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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schmidt, Karl Eugen: Die St. Louiser Weltausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0241

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13
Neue Folge. XV. Jahrgang 1903/1904 Nr. 29. 24. Juni

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Künste und zum >Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der «Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haas enstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

Die nächste Nummer der Kunstchronik erscheint am 15. Juli. — Der Kunstmarkt erscheint erst wieder

am 15. Juli.

DIE ST. LOUISER WELTAUSSTELLUNG

Von Karl Eugen Schmidt

Was die Gesamtanlage anlangt, ist die Ausstellung
in St. Louis der letzten Pariser Weltausstellung un-
endlich überlegen. Und das ist ja weiter nicht schwer
und in der Natur der Sache begründet. Ein Tadel
gegen die Franzosen und ein Lob der Amerikaner ist
diese Feststellung um so weniger, als der Baumeister
und Schöpfer des Gesamtplanes kein Amerikaner
sondern Franzose ist. Der Mann, Masqueray heißt
er, fand hier ein ganz unbeschränktes Gebiet, womit
er nach Gefallen schalten konnte, während in Paris
der für die Ausstellung zur Verfügung stehende Platz
auf allen Seiten eingehemmt und bedrängt war. Ja,
man kann sagen, daß es in Paris einen eigentlichen
Ausstellungsplatz überhaupt nicht gab. Um das Unter-
nehmen unterzubringen, mußte man es über drei oder
vier Plätze verzetteln, die miteinander nur in sehr
losem Zusammenhang stehen und durch große Wohn-
häuserbezirke in der Hauptsache voneinander gehalten
werden. Daraus ein einheitliches Gefüge zu machen,
war von vornherein unmöglich. Dem Marsfelde oder
der Esplanade allein ließ sich aber auch nicht viel
abgewinnen, da auch hier durch die länglich recht-
eckige Form des Platzes die Anlage der Ausstellungs-
gebäude streng vorgeschrieben war. Nur die Seine
brachte etwas Leben und Beweglichkeit in die Sache,
und das wurde j'a von den Parisern sehr gut aus-
genutzt. Die einzelnen Gebäude hätten freilich in
Paris viel besser sein können. 1889 hatte man auf
dem Marsfelde gezeigt, wie man Ausstellungsbauten
aufführen kann, die nichts anderes vorstellen, als was
sie wirklich sind. Das war damals der Triumph von
Eisen, Glas und Backstein. Inzwischen war die
Chicagoer Ausstellung mit ihrem »Staff« gekommen,
und leider hatten sich die Franzosen verleiten lassen,
ebenfalls zu diesem bequemen Material zu greifen,
welches das tragende Eisengerüst versteckt und dem
Beschauer Marmor, Granit oder sonst irgend eine
Steinart vorspiegelt. Das Unglück ist nur, daß die
Vorspiegelung nicht besser ist, als in allen Fällen,
wo uns Stuck als Stein und Pappe als Holz vor-
geführt wird. Schon nach wenigen Tagen werden

die Ecken und Kanten eines Granitpfeilers oder einer
Marmorwand aus Staff abgestoßen, nach einigen
Wochen ist die Sache allenthalben schadhaft und zer-
bröckelt, und kein Mensch kommt mehr zu dem Ein-
druck, etwas anderes als recht vergänglichen Stuck
vor sich zu haben. Und das verstimmt uns dann
ungefähr, wie die amerikanischen Neger, die den
Gentleman nachmachen und große Diamanten aus
Glas in der Halsbinde und an den Fingern tragen.
In Paris war die Sache um so verstimmender, als
die dortigen Ausstellungsarchitekten ohne Ausnahme
bei den Köchen und Zuckerbäckern gelernt hatten,
die mit ihren kunstvollen Mandelbergen aus Marzipan
und Schokolade bei feierlichen Gelegenheiten unsere
Festtafeln schmücken. Das war alles ziemlich klein-
lich, alltäglich, arm an Erfindung und trübe in der
Ausführung.

In St. Louis stand dem Erfinder des Gesamtplanes
ein so grenzenloses Gebiet zur Verfügung wie nie
zuvor dem Architekten einer Ausstellung. Die Leute
hatten sich vorgenommen, nach nicht gerade guter
amerikanischer Sitte der Welt durch die ungeheure
Ausdehnung ihrer Ausstellung zu imponieren. Der
Ausstellungsplatz ist denn auch viermal so groß wie
in Paris, und dabei ist das damalige Anhängsel von
Vincennes mit gerechnet. Sie ist also geradezu un-
geheuerlich, und da die Verkehrsmittel innerhalb des
Platzes lange nicht so gut und bequem sind, wie
man es erwarten durfte, und wie sie in der Stadt
St. Louis selbst sind, so empfindet man diese Aus-
dehnung durchaus nicht als etwas sehr schönes, sondern
man ärgert sich über die gewaltigen leeren Räume,
die einen Bau vom andern trennen, und die offenbar
nur deswegen da sind, um mit der Größe des Unter-
nehmens prahlen zu können.

Dem Hauptarchitekten ist es nicht gelungen, diesen
ungeheueren Platz zu bemeistern und zu gliedern.
Er hat sich damit begnügt, die Hauptsachen in einem
sehr hübschen Plane zusammen zu fassen. Dann aber
waren immer noch einige hundert große und kleine
offizielle, halboffizielle und private Ausstellungsbauten
übrig, und die hat man dann einfach hierhin und
dahin über das Gelände zerstreut, ohne jeden Plan
und ohne jeden Versuch eines Planes.
 
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