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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schmidt, Karl Eugen: St. Louiser Ausstellungsbrief
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St. Louiser Ausstellungsbrief

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Räume hat Myrbach ein ganz entzückendes Interieur
geschaffen; ganz in weiß und schwarz macht dieser
kleine Winkel einen überaus heimischen, kühlen und
feinen Eindruck. Alles in diesem Räume, von den
Schränken mit ihrem Inhalte bis zu dem Teppich
auf dem Boden und den Stickereien, die als Wand-
fries dienen, ist in der von Myrbach geleiteten An-
stalt von Schülern und Schülerinnen hergestellt, und
hier feiert das österreichische moderne Kunstgewerbe
den schönsten Triumph, der ihm je im Auslande
beschieden war. Die Österreicher würden als die
alleinigen Vertreter und Apostel der modernen Kunst
in St. Louis eine beneidenswerte Sonderstellung ein-
nehmen, wenn das aus dem deutschen Hause ver-
triebene moderne Kunsthandwerk nicht ein Heim in
dem, den vielseitigen Namen Varied Industries füh-
renden und in der Tat den mannigfaltigsten Inhalt
bergenden Gebäude gefunden hätte. Hier hat das
deutsche Kunstgewerbe und besonders die raum-
schmückende Kunst vortreffliches geleistet, daß dar-
über alles andere in den Schatten gestellt wird.

Überall auf der Ausstellung hat das Deutsche
Reich seinen Platz mit der größten Geschicklichkeit
gewählt. Der Platz allein ist daran schuld, daß das
deutsche Haus bei weitem den festlichsten Eindruck
von allen Nationalbauten macht. Ebenso hat Deutsch-
land in dem Kunstpalaste, wo seine Bilder und
Skulpturen untergebracht sind, die Vorherrschaft dank
dem günstig gewählten und geschickt ausgenutzten
Platze, und im Gebäude der Varied Industries liegt
die deutsche Abteilung so vorteilhaft, daß sie den
ganzen weitläufigen Bau beherrscht. Durch das
Hauptportal an der Ostseite betritt der Besucher
sofort die deutsche Abteilung, zunächst eine Vorhalle,
die mit Mosaikwänden und Decken geschmückt ist,
dann den hohen Mittelraum, der wohl überhaupt
der prächtigste und glänzendste Raum auf der gan-
zen Ausstellung ist. Dieser von Bruno Moehring
eingerichtete Saal empfängt sein Licht von oben, wo
in der Längsachse das Glas der Fenster sichtbar ist.
Abwärts von dem Firste folgt dann eine Art Dach-
stuhl aus vergoldetem und bemaltem Holzwerk, weiter-
hin ein auf ebenfalls bemalten und vergoldeten Holz-
trägern ruhendes Zeltdach, endlich die senkrechten
Wände. Der vordere Teil des Saales ist mit zwölf
gleichen Glasschränken aus oxydierter Bronze aus-
gestattet, und hier stellen die Pforzheimer und Hanauer
Goldschmiede das Kayserzinn, die kölnischen Silber-
schmiede und andere kunstgewerbliche Vereinigungen
aus. Der hintere Teil des Saales hat das gleiche
Dach, die Wände aber sind mit grünem Marmor
bekleidet, Säulen aus dem nämlichen Stein bilden
eine Halle auf beiden Seiten, und neben der dem
Eingangsportel gegenüber in den Bayreuther Saal
führenden Türe sind zwei Brunnennischen mit Bronze-
gruppen. Dieser hintere Teil des Saales ist um einige
Sturen gegen den vorderen erhöht und im Zentrum
des Aufstieges steht der von dem Bildhauer Gaul
modellierte, von Armbruster in Frankfurt geschmiedete
ruhende Adler.

Immer geradeaus weiterschreitend gelangen wir

jetzt durch die soeben erwähnte Tür in die von
Martin Dülfer entworfene Bayreuther Halle, wo graue
Marmorsäulen die kassettierte Decke tragen und zwei
Kamine aus dem nämlichen Stein die Seitenwände
gliedern, während sonst die Wände mit hellbraunem
Holzgetäfel bekleidet sind. In diesem Räume stellt
das bayrische Kunstgewerbe aus. Geradeaus weiter-
gehend treten wir durch die Tür in der Hinterwand
und gelangen in den Innenhof des Ausstellungs-
gebäudes, dessen sich Olbrich bemächtigt hat, um
sein entzückendes Landhaus als Fortsetzung der gan-
zen deutschen Anlage in die Achse der bisher durch-
wanderten Räume zu stellen. Dies ist ein einstöckiger
Bau mit weißen Wänden und rotem Ziegeldach.
Auf beiden Seiten springen die mit Veranden ver-
sehenen Flügel vor und umgreifen einen kleinen
Weiher, der mit seinem springenden Brünnlein dem
Mittelbau vorgelagert ist. Sämtliche Räume dieses
Hauses sind teils von Olbrich selbst, teils von an-
deren namhaften deutschen Architekten und Kunst-
handwerkern eingerichtet, und damit noch nicht genug,
liegen um die vorhin kurz beschriebenen großen Säle
ganze Reihen von modern eingerichteten großen und
kleinen Zimmern. Im ganzen enthält die deutsche
Abteilung in den Varied Industries nicht weniger
als 59 Räume, und obschon ich nicht einen jeden
dieser Räume bewohnen möchte, ist doch ein jeder
von ihnen mit dem eifrigen Bestreben ausgestattet,
etwas zu schaffen, das zugleich neu, schön und
brauchbar wäre. Daß dies nicht allen beteiligten
Künstlern gleich gut gelingen konnte, ist natürlich,
aber der Gesamteindruck ist überaus vornehm und
schön.

Die Amerikaner, die hier und im österreichischen
Hause zum erstenmale erfahren, was die moderne
Kunst anstrebt, sind einfach hin vor Bewunderung,
Verwunderung und Entzücken, und es ist mehr als
wahrscheinlich, daß diese Veranstaltung die glück-
lichsten Folgen für das deutsche Kunstgewerbe haben
wird. Man kann nicht alle diese Räume beschreiben.
Es genüge, wenn ich sage, daß Olbrich, Peter Beh-
rens, Läuger, Pankok, Bruno Paul, Kreis und ein
Dutzend andere Künstler hier Ausgezeichnetes ge-
leistet haben. Der deutsche und österreichische
Triumph ist um so größer, als die anderen euro-
päischen Länder, von denen man ähnliche Anstren-
gungen hätte erwarten dürfen, in diesem Punkte nichts
oder so gut wie nichts getan haben. Frankreich hat
im Gebäude der Freien Künste eine große Anzahl
Zimmer eingerichtet, alles in den anerkanntesten und
beliebtesten Stilen von Francois premier bis zum
Empire. Neues ist hier nicht zu finden. Genau so
steht es mit den Engländern, und die Italiener haben
wie gewöhnlich ihre Abteilung mit ganzen Heer-
scharen zuckersüßer Marmorfiguren und sauber ge-
schnitzter Möbel im gangbarsten Geschmacke angefüllt.

Österreich und Deutschland allein haben moderne
Kunst gezeigt, das eine in seinem Nationalhause,
das andere in seiner kunstgewerblichen Abteilung.
Das Deutsche Reich schneidet dabei besser ab als die
österreichischen Landsleute, weil die letzteren ihre
 
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