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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Daun, Berthold: Doch Veit Stoss!
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0197

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377

Nekrologe — Institute

378

Kriegsknecht mit rundem Hut links erinnert auffallend an
den hl. Hieronymus im Wawel in Krakau. Sollte auch die
Übereinstimmung der Breitenmaße der gemalten Flügel
und der fraglichen Reliefs nur zufällig sein? Allerdings
fällt, wie ich auf Seite 61 ausdrücklich bemerkt habe,
»hier und da ein Streben nach glätterer Form auf, denn
bisher ließ es der Meister nie an Charakteristik und
Schmerzesäußerung fehlen. Bei der unter dem Kreuze
knieenden Frau und der steif hinsinkenden Maria, deren
Hände besonders roh gearbeitet worden sind, fehlt größere
Auffassung. Ihre Gewandung ist flüssiger als sonst, und
auch die bei einigen Kriegsleuten in dicken Massen ge-
haltenen Haare kommen in den früheren Werken nicht
vor. Dagegen weist wieder die gewundene Haltung der
Frau, die die sinkende Maria unter der Schulter hält, auf
die ähnliche Figur derselben Szene am Außenflügel des
Marienaltars hin. Schuld daran aber, daß manches den
bisherigen Stoß-Werken Fremde hier durchdringt, ,das an
die spätere renaissancemäßige Weise des Stanislaus Stoß
erinnert', mag die Mithilfe von Gesellen sein.«

Das Hüfttuch Christi vor allem, wie Referent einwirft,
stemple es höchstens zu einer späten Schularbeit, beweist
gar nichts, denn das widerlegt das Schwabacher Kruzifix,
das Referent nicht für eine spätere von Stoß nur beein-
flußte Renaissancearbeit gehalten haben würde, wenn er
das Kreuzigungsrelief auf dem Marienaltarflügel besser ge-
kannt hätte. Beide zeigen die gekrümmten Beine in Winkel-
stellung, die Referent als gewichtigen Grund für seine Zu-
rückweisung irrig benutzt! Die vom Referent entdeckte
wichtige Einzelheit: »Stoß legt mit gutem Bedacht das
Hüfttuch so, daß das Hüftgelenk, diese wichtige, im
15. Jahrhundert meist verfehlte Verbindungstelle zwischen
Torso und Beinen frei bleibt«, trifft bei Stoß nicht durch-
weg zu. Beim Gekreuzigten auf dem Flügel des Marien-
altars ist jene Stelle fast genau so weit verdeckt, desgleichen
beim Kruzifix in S. Sebald! Die unter Nr. 42 von mir ge-
gebene verkürzte Abbildung des Schwabacher Kruzifixes
läßt das Hüfttuch fälschlich etwas höher erscheinen, weil
ich es nur von unten aus hatte photographieren können.

Wenn ich von Christus und Maria im Chor der Se-
balduskirche sagte, »daß bei ihnen die übertrieben herbe
Schmerzesäußeruug an unerfreuliche Manieriertheit streift
und bei Maria das schmerzvolle Antlitz geradezu häßlich
wirkt«, so ist das wohl ziemlich dasselbe, als wenn Re-
ferent einwirft, daß diese Figuren den Eindruck manie-
rierter Schulwerke machen. Als Schulwerke stammen sie
aber aus Veits Werkstatt, denn die Durchbildung der kom-
pliziert gestellten Finger deutet auf meisterhafte Routine.
Der Apostel Andreas vom Ostchor rührt jedoch aus des
Meisters bester Zeit her, denn die Durchbildung des Ge-
sichtes und der Hände ist erstaunlich fein.

Demnach sind also sämtliche Einwürfe meines Er-
achtens nicht stichhaltig. Auf die Michael Wolgemut-Frage,
wie weit dieser Meister selbst an den Schnitzereien der
von ihm gelieferten Altäre Anteil habe, werde ich dem-
nächst an anderer Stelle, wo es mir möglich ist, eine
Reihe Abbildungen bisher unbekannter Schnitzwerke zu
geben, zurückkommen. berthold daun.

NEKROLOGE

Wereschtschagin f. Beim Untergang des russischen
Kriegsschiffes Petropawlowsk vor Port Arthur hat auch das
Leben Wasilj Wereschtschagins einen jähen tragischen Ab-
schluß gefunden, und damit die russische Kunst eine mar-
kante Erscheinung von Weltruf verloren. Der schon ein-
undsechzigjährige, immer noch unermüdliche Weltreisende
und Friedensapostel, der »den Krieg verdammte, malte

und — liebte« wie Berta von Suttner von ihm sagt, hatte
sich bei Ausbruch des russisch-japanischen Krieges nach
Port Artur und auf das Admiralsschiff begeben, um von
ihm noch nicht dargestellte Schrecken des modernen See-
kampfes aus nächster Nähe zu erleben und das Erlebte
in voller Realistik mit Stift und Pinsel festzuhalten. Si vis
pacem, pinge bellum! So viel Ansprechendes diese Ab-
schreckungstendenz im Dienste der Friedenspropaganda
vom rein menschlichen Standpunkte aus hat und wie sehr
sie zur Popularität von Wereschtschagins Kunst beitragen
mußte, so wenig darf sie das Urteil bei der Frage nach
der rein malerischen Qualität seiner Kunst beeinflussen.
In bedingungslosem Realismus, ohne Phantasieaufwand
und ohne irgend einen künstlerisch neuen Weg einzu-
schlagen, hat er seine zeichnerisch und malerisch korrekten
Naturausschnitte aus dem Kaukasus, seine ergreifenden
Kriegsbilder besonders aus dem russisch-türkischen Kriege,
ebenso wie seine religiösen und historischen, der Zeit
Napoleons I. gewidmeten Bilder gemalt. Dieselbe scharfe
Naturbeobachtung und Naturwiedergabe bewährt er auch
in seinen Reisebeschreibungen und seiner Autobiographie.
Über seinen Lebensgang sei noch bemerkt, daß er am
26. Oktober 1842 zu Tscherepowez im Gouvernement
Nowgorod geboren wurde, und ehe er sich auf der Peters-
burger Akademie der Malerei widmete, die Marineschule
daselbst besuchte und zum Offizier avancierte. Nach
Studienreisen 1861 in Deutschland, Frankreich und Spanien,
ließ er sich für längere Zeit in Paris nieder, wo Gerome
sein Lehrer wurde. 1864—66 reiste er im Kaukasus, später
mit dem Prinzen of Wales in Indien, 1877 nahm er als
Offizier und Adjutant im russisch-türkischen Kriege an der
Erstürmung in Plewna teil. Durch Sonderausstellungen
wurden seine zahlreichen Werke in allen größeren Städten
Europas bekannt.

INSTITUTE

Rom. Archäologisches Institut. Die ganze Sitzung
gehörte Professor Meurer, der durch seine Studien über
Stilisierung der Pflanzen zu künstlerischen Techniken und
die Anleitung, die er jüngeren Künstlern darin gibt, in
weiteren Kreisen bekannt ist. So war denn auch die
Fülle von Zeichnungen, an denen er die Entwickelung des
ionischen Kapitells darlegte, teils von ihm selbst, teils von
einem seiner Schüler ausgeführt worden. Von den zwei
im ionischen Kapitell vereinigten Elementen wurde zu-
nächst die Doppelvolute von alt ägyptischen Darstellungen
einer Lilienblüte hergeleitet und durch assyrische und alt-
griechische Bildungen zur klassischen Ausgestaltung hin-
durch verfolgt. Ebenso wurde dann der andere Teil, das
Kymation (Blattwelle) in seinem Ursprung als von dem
zum Halsband gereihten Blättern dargelegt, wie sie als
Schmuck auf der Brust ägyptischer Frauenbilder liegen.
Vom menschlichen Hals auf den Säulenhals übertragen
rückte dieser Blattschmuck allmählich bis unter die Voluten
hinauf, behielt aber noch bis in die klassische Zeit hinein
in einzelnen Fällen das Band, an welchem die Blätter ur-
sprünglich angereiht waren. Der Wert dieser Demon-
stration lag in der Geschlossenheit der aufgereihten Bei-
spiele, und mit Recht durfte Professor Meurer am Schluß
das organische Wachstum solcher scheinbar dem freien
Spiel der künstlerischen Phantasie entstammenden Bildungen
betonen. e. st.

In Florenz hat am 13. April die diesjährige Ausschuß-
sitzung des kunsthistorischen Instituts stattgefunden, das
seit Jahren einen Mittelpunkt der kunstgeschichtlichen
Forschung bildet und dank der Teilnahme des Deutschen
Reiches, sowie zunehmender Beteiligung aus kunstver-

»
 
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