Pastellisten ist
nicht so gut, wie diese Veranstaltungen zu sein
pflegen. Einige bekannte Künstler wie Roll, Cheret,
Jean Veber fehlen, andere wie Besnard, Menard, La
Touche und Thevenot sind heuer nur sehr mäßig
vertreten. Ein vorzügliches weibliches Bildnis von
Leandre, zwei ausgezeichnete, farbig wie luftig gleich
gute Landschaften von Eliot und ein energisches männ-
liches Bildnis von Gilbert, das ist ungefähr alles, was
uns hier aufhalten und beschäftigen könnte.

Die Ausstellung findet wie gewöhnlich im großen
Saale bei Georges Petit statt. Daneben zeigt in dem
umgebauten kleineren Saale der Österreicher Clemens
von Pausinger einige fünfzehn überaus geleckte und
gezuckerte Bildnisse, fast ohne Ausnahme Porträts
adeliger oder doch reicher Damen, sehr charakterlos
und süßlich, an die letzten bösen Sachen von Gervex
erinnernd, wie deren zwei oder drei bei den Pastel-
listen hängen. Man muß sehr reich sein und sehr
wenig von Kunst verstehen, um sich so malen zu
lassen.

Frische Luft weht bei Durand-Ruel. Da ist gegen-
wärtig die beste und lehrreichste Sammlung von Bil-
dern des im vorigen Jahre verstorbenen Impressionisten
Camille Pissarro zu sehen. Eine Übersicht über sein
ganzes Lebenswerk, beginnend mit 1864, endend mit
1903, im ganzen nahezu zweihundert Bilder, jede der
Phasen seiner Entwicklung erklärend und illustrierend.
Im Anfang erinnert er mit dem saftigen Grün seiner
Bäume, dem satten Blau des Himmels, dem mit diesen
beiden Farben einen kräftigen Akkord anschlagenden
Weiß der Wolken an die Leute von Fontainebleau,
zumal an Daubigny, mitunter auch an die älteren
Landschaften von Corot. Auch Jongkind und Boudin
lassen sich zum Vergleiche mit den in den siebziger
Jahren entstandenen Bildern heranziehen. Erst später
wird er zu dem Meister des Lichtes und der Luft,
als welcher er neben Monet, Sisley und Renoir am
besten bekannt ist und in der Kunstgeschichte weiter-
leben wird. Aber schon in seinen frühesten Bildern
zeichnet er sich durch meisterhafte Behandlung der
Luft aus, und da ist keines seiner Bilder, in das man
nicht »hineinspazieren« könnte; die luftlose Flachheit,
die uns die Nachahmer der impressionistischen Führer

so unverdaulich macht, findet sich bei Pissarro nie,
während Claude Monet in diesem Punkte öfters ge-
sündigt hat. Was Pissarros charakteristische Bilder
von den Arbeiten seiner Gefährten unterscheidet, ist
seine Vorliebe für blaue, violette und lila Töne, die
er überall aus der Natur heraus- oder in sie hinein-
bringt. Mag er nun eine schneebedeckte Winterland-
schaft in Pontoise, äpfelerntende Frauen in Eragny
oder Ansichten aus Paris oder Rouen malen, überall
zittern und spielen bläuliche Lichter um Bäume,
Häuser und Menschen. Pontoise, Eragny, Rouen und
Paris bezeichnen die örtlichen und gegenständlichen
Etappen Pissarros. In den letzten Jahren seines Le-
bens, als ihm das Durchstreifen der Landschaft be-
schwerlich fiel, begnügte er sich mit der Aussicht aus
seinen Fenstern in Paris, wo er das Gewimmel der
Menschen, Wagen und Pferde auf dem Platze vor
dem Französischen Theater, der Avenue de l'Opera,
der Rue St. Honore und der Rue Richelieu in zahl-
reichen Gemälden schilderte. Als er diese belebte
Straßenkreuzung nach allen Gesichtspunkten und bei
allen Tages- und Jahreszeiten bearbeitet hatte, suchte
er sich in einem andern Hause einen neuen Be-
obachtungspunkt, malte den Tuileriengarten, den Bou-
levard des Italiens im bunten Schmucke der Serpen-
tinen und Confetti am Mittfastentage, den Pont neuf u.s.w.,
alles höchst luftig und duftig, stets die oft graue und
farblose Wirklichkeit in die farbenfrohe Überwelt seines
blauen Ideals übertragend.

Einen sehr Übeln Eindruck machen auf den von
Pissarro kommenden Besucher die Impressionisten und
Symbolisten bei Bernheim. Da ist der brutale, luft-
lose, klobige und prätentiöse Bonnard, der spukhafte,
mondsüchtige und prätentiöse Maurice Denis, der
affektiert naive Vallotton, der es auch nicht immer
versteht, seine Zimmerräume mit Luft anzufüllen, ob-
schon er in seinen kühlen Harmonien recht angenehm
und distinguiert wirkt, endlich der Bildhauer Maillol,
der den archaistischen Ausdruck ägyptischer und früh-
griechischer Skulpturen in einer Weise anstrebt, die
wahrscheinlich mysteriös und symbolisch sein soll,
ohne doch mehr als die Überflüssigkeit solcher nach-
empfundenen Arbeiten darzutun.

Die im Pavillon Marsan des Louvregebäudes ver-
einigte Ausstellung der primitiven französischen Maler,
von der schon seit geraumer Zeit viel die Rede ist,
 
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