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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Peltzer, A.: Heidelberger Brief
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Schmidt, Karl Eugen: St. Louiser Ausstellungsbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0255

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493

St. Louiser Ausstellungsbrief

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hat auf dem Heidelberger Schlosse begonnen. Die
Originale werden künstlich und pietätlos ihrer Wirkung,
die sie immerhin noch eine geraume Zeit lang hätten
ausüben können, beraubt. Die ergreifende Sprache
der Ruinen ist erstickt worden. Der Zauber ist mit
ehrfurchtsloser Gesinnung ohne Scheu gebrochen
worden. Von wem?

Die Namen und die Persönlichkeiten der Künstler,
denen wir so viele Herrlichheiten alter Kunst zu-
schreiben dürfen, sind uns meist in ein geheimnis-
volles Dunkel gehüllt. Die Restauratoren und die
Imitatoren, die uns mit den neuesten Taten auf dem
Schloßhügel zu Heidelberg beglückt haben, sorgten
dafür, daß es der Nachwelt mit ihnen nicht so er-
ginge. An auffallenden Stellen in den geschilderten
neuerschaffenen Innenräumen haben sie zum Teil lange
Inschriften mit ihren Namen angebracht, einige eben-
falls als Imitationen »altdeutscher« Reimereien ab-
gefaßt. Diese Sprüche sind für den Geist des ganzen
Unternehmens so charakteristisch, daß sie hier dem
Publikum zu allgemeiner Kenntnisnahme mitgeteilt
werden mögen. Unter dem oben erwähnten und ge-
würdigten großen Hirsch in Stuckrelief steht zu lesen,
halb lateinisch, halb deutsch:

»W. Füglister Undobonensis omnia opera in Stuck
und Marmor fecit.«

Über dem Ausgang der Wendeltreppe, die zum
obersten Geschoß führt, spannt sich ein gänzlich über-
flüssiges, reich gearbeitetes und bemaltes schmiede-
eisernes Gitterwerk, welches — eine ganz sinnlose
Spielerei — eine in die Augen fallende Windfahne
(im verschlossenen Raum) trägt mit der Inschrift:

»maister Karl Weiss v. Karlsruhe hat g'macht all
kunstreich Schlosserei in diesem hauss.«

In einer Fensternische erfahren wir:

»Nie. Dauber aus Marpurg war der mahler in
dissem baw.«

Dann aber die Hauptinschrift über der Tür eines
der Prachtgemächer, in folgende unvergleichliche Verse
gebracht:

»Was man in diesem hause
von Schreiners kunst erschaut
nach alter Meister regel
ist es mit Fleiss erbaut.
Carl Schaefer gab des Werkes
Visirung an die Handt
ihm half Roger, sein Schueler,
der Slawski ist genandt.
Der Brüder Himmelheber
ihr künstlich schreinerey
braucht all's hinauszuführen
der jähre zweymahl zwey.«

Mir scheint, der pfälzische Kurfürst, dessen Wohn-
räume wiederhergestellt zu haben, hier vorgetäuscht
wird, würde sich solches Beginnen seiner Meister
gründlich verbeten haben. So sehr auch mir selbst
ein persönlicher Verdacht in dieser Hinsicht fern liegt,
so kann ich mich doch nicht der Besorgnis erwehren,
daß viele Besucher des alten (neuen) Schlosses diese
Inschriften unwillkürlich für Auswüchse moderner
Reklamesucht halten. Mit aufrichtiger Betrübnis jedoch

erfüllt mich folgende Reimerei, die ebenfalls in In-
tarsia über einer Tür zu lesen ist:

»Die Koenigliche Hoheit war
Von Baden es vor Tag und Jar,
Die da gebot, dies Hauss allhier
Moeg aufferstehn in alter Zier,
Allwie die Vaeter es gekannt
Bevor es brach des Feindes Hand.
Von Friedrich, ihm des Landes Herrn
Halt Gottes Huld jed Unheil fern.«

Der Name unseres hohen Herrn sollte mit diesem
Unternehmen nicht mehr in Verbindung genannt
werden. Wir alle wissen und erkennen es dankbar
an, daß des edlen Großherzogs Sinn von dem Wunsche
erfüllt ist, für unser Schloß zu sorgen. Für diese
Mißgeburt jedoch ist sein Wunsch und sein Gedanke
nicht als Vater auszugeben; für die sind diejenigen
einzig verantwortlich und nunmehr einer freien Kritik
ausgesetzt, die hier haben schalten und walten dürfen.

Dr. A. PELTZER.

ST. LOUISER AUSSTELLUNGSBRIEF

Die Ausgestaltung der Innenräume auf der Welt-
ausstellung ist nur da interessant, wo das deutsche
Reich und Österreich in Frage kommen. Die Ame-
rikaner, Franzosen und Engländer haben in dieser
Hinsicht noch alles zu lernen. Die Deutschen haben
in ihrem Nationalhause einige von Schlüter einge-
richtete Barocksäle aus dem Charlottenburger und dem
Berliner Schlosse kopiert, die Franzosen begnügen
sich in ihrer Trianonkopie mit einer einzigen mo-
dern eingerichteten Ecke, die aber auch nicht beson-
ders interessant ist, und beschränken sich im übrigen
auf das Zeigen möglichst vieler verkäuflicher Gegen-
stände. Im französischen Hause sind die Erzeugnisse
der Staatswerkstätten, also Porzellan aus Sevres, Go-
belins, Drucke der Chalkographie, Medaillen und
Plaketten der Münze, ausgestellt. Auf das Arrange-
ment ist nur sehr wenig oder gar keine Rücksicht
genommen. Einige mit Wand- und Deckengemälden
geschmückte Räume sind Leuten wie Dubufe und
noch mittelmäßigeren Malern überantwortet worden,
die nicht das geringste Recht haben, im Auslande als
Vertreter der französischen Kunst zu erscheinen.
Zum Glück war von der letzten Pariser Weltaus-
stellung noch ein gutes dekoratives Bild, Besnards
»Glückliche Insel«, vorhanden, das man dann ziem-
lich geschickt zur Ausschmückung einer Wand be-
nutzt hat. Überall wo sich die französische Kunst
in St. Louis zeigt, staunt man wieder und wieder
über die grenzenlose Unfähigkeit des Leiters dieser
Abteilung. Durch das Ausbleiben der jüngeren
deutschen Künstler war den Franzosen die denkbar
günstigste Gelegenheit geboten, sich in der Herr-
schaft über den amerikanischen Kunstmarkt dermaßen
festzusetzen, daß von einer deutschen Konkurrenz
überhaupt nicht mehr die Rede gewesen wäre. Die
deutschen Künstler haben also das große Glück, die
Franzosen das Unglück gehabt, daß die französische
 
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