Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

DOI Artikel:
Zeller, Adolf: Das Stuttgarter Lusthaus
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0225

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XV. Jahrgang 1903/1904 Nr. 27. 3. Juni

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst< und zum >Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer,
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein 81 Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DAS STUTTGARTER LUSTHAUS

Von Adolf Zeller, Regierungsbaumeister, Privatdozent
zu Darmstadt

Die Aufräumungsarbeiten an der Brandruine des Stutt-
garter Hoftheaters haben nach und nach ziemliche Reste
des den Kern dieses Baues bildenden einstmaligen Lust-
hauses zutage gefördert. Die anfängliche lebhafte Be-
wegung für den Wiederaufbau dieses Gebäudes hat sich
nach und nach geklärt und der richtigeren Auffassung
Platz gemacht, die erhaltenen Reste der einen Freitreppe
an geschützter Stelle wieder aufzubauen und so der Nach-
welt zu erhalten.

Es ist daher nicht ohne Interesse, eine ältere Beschrei-
bung des Baues hier zu behandeln, die sich findet in
einem kleinen Büchlein: »Kurtze Beschreibung deßjenigen,
was von einem Fremden in der Alt-berühmten Hoch-
Fürstl. Residentz-Stadt Stuttgardt vornehmlich auf dem da-
selbstigen Lusthaus etc. zu finden«1). Es ist nach einer
handschriftlichen Notiz in einem dem Verfasser vorliegen-
den Exemplar der Stuttgarter Königlichen Landesbibliothek
von 1736, also rund 140 Jahre nach Erbauung des Lust-
hauses geschrieben.

Zur Baugeschichte sind noch einige Richtigstellungen
nötig. In der Literatur sind die Baudaten verschieden an-
gegeben. Lübke2) nennt ca. 1574; Pfaff 15803), unser
Führer 1580 oder nach andern 1589, während Bäumer in
dem Jahresbericht der Königlichen polytechnischen Schule
in Stuttgart (Böhm, 1869) die Urkunden der Gründung
selbst, von 1584 mitteilt. Diese verschiedenen Lesarten
verglichen, erhalten wir folgende Baugeschichte: Schon
frühzeitig, um 1574, trägt sich der Herzog Ludwig mit der
Erbauung eines Lusthauses; sein Erlaß von 1574 an Aberlin
Tretsch gibt Anweisung über Herbeischaffung von Holz
für den Pfahlrost. Auch die Projektierungsarbeit wird
kurz darnach begonnen, worauf die bei Lübke, S. 375 ge-
gebene Notiz des Baumeisters Behr vom 7. Oktober 1586
»er sei bereits in das elfte Jahr bei diesem Bau« zu be-
ziehen ist. Sie muß sehr langwierig gewesen sein, und
hat sich sehr in die Länge gezogen. So werden denn
verschiedene Hilfsarbeiter genannt, Jakob Salzmann, seit
1577 Hans Korb, 1579 endlich Georg Behr, der nach

1) Im folgenden in » « zitiert. Altere Beschreibungen
sind von 1695 und 1706. Die beigegebenen Abbildungen
sind die vom Verfasser Oktober 1903 selbst aufgenommen
worden.

2) In Geschichte der deutschen Renaissance. Ebner &
Seuffert, Stuttgart, 1882.

3) Pfaff, Geschichte der Stadt Stuttgart. Stuttgart,
Sonnewald, 1845.

obiger Notiz indessen schon weit früher sich mit der An-
gelegenheit befaßt hat, und zwar, wenn man dies ebenfalls
bei Lübke genannte Monitorium der Herzogs von 1586
und die Rechtfertigung Behrs dazu vergleicht, mehr in
einer dirigierenden Stellung. An der eigentlichen Zeichen-
arbeit hatte er eine besonders ausgezeichnete Hilfe, den
jungen Schickhardt, der seit 1578 bei Behr in Diensten,
diesem 1581 an der »Visierung« zum neuen Lusthaus ge-
holfen, das heißt Entwurfszeichnungen dazu gemacht hat.
Der Kostenanschlag vom 3. Dezember [15)83, jetzt noch
auf dem Königlichen Geheimen Haus- und Staatsarchiv
vorhanden, gibt als Baukosten 54670 Gulden an, während
nach Notizen der Zeitgenossen der Bau 300000 fl. gekostet
haben soll.

Der sumpfige Baugrund erforderte einen Pfahlrost:
1500 eichene, je 25 »Werk Schuh« lange Pfähle, deren
Besorgung bereits zehn Jahre vorher vom Herzog ange-
ordnet worden war, werden eingerammt: »Auff Montag
nach dem Sontag Laetare, welcher war der XXXte Tag
des Monats Marth, zwischen I und II Uhren nach Mitten-
tag im Jar als man nach Jesu Christi unsers einigen selig-
machers Geburt gezelt taussend fünffhundert achtzig und
viere«, sagt die Urkunde, »hat Herr Ludwig, Hörtzog zu
Wirtemberg und Teck, Grave zu Mumpelgart der raynen
unverfälschten evangeligen Religion, ein besonderer Lieb-
haber und Beförderer an diesem Gebew den ersten Pfal,
wölcher von Holz XXV Werk Schuh lang, selbs Eigner
Person mit sampt seiner Ritterschaft, zu künftiger Ge-
dächtnis helffen einschlagen ect.«1) Im Mai wurde dann
der Grundstein gelegt; vollendet wurde es 1. August 1593,
sieben Tage vor dem Tode des Herzogs Ludwig2).

In zwei Stockwerken erhob sich der herrliche Bau.
Ganz aus weißen Sandsteinquadern errichtet, hatte allein
der große obere Saal im Lichten 55 in Länge, bei 20 m
Breite und 14 m Höhe, also eine Grundfläche von 1100 qm!
Um eine Vorstellung dieser Größe zu geben, seien die
Grundflächen einiger moderner Bauten zitiert: Krollsches
Etablissement (jetzt neues Königliches Operntheater) Berlin
876 qm; der größte Konzertsaal der Reichshauptstadt, der
der Philharmonie 884 qm; Festsaal im Günzenich zu Köln
1172; Festsaal der Stuttgarter Liederhalle 1100 qm.

Lassen wir nun den Verfasser der oben genannten,
selten gewordenen »Beschreibung« zu Wort kommen.

»Auf dessen (des Lusthauses) 2. Stockwerken, um
welche 2 Gäng gehen, davon das unterste mit 48 ge-
kännelten (kannelierten) Corinthischen Säulen unterstützt,
ohne die acht, so die beeden Stegen tragen, und der
oberst, mit einem schönen Gelender umgeben, auf welche

1) Bäumer, S. 9.

2) Pfaff I, S. 48.
 
Annotationen