Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

DOI Artikel:
Zeller, Adolf: Das Stuttgarter Lusthaus
DOI Artikel:
Eisenmann, Oskar: Erwiderung: auf "Propos du Jour", Chronique des arts Nr. 19, vom 7. Mai 1904
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0228

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
439

Erwiderung — Bücherschau

440

zwischengeteilt, drei Reihen Fensterchen zeigte, die den
Dachboden erhellten. Von einem dieser Oiebelfensterchen
schaute einst das Steinbild des talentvollen Baumeisters
herab. Etwas vorgebeugt in langem, wallenden weißem
Barte, mit Zirkel und Lineal in den Händen schaute er
ernst und nachdenklich von seinem luftigen Standorte
herunter; ein Umstand, der zur Sage Veranlassung bot, er
habe sich hier heruntergestürzt. Die Giebelschrägen waren
viermal abgetreppt, mit Voluten geziert, vor denen je ab-
wechselnd Hirsen und Hirschkuh saßen; auf der Giebel-
spitze erhob sich über den Wappen der Bauherren ein
knorriger Eichbauni, dessen Krone einen schwebenden
Engel trug. Einer dieser Engel zierte als sogenannte
»Wetterhexe« das Dach des abgebranten Hoftheaters.

Soweit die Beschreibung des Baues. Erregt schon
diese aufs höchste unser Interesse, so wird der Eindruck
für den noch verstärkt, der das Glück hatte, die herrlichen
Aufnahmen Beisbarths im Lesesaal der Königl. technischen
Hochschule zu Stuttgart zu durchblättern. Unverlöschlich
aber ist der Eindruck beim Betrachten der wenigen Bau-
trümmer und Zierteile, die jetzt im Hofe dieser Anstalt
pietätvoll gesammelt sind und unvergeßlich bleibt jedem
der Anblick der gigantischen Wände des ehemaligen Lust-
hauses, wie sie in der ersten Zeit nach dem Brande des
Hoftheaters trotzig und erhaben, inmitten des Brand-
schuttes in die klare Winternacht hineinragten.

ERWIDERUNO

auf »Propos du four«, Chronique des arts Nr. ig,
vom 7. Mai 1904

Wer die Erhaltung der Werke Rembrandts in der
Kasseler Galerie aus eigener Anschauung und ge-
nauer kennt, wird das harte, generalisierend verwer-
fende Urteil des Berichterstatters der Chronique des
arts in der oben zitierten Nummer nicht billigen.
Denn mit Ausnahme etwa des männlichen Bildnisses
in ganzer lebensgroßer Figur, das man früher mit
dem Namen des Bürgermeisters Six bedacht hatte,
und bis zu einem gewissen Grade auch der Saskia,
sind die sämtlichen einundzwanzig Gemälde Rem-
brandts in unserer Galerie vorzüglich erhalten. Die
Saskia muß man aber schon sehr genau untersucht
und mit scharfem Auge im grellsten Sonnenlicht ge-
prüft haben, um die alten Schäden an ihr zu ent-
decken, die übrigens den bestrickenden Eindruck
nicht im geringsten alterieren, den das zauberhafte
Bild noch heute auf jeden Beschauer macht. Und
in solchem Licht wird der Franzose das Bildnis, das
für gewöhnlich ziemlich hoch hängt, kaum gesehen
haben. Jedenfalls gibt ihm der Einzelfall kein Recht,
die übrigen Rembrandts in Bausch und Bogen für
verdorben und zwar durch allzu weit gehende Restau-
rationen verdorben zu erklären. Die Saskia war
früher oben abgerundet, schloß im Halbbogen ab,
wurde aber später viereckig gemacht, ob noch in
Holland durch den Agenten des hiesigen Landgrafen
oder erst hier in Kassel, ist unbekannt. Bei dieser
Veranlassung scheint sie da und dort angegriffen
und dann wieder übergangen worden zu sein, aber
nur in den nebensächlichen Teilen. Desgleichen ist
das ersterwähnte männliche Bildnis hauptsächlich nur
im Hintergrund durch einige Retuschen beeinträchtigt,

die aber den Gesamteindruck nicht verändern können.
An dieses Bild hat seit den siebenundzwanzig Jahren
meines Hierseins keine Hand gerührt, wie denn über-
haupt die überwiegende Zahl der hiesigen Rembrandts
im Jahre 1883 zwecks photographischer Aufnahme
nur regeneriert aber nicht restauriert wurde. Also
auf was reduziert sich das wegwerfende Urteil des
Herrn Berichterstatters der Chronique? Auf ein ver-
schwindendes Minimum, und somit hätte der Herr
besser getan zu schweigen. Parturiunt montes etc.
Indessen, es ist durchsichtig, wo der Sykophant der
Chronique eigentlich hinaus will. Er beklagt weniger
die angeblich ruinierten Rembrandts der Kasseler
Galerie, als er diejenigen vor der Öffentlichkeit an-
klagt, die sie zugrunde gerichtet haben sollen. Um
deutlicher zu sein: er möchte den beiden geschätztesten
und erprobtesten Restauratoren Deutschlands am Zeug
flicken, den Professoren A. Hauser sen. und jun.
Doch der Mops bellt den Mond an und der Mond
fällt doch nicht zur Erde. Wie sehr wäre dem
Louvre zu wünschen, daß er zwei so zuverlässige
Bilderärzte wie die beiden genannten besäße!

Kassel, Mai 1904. O. EISENMANN.

BÜCHERSCHAU
Ostwald, W., Malerbriefe. Beiträge zur Theorie und
Praxis der Malerei. Leipzig, Hirzel.

Die Resultate der Untersuchungen über Maltechnik
und Malmittel, von denen Professor Ostwald in der Leip-
ziger Chemischen Gesellschaft zuerst kurz berichtete, die
er alsdann in der »Münchener Allgemeinen Zeitung« ver-
öffentlicht hat, sind hier zu einem kleinen, gut ausge-
statteten Bändchen zu Nutz und Frommen der pinselnden
und zeichnenden Welt vereinigt. Es gibt wenig Bücher,
die dem ausübenden Maler dienlich sein können: hier ist
eines, und zwar steht sein verhältnismäßig geringer Um-
fang im umgekehrten Verhältnis zu seinem Werte, so daß
man sagen kann, es sei kaum eine Kapitalanlage für den
Maler nutzbringender, als die Erlegung des mäßigen Kauf-
preises dieses inhaltreichen Bändchens. Es bewahrt vor
mancher unliebsamen Überraschung und Enttäuschung,
wenn es aufmerksam gelesen wird. Die Naturwissenschaft
verdankt dem Verfasser schon manche fruchtbare Ent-
deckung. Was in dem vorliegenden Werkchen nieder-
gelegt ist, wird zwar weit geringere Sensation erregen,
darf aber kaum weniger Anspruch auf Dank verdienen.
Welche Unmenge wertvoller Kunstwerke ist bereits dem
Untergange verfallen, welche andere eilt ihm entgegen!
Wäre ein Führer und Berater wie dieser früher wirkend
gewesen, so hätte sich die Lebensdauer vieler wertvoller
Schöpfungen erheblich verlängern lassen. Auch würde er
manchem Meister viel Zeit, die mit vergeblichen Versuchen
vergeudet worden ist, erspart haben.

Ein besonderer Vorzug dieser Plaudereien in Briefform
ist es, daß sein Urheber nicht nur die chemische Seite
der Maltechnik erörtert, sondern daß er auch über die ins
Spiel kommenden physikalischen Gründe Licht verbreitet,
und physiologische und ästhetische dabei mit streift.
Warum Bleistiftzeichnungen glänzen, Kreidezeichnungen
nicht, warum den Fixirmitteln am besten Weingeist zu-
gesetzt wird, welche Rolle die Bindemittel, der Malgrund,
die Trockenmittel, der Sauerstoff der Luft spielen, warum
das Pastell eine empfehlenswerte, das Freskomalen eine
weit weniger begünstigte Technik ist, alle diese und viele
andere Dinge sind mit Klarheit und auf leicht verständliche
 
Annotationen