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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schleinitz, Otto von: G. F. Watts
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Zur Kunstpflege der Fugger
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0267

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Zur Kunstpflege der Fugger

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eine Bitte abzuschlagen. Wenn ihm z. B. von dritter
Seite bemerkt wurde, daß es aus Rechtsgründen un-
möglich sei, ein Gesuch zu gewähren, so grübelte er
den ganzen Tag nach, ob es dennoch nicht bewerk-
stelligt werden konnte, um die Bitte zu erfüllen. Er
hatte Zeit für alle, bis auch endlich seine Zeit kam.
Sein letztes Werk, gleichsam um zu seinem Ausgangs-
punkt zurückzukommen, ist eine Sonnenuhr in Limner-
slease, um deren Zifferblatt er in Reliefschrift die
Worte modelliert hat: »The utmost for the highest«.
Niemand besser wie er wußte, welchen Wert die Zeit
besitzt! Nicht minder aber die Sonne! Mit Watts
ist ein großer Künstler und ein seltener Mensch
nicht nur England, sondern der Universalität ge-
nommen. Friede seiner Asche!

O. V. SCHLEINITZ.

ZUR KUNSTPFLEGE DER FUGGER
Eine umfangreiche Arbeit des zeitweiligen Leiters des
Königl. Preußischen Historischen Instituts in Rom, Pro-
fessor A. Schulte, behandelt die Tätigkeit des deutschen
Kaufhauses der Fugger in Rom um die Wende des 15. und
16. Jahrhunderts1). Der Schwerpunkt des vielbesprochenen
Buches — vielbesprochen auch wegen des angeblichen Ein-
greifens des Reichskanzlers in seine Vorgeschichte — liegt
in der neuen Beleuchtung, welche der Ablaßhandel des
Erzbischofs Albrecht von Brandenburg von 1517 findet, und
diesen Handel noch schärfer als früher im Licht simonistischer
Korruption und Unehrenhaftigkeit erscheinen läßt. Aber die
breite Unterlage archivalischer Forschungsarbeit und um-
fassender Milieuschilderung, auf der die Schlußergebnisse
Schuhes emporwachsen, läßt doch auch noch anderen an-
mutigeren Gebilden Raum, kunstgeschichtlichen Aus-
führungen, die das Bild römischen Kunstlebens um 1500
ergänzen, und seinen deutschen Einschlag einerseits, seine
Einwirkung auf deutsche Kunstausübung andererseits er-
kennen lassen. Im Fuggerpalast in Augsburg sind zum
erstenmal in Deutschland die Architekturgedanken der
italienischen Renaissance klar zum Ausdruck gelangt, und
das erste kirchliche Bauwerk, das im Geist der Renaissance
auf deutschem Boden errichtet ward, ist die nach italienischer
Art an die Karmeliterkirche von St. Anna angebaute Fug-
gersche Gruftkapelle. Wie hätten die Fugger auf dem
kunstgesättigten Boden Roms, als Bankiers von zwei Mä-
cenatenpäpsten wie Julius II. und Leo X. nicht in das
Kunstleben jener Zeit schaffend und fördernd eingreifen
sollen! Wie Agostini Chigi oder Bindo Altoviti empfanden
auch die deutschen Fugger die Verpflichtung zur Pflege
der Kunst.

Das Fuggersche Faktoreihaus, dem wir nach Anlage
und Ausschmückung mit gutem Recht den Namen eines
Palastes geben können, stand im alten Bankviertel Roms
in der Via del Consolato, und ist erst der neuzeitlichen
Anlage des Corso Vittorio Emanuele zum Opfer gefallen.
Zur malerischen Ausschmückung desselben ward kein ge-
ringerer herangezogen, als der Raffaelschüler Perino del
Vaga. Er hatte, wie Vasari berichtet, dem Erzbischof von
Cypern in dessen Garten Fresken hergestellt, die allge-
meinen Beifall fanden. »Das war auch die Ursache, daß
er den Fuggern, deutschen Kaufleuten, bekannt wurde,
welche das Werk des Perino gesehen und Gefallen daran

1) Die Fugger in Rom 1495 — 1523. Mit Studien zur
Geschichte des kirchlichen Finanzwesens jener Zeit. Von
Dr. A. Schulte. 1. Band: Darstellung. 2. Band: Urkunden.
Leipzig, Verlag von Duncker & Humblot. 1904.

gefunden hatten. Da diese nun in der Nähe der »Banchi«
ein Haus gebaut hatten, das dort ist, wo man zur Kirche
der Florentiner geht, so ließen sie sich dort von ihm einen
Hof machen und eine Loggia und viele Figuren, die des
Lobes würdig waren, das die anderen Werke seiner Hand
gewannen. In ihnen sieht man eine sehr schöne Manier
und eine sehr anmutige Grazie.« Ist diese Schöpfung
Perinos untergegangen, so erzählt ein Hauptwerk eines
anderen Raffaelschülers in der deutschen Kirche Maria dell'
Anima noch jetzt von dem Mäcenatentum Jakob Fuggers
und seiner Fürsorge für die Kirche seiner Landsleute Es
ist die heute den Hauptaltar schmückende »Heilige Familie«
Giulio Romanos, die allein und ganz abgesehen von der
Fülle anderer Kunstschätze und deutscher Erinnerungen
den deutschen Romfahrer nach der als Kunststätte wenig
besuchten Kirche ziehen sollte. Für die Würdigung der
Altartafel sei auf die eingehende Beschreibung hingewiesen,
die Schulte nach Vasari gibt.

Leider beschäftigt sich der bewährte Geschichtsforscher
nicht mit der gleichen Ausführlichkeit mit einem kunstge-
schichtlichen Rätsel, das eine nahe dem Fuggerbilde ge-
legene Seitenkapelle der deutschen Nationalkirche aufgibt,
der, soviel ich weiß, seit Gregorovius »Brandenburger Ka-
pelle« genannten Kapelle. Ich habe in meinen »Deutschen
in Rom«1) auf die unzweifelhaften Beziehungen hingewiesen,
welche den kunstsinnigen und in dieser Beziehung seinem
Gönner Leo X. nacheifernden Kardinal Albrecht von Branden-
burg mit dieser Kapelle verbinden, auch auf die Möglich-
keit, daß zwei bisher noch nicht bestimmte Porträts unter-
halb von großzügigen Fresken von Francesco Rossi Mit-
glieder der Familie Fugger darstellten. Denn Vasari gibt
als Auftraggeber für den ganzen malerischen Schmuck der
Kapelle einen deutschen Kaufmann an. Ich habe auch in
Nr. 30 der »Kunstchronik« 1901/02 unter Darlegung des
Tatbestandes um gütige Mitarbeit an der Lösung des
Rätsels gebeten. Leider umsonst! Und leider bringen auch
die Schulteschen Untersuchungen keine Aufklärung. Schulte
hat die Geneigtheit, auf meine Wahrnehmungen hinzuweisen
und sich auf sie zu verlassen, kann die Porträts mit Fuggern
jedoch nicht identifizieren (was ich ja auch nur mutmaßend
getan habe), und weist auf die Möglichkeit hin, daß in
Mainz eine besondere Kollekte für den Bau dieser Kapelle
betrieben sei; er schlägt dementsprechend vor, sie »Mainzer
Kapelle« zu nennen.

Wie es scheint, ist auch dem Leiter des Preußischen
Historischen Instituts das Archiv der Anima nicht zugäng-
lich gewesen. Man hütet die dort liegenden Schätze, ohne
bisher von ihnen gerade sehr ausgiebigen Gebrauch zu
machen, während es an jungen Arbeitskräften gerade dort
doch nicht fehlt. Das Schultesche Buch bringt die Notiz,
daß Herr Kaplan Dr. Schmidlin, dem Schulte einige No-
tizen verdankt, eine Geschichte der Anima »vorbereite«.
Die baldige Fertigstellung einer solchen, die Aufklärung
des Dunkels, das über der Baugeschichte der ganzen Kirche
und ihrer einzelnen Teile liegt, wäre im Interesse deutsch-
römischer kirchlicher, geschichtlicher und kunstgeschicht-
licher Forschung sehr zu begrüßen.

Mit den Ausführungen Schuhes über die persönliche
Kunstpflege der Fugger ist das kunstgeschichtliche Interesse
an seinem Buche nicht erschöpft. Von großer Wichtigkeit
für die deutsche Kunstgeschichte sind die Nachweisungen,
wie die vielgeschmähten und religiös ja auch durchaus
verwerflichen Ablässe die kirchliche Bautätigkeit Deutsch-
lands gefördert und belebt haben. »Wenn unsere in der
Zeit der ausgebildeten Geldwirtschaft stehende Gesellschaft
nicht imstande ist, für große kirchliche Bauten oder huma-

1) E. A. Seemann. 1902. S. 112.
 
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