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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Frimmel, Theodor v.: Aus der Sammlung Hoschek in Prag
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0233

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XV. Jahrgang 1903/1904 Nr. 28. 10. Juni

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur «Zeitschrift für bildende Künste und zum >Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein 81 Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

AUS DER SAMMLUNG HOSCHEK IN PRAG

Die inhaltschwere Geschichte der malerischen
Hauptstadt an der Moldau umfaßt mehr als ein
Blatt, das ebenso für Bilderfreunde wie für Ge-
schichtskundige von Bedeutung ist. Befanden sich
doch in Prag all die kostbaren Werke von Dürer,
vom alten Brueghel, von Lukas van Leyden,
Correggio und so viele andere Gemälde, die Kaiser
Rudolf II. zu erwerben gewußt und in der Burg auf
dem Hradschin aufgehäuft hatte. Auch wurde eine
Zeitlang zu Prag ein Teil der Galerie des Erzherzogs
Leopold Wilhelm verwahrt. Das meiste davon ist
freilich längst zerstreut und muß fern vom Hradschin
in allerlei Galerien aufgesucht werden. Aber auch
spätere Zeiten sahen in Prag genug der interessanten
Sammlungen, wenngleich sich keine mit den Bilder-
schätzen in der kaiserlichen Burg auch nur annähernd
messen konnte. Ausgedauert haben nur die kleine
Jahnsche Sammlung und die größere Galerie Nostitz.
An die Stelle der alten sind indes neue getreten, hier
und da kurzlebige Erscheinungen, wie die Bilderei
Tomans, daneben nicht wenige, die auf längere Dauer
berechnet sind, wie die im Rudolfinum, die bei
Adalbert von Lanna, beim Fabrikanten J. V. Noväk
und noch andere. Zuletzt in der zeitlichen Reihen-
folge, gewiß aber nicht in der Wertschätzung ist die
Sammlung des Großindustriellen Gustav Ritters von
Hoschek zu nennen, die gegenwärtig etwa hundert
gute, zum Teil vortreffliche Gemälde enthält.

Nach mehreren Jahren einer anfangs hastigen,
dann immer wohler abgewogenen Bildererwerbung
ist die Hoscheksche Galerie nunmehr eine sehr be-
achtenswerte Sammlung geworden, deren Katalogi-
sierung im Gange ist. Ich will dem Katalog nicht
vorgreifen, möchte aber den Fachgenossen eines der
Hauptbilder vorführen und daran eine Vermutung
knüpfen. Das Gemälde, das umstehend abgebildet
wird, wurde früher im Kunsthandel (ich kenne es
seit etwa sieben Jahren) Velazquez genannt. Ich
dachte anfangs an Rubens oder an van Dyck unter
dem Einfluß des Rubens, spreche mich jedoch gegen-
wärtig bestimmt für van Dycks reife Zeit aus. Es
ist ein Werk von besonderer künstlerischer Kraft, das
wohl aus der glänzenden englischen Zeit des Künstlers
stammt, also rund zwischen 1632 und 1640 ent-

standen sein dürfte. Die Frische, mit der es ange-
packt ist, erinnerte mich an die Lebendigkeit" eines
Rubens. Die dargestellte Persönlichkeit fesselte mich
durch die merkwürdig verwitterten Züge, die mir ein
wenig bekannt vorkamen. Wer mag da porträtiert
sein? Von anderer Seite wurde auf den Kardinal
Richelieu geraten, doch konnte ich mich nach ein-
gehendem Studium der Bildnisse des berühmten
Staatsmannes überzeugen, daß die Fährte falsch war.
Aber in der berühmten Reihe van Dyckscher Bild-
nisse, die als Ikonographie des van Dyck bekannt
und viel besprochen ist, findet sich ein ziemlich selten
vorkommendes Blatt, das mir Aufklärung zu schaffen
scheint. Es wird in Abbildung dem Gemälde gegen-
übergestellt und zwar bei ungefähr gleicher Kopf-
größe, um die Vergleichung zu erleichtern. Das Blatt
aus der Ikonographie (bei Wibiral Nr. 67) stellt den
jüngeren Hendrick Steenwyck dar, den Architektur-
maler, der zugleich mit van Dyck in England gelebt
und dort mit ihm in Verbindung gestanden hat.
Zwar ist es nicht dieselbe Haltung, nicht dasselbe
Lebensalter, in welchen beide Darstellungen den
jüngeren Steenwyck wiedergeben, aber das ist für
unseren Fall um so besser. Denn so entfällt wenig-
stens jeder Schein eines Verdachtes, als wäre das
Gemälde nach dem Stich der Ikonographie kopiert,
ein Verdacht, der schon auf so viele van Dycksche
Graumalereien gefallen ist, wenn sie Persönlichkeiten
aus der Ikonographie genau wiederholen. Ich gehe
übrigens meiner Vermutung zuleibe, als ob ich sie
widerlegen wollte. Da gibt es einen Unterschied,
den ich recht hervorheben will; er fällt besonders
auf im Verlauf der Brauen, die an der Persönlichkeit
des Gemäldes viel mehr in die Höhe gezogen sind
als beim Steenwyck der Ikonographie. Daß der
Mann auf dem Stiche barhaupt ist, wogegen der Alte
im Gemälde eine Kalotte trägt, wohl um ein begin-
nendes Glätzchen zu bedecken, wird uns weniger
beirren, zumal der Übereinstimmungen so viele sind,
von der Tracht der Haare, des Bartes, von der charak-
teristisch modellierten Nase, dem auf beiden Bildern
nahezu identischen Munde bis zum weniger wesent-
lichen Zuschnitt des breiten Kragens. Und die Unter-
schiede in den Augenbrauen sind doch nicht uner-
klärlich, wenn man sich daran erinnert, wie die Brauen-
bögen des Greises bei lebhaftem Minenspiel recht
 
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