Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

DOI Artikel:
Schubring, Paul: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0251

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
485

Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf

486

Bildern war in Brügge so glänzend vorgeführt worden,
daß Düsseldorf hier nur eine Nachlese zu bieten hatte.
Unter den von Brügge her schon bekannten Bildern war
das Kleinod dieser Abteilung, das Porträt von Quinten
Massys aus der Sammlung Secretan, das heute der
Fürst Liechtenstein in Wien besitzt. Im ganzen waren
die Altniederländer bis 1520 durch 52 Bilder vertreten.
Ich hebe hervor das kleine graziöse Bild, der in einer
gotischen Halle thronende Petrus aus der Eyckschule
(Heyl-Darmstadt), ein Flügelaltärchen vom Meister
der Himmelfahrt Mariä (Bock-Aachen), den heiligen
Hieronymus von Memling (früher Sammlung Schubart,
jetzt Bachofen-Burckhardt, Basel; er wurde mit Un-
recht bezweifelt); dann eine thronende Madonna des
Marinus van Roymerswale (von Twickel-Stove.rn), die
schönen Landschaften Patiniers aus der Wesendonkschen
Sammlung in Berlin und zwei Dreikönigsbilder Henris
met de Bles (Fürst zu Wied und von Groote-Kitz-
burg). Dazu kamen dann noch 20 Altholländer
(das heißt bis 1579), von denen aber keiner an Jan
Joest heranreichte. Leider fehlten noch zwei Porträts
von Jan Schorel. Das Porträt Nr. 208 aus der
Sammlung von der Heydt war schwerlich ein eigen-
händiger Anthonys Mor.

Unter den sonstigen Bildern des 15. Jahrhunderts
waren das kostbarste und diskutierteste die beiden
Tafeln des Franzosen Simon Marmion aus der
Sammlung des Fürsten Wied. Es war besonders
freudig zu begrüßen, daß diese mit letzter Feinheit
ausgeführten Tafeln eines aus der Buchmalerei hervor-
gegangenen Altfranzosen in Düsseldorf und nicht in
Paris ausgestellt waren. Sie bildeten einst die Lang-
seiten eines Reliquienschreins in der Art desjenigen
in Brügge; die Schmalseiten befinden sich in der
Londoner National Oallery. In der Glut der Farben,
der Feinheit des Details selbst in der altniederländischen
Schule ihresgleichen suchend, boten diese die Legende
des heiligen Bertin ausführlich und umständlich vor-
tragenden Bilder vollendete Proben einer Miniatur-
kunst, die zwar keine Momente des Ausgreifens ent-
hält, aber in solcher Bescheidung eine seltene Höhe
erreicht. Das intimste war ein mit Totentanzfresken
ausgemalter Klosterhof, der sich als Hintergrund durch
zwei Szenen zog; unbeschreiblich stimmungsvoll und
überzeugend die Poesie dieser Klosterhallen schildernd.

Unter den Italienern erregte die gleichfalls der
Neuwieder Sammlung angehörende, einst in Kassel
und Malmaison befindliche »Leda« der Leonardo-
schule das größte Interesse. Zwar ist das Bild nicht
ersten Ranges; es schien mir auch nicht eine Arbeit
Giampetrinos, wie der Katalog annahm, sondern in
der Landschaft durchaus flandrisch und in den Fleisch-
tönen härter und kühler als dieser sensitive Mailänder
sonst malt. Das Motiv der im Schilf knieenden, von
ihren Vierlingen Kastor, Pollux, Helena, Klytämnestra
umgebenen Leda entspricht derSodoma zugeschriebenen
Zeichnung in Chatsworth. In den vielen Repliken
wird Leda meist stehend neben dem Schwan ge-
schildert (Hannover, Sammlung Oppler; Paris, Samm-
lung Roziere; Borghese-Rom); dagegen hat Müller-
Walde bereits Leonardos eigenhändige Zeichnung

einer knieenden Leda publiziert. Er setzt das Original
in die Zeit um 1504, während der Katalog an die
Mitte der achtziger Jahre des 15. Jahrhunderts denkt
und diese Bilder als Huldigungen an Ludovico Moro
auffaßt, der damals mit Zwillingen beschenkt wurde.
— Ein Tizian zugeschriebenes Porträt des Dichters
Clement Marot (1495—1544) wurde von anderen
Callisto Piazza zugewiesen, der aber erst 1524 ge-
boren ist. Auch die Taufe von Nr. 245 auf Seba-
stiano del Piombo läßt sich schwerlich rechtfertigen;
man denkt an Pontormo oder Bacchiacca. Ein sehr
interessantes geistreiches Bild des Domenico Theoto-
copuli hatte Karl Justi hergeliehen, die Entkleidung
Jesu auf dem Kalvarienberg, eine Replik des 1579
für die Kathedrale in Toledo gemalten Bildes. Das
Quattrocento war durch eine in den Farben auffallend
herbe Madonna von Filippino Lippi (oder Raffaellino
del Garbo?) aus der. Sammlung G. Martins-Kiel und
einen bezeichneten büßenden Hieronymus des Marco
Zoppo vertreten.

Von den Vlamen und Holländern des ij. Jahr-
hunderts einen ungefähren Überblick zu geben, ver-
bietet der Raum. Es waren 33 vlämische und 120
holländische Bilder; in den letzteren kamen die eigent-
lichen Perlen der rheinischen Sammler zum Vor-
schein. So war Rernbrandt mit neun Bildern aus
allen Perioden vertreten; gänzlich neu war eine kleine,
aber sehr stimmungsreiche Landschaft, die mit den
um 1638 und 1640 gemalten Landschaften (Krakau,
Boston, Amsterdam, Braunschweig, Oldenburg, Earl
of Northbrook) zusammen geht; der glückliche Be-
sitzer ist Freiherr von Kettler auf Schloß Eringerfeld.
Dann hatte Henry Thode ein signiertes und 1631
datiertes Bild »Der barmherzige Samariter führt den
Verwundeten in die Herberge« gesandt, das sich trotz
anfänglicher Zweifel ebenfalls als echt erweisen dürfte.
Das von der Amsterdamer Ausstellung her bekannte
herrliche Landschaftsbild beim Fürsten Salm Salm zu
Anholt mit den beiden mythologischen Szenen des
Aktaeon und der Kallisto von 1635 (mit Saskias
Porträt), die schöne Darbringung im Tempel aus der
Sammlung Weber (um 1630), die Heilung des alten
Tobias beim Herzog zu Arenberg von 1636, die
goldig wie eine Bronze leuchtende »alte Frau« bei
Götz Martius und zwei Bilder der Sammlung Car-
stanjen (es fehlte deren Porträt des Predigers Sylvius)
waren die Hauptstücke. Diese Bilder hingen zumeist
in den oberen Sälen, wo einzelnen Sammlern Sonder-
kojen überwiesen waren, so daß sich eine stille,
höchst anziehende Konkurrenz ergab zwischen den
Sammlungen Carstanjen, Herzog von Arenberg, Fürst
Salm Salm-Anholt, Freiherr von Heyl, Konsul Weber.
Der Herzog von Arenberg schoß doch wohl den
Vogel ab; sein Mädchenkopf des sonst nicht ver-
tretenen Jan van der Meer, sein feiner glänzender
Pieter de Hoogh, sein frischer Frans Hals, Bilder von
Jan v. d. Heyden, Potter und Capelle seien hervor-
gehoben. Aber auch die Sammlung Carstanjen bot
glänzendes: vor allem ihren herrlichen A. Cuyp, zwei
Gegenstücke von Frans Hals, den bedeutendsten
Hobbema der Ausstellung, Bilder von J. v. Ruisdael,
 
Annotationen