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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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501

Bücherschau

502

BÜCHERSCHAU

O. v. Falke und H. Frauberger. Deutsche Schmelz-
arbeiten des Mittelalters und andere Kunstwerke der
Kunsthistorischen Ausstellung zu Düsseldorf 1902. Mit
130 Lichtdrucken, 25 farbigen Lichtdrucktafeln und 55
Textabbildungen. Frankfurt a. M. 1904. Joseph Baer & Co.,
Heinrich Keller.
Wenn über das Anwachsen der Kunstliteratur in das
Ungemessene mit Recht Klage geführt wird, so gilt dies
keineswegs für Arbeiten über die verschiedenen Gebiete
des Kunsthandwerks; an wissenschaftlichen Arbeiten nach
dieser Richtung leidet unsere Literatur wahrlich keinen
Überfluß! Ja, seitdem der »neue Stil« in unserer Kunst
entdeckt worden ist, glauben die meisten jüngeren Kunst-
gelehrten, denen kunstgewerbliche Sammlungen unterstellt
sind, daß die Propaganda für die neue Kunst in Wort und
Tat wichtiger sei, als jede Beschäftigung mit alter Kunst
und Kunsthandwerk. Illustrationswerke und Vorlagehefte
erscheinen freilich nach wie vor in Hülle und Fülle, aber
ohne System und ohne Wissenschaft; sie hatten das mo-
derne Kunsthandwerk nur noch fester in die Banden der
älteren Kunst geschlagen und haben die heutige sinnlose
Verachtung der alten Vorbilder mit verschuldet. Solche
Vorwürfe treffen das vorliegende Prachtwerk in keiner
Weise; es will kein Bilderbuch sein, bietet vielmehr an der
Hand eines reichen, guten Illustrationsmaterials die erste
sichere Anleitung zur Unterscheidung des altdeutschen und
altfranzösischen Emails und zur Bestimmung der Haupt-
werkstätten, aus denen das erstere hervorgegangen ist.
Es ist daher von wesentlicher Bedeutung auch für unsere
deutsche Kunstgeschichte des Mittelalters überhaupt, und
als eine reife Frucht der bedeutsamen Düsseldorfer Aus-
stellung des Jahres 1902, eine Frucht, wie sie z. B. die
vorausgegangene Pariser Weltausstellung von 1900 nicht
gezeitigt hat, lebhaft zu begrüßen. Eine kleine Konzession,
welche die Herausgeber der Verlagsanstalt oder dem Publi-
kum, vielleicht auch beiden, bringen mußten, ist der An-
hang, der hinter den Schmelzarbeiten noch »andere Werke
der Kunsthistorischen Ausstellung« ohne jeden Zusammen-
hang und selbst ohne weitere Berücksichtigung im Text
bringt. Jeder wird diese guten Nachbildungen einer Reihe
der interessantesten deutschen mittelalterlichen Kunstwerke
gern besitzen, aber sie gehören nicht an diesen Platz und
sind für das schon übermäßig schwere, große Buch ein
empfindlicher Ballast.

Der ausführliche wissenschaftliche Text, von Otto von
Falke, behandelt in zwei einleitenden Kapiteln die Anfänge
des deutschen Zellenschmelzes auf Gold, mit besonderer
Betonung der Trierer Egbertschule und der Arbeiten des
Rokgerus von Helmershausen. Das dritte Kapitel, »Der
deutsche Kupferschmelz«, begreift das eigentliche Thema
der Publikation und kann als erste und grundlegende, ja
für lange Zeit erschöpfende Arbeit darüber charakterisiert
werden. Falke kennzeichnet scharf die beiden Haupt-
schulen an der Maas und in Köln, definiert ihre Haupt-
meister unter Beschreibung ihrer Werke: dort Godefroid
de Ciaire und Nikolaus von Verdun, hier Meister Eilbert,
Friderich und den Anno-Meister, und schließt daran die
Arbeiten der Aachener und der Hildesheimer Schule. Die
Aufzählung und Beschreibung ist so gründlich, daß wohl
nur einige und meist unbedeutendere Stücke dieser präch-
tigen mittelalterlichen Kunst fehlen werden, und fast alle
diese Arbeiten sind auf ihre Schulen und Meister festgelegt
worden.

Das ganze Material wird in den reichsten Abbildungen,
teils in einfachen Lichtdrucken und Hochätzungen, teils in
Farbenlichtdrucken vorgeführt, und bietet daher einen voll-

ständigen Kodex der Kunst der deutschen Kupferschmelz-
arbeiten, w. B.

Peter Paul Rubens. Ein Büchlein für unzünftige Kunst-
freunde von Robert Vischer. Verlag von Bruno Cassirer,
Berlin 1904.

»Was hier verhandelt wird, ist eine Laienangelegen-
heit«, so beginnt der Verfasser das Vorwort seines »Büch-
leins«. Also wieder, so wird der Leser denken, eines jener
populären »Kunstbücher«, mit denen unsere Literatur seit
mehr als einem Jahrzehnt in immer wachsendem Maße
überschüttet wird! Aber wenige Sätze werden den Leser
überzeugen, daß er es hier mit einem Autor von anderem
Kaliber zu tun hat. Robert Vischer, der Sohn von Friedrich
Vischer, ist in weiteren Kreisen kaum bekannt, und doch
steht er seinem Vater an Schärfe der Auffassung, an Phan-
tasie und dichterischer Gabe nicht nach. Freilich hat er selten
davon öffentlichen Gebrauch gemacht. Abgesehen von der
Herausgabe der Werke seines Vaters, beschränkt sich seine
publizistische Tätigkeit, von einigen kleineren Beiträgen
zur Kunstgeschichte abgesehen, auf eine Jugendarbeit über
Signorelli und einen Band mit Aufsätzen über deutsche
Kunst der Renaissance. Auch unser kleines Buch hat den
Anschein, als ob es zu etwas Größerem bestimmt gewesen
wäre; mehrere Abschnitte sind, den anderen gegenüber,
so eingehend behandelt, daß wir wohl nicht fehlgehen in
der Annahme, der Verfasser habe sich ursprünglich eine
größere Rubens-Biographie zur Aufgabe gestellt. Dies ver-
rät sich schon darin, daß das »Beiwerk« umfangreicher
ist als die ganze Biographie und Charakteristik, und wesent-
licheTeile enthält, die eigentlich dort ihren Platz hätten finden
sollen. Ähnliches gilt zum Teil auch für die »Anmerkungen«
und das »Nachwort«. Die umfangreichen Bücher von Emile
Michel und Max Rooses über Rubens und Jakob Burckhardts
nachgelassenes Werk »Aus Rubens«, welche gerade in den
letzten Jahren an die Öffentlichkeit kamen, mögen ihn von
seinem Vorhaben abgebracht haben. In der jetzigen Form,
wenn sie auch keine abgeschlossene und mustergültige
ist, scheint mir die Arbeit des Verfassers entschieden zeit-
gemäßer zu sein, als wenn er sie zu einem großen wissen-
schaftlichen Werke ausgeführt hätte. Unsere hastige, ner-
vöse Zeit will sich nicht mehr durch dickleibige »abschlie-
ßende« Werke durcharbeiten; die Leute, die sie lesen, sind
jetzt so selten, wie die, welche sie schreiben. So wird
man dem Verfasser seine Aphorismen gern verzeihen;
wirken sie doch als solche doppelt prickelnd. Einzelnes
wird ja auch in einer zweiten Auflage zweifellos in den
Hauptteil einverleibt werden, namentlich die Ausführungen
des Nachwortes, in denen sich Vischer mit Julius Lange,
Hippolyte Tayne und Eugene Fromentin auseinandersetzt,
deren auch für die Würdigung von Rubens so anregende
Werke er, wie er selbst sagt, »erst kurz vor dem Tor-
schlüsse kennen gelernt habe«. Für den Leser ist diese
Versäumnis sehr gleichgültig; nicht was Vischer von
anderen gelernt oder entlehnt hat, sondern was er selbst
in dem »Büchlein« bietet, macht den Wert desselben aus.
Da ist nichts von der hausbackenen Langeweile und fal-
schen Gelehrsamkeit, welche die meisten unserer populären
Künstlermonographien charakterisieren, oder gar von der
liederlichen und perversen Richtung der neuesten Eine-
Markbüchlein über Kunst: Vischer kennt Rubens und hat
sich seine ganz eigene Ansicht über seine Werke gebildet,
die er uns in lebendigster, fließender Weise mitzuteilen
weiß, ohne im geringsten in den Dozententon zu fallen.
Im Vortrag verrät er vielmehr die dichterische Ader vom
Vater her; wenn er uns von Gemälden spricht, beschreibt
er sie nicht, sondern er sucht sie mit den Mitteln der
Sprache im Leser lebendig zu machen, er weiß sich in
 
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