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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Becker, F.: Das Jahrbuch der kgl. preussischen Kunstsammlungen
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0269

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521

Bücherschau

522

eine Darstellung von solchem Reichtum, von so starker
Bewegung und so klarer Ordnung, so abgewogen und im
einzelnen so durchgebildet und auf einem solchen Archi-
tekturschauplatze zu schaffen vermocht als allein Lionardo.
Manches Altertümliche verrät den Quattrocentokünstler,
manches die noch jugendliche Hand, aber das Ganze ist
eine geniale Arbeit, die ein Menschenalter ihrer Zeit voran
ist und den Geist der Hochrenaissance, wie ihn die Schule
von Athen atmet, aufweist. Höchst verwandt mit diesem
Stucco ist das früher von Bode selbst dem Verrocchio zu-
geschriebene Bronzerelief mit der Beweinung unter dem
Kreuz in Sa Maria del Carmine in Venedig, das sich durch
das Stifterporträt des Federigo von Montefeltre mit seinem
etwa dreijährigen Söhnchen Guidobaldo auf 1474/75 datieren
läßt. Und ebenso schließt sich diesen beiden Reliefs
das in der Architektur und allen künstlerischen Mitteln
ähnliche, nur etwas weniger ausgereifte Bronzerelief mit
der Stäupung Christi in der Universitätssammlung zu
Perugia an. Noch früherer Zeit soll dann eine Plakette
mit dem Parisurteil in der Sammlung G. Dreyfus in Paris
angehören. Eine Verwandtschaft mit den genannten
Arbeiten ist wohl vorhanden, aber dieses schülerhafte
Werk bildet eine gradatio ad minus in dieser schönen
Reihe und würde eben nur Interesse haben, wenn es
sicher die früheste derartige Arbeit Lionardos wäre. Wie
es eigentlich von vornherein wahrscheinlich war, daß
Lionardo zu den gewaltigen Aufgaben seines Sforza- und
Trivulziomonumentes geschritten ist, nicht ohne vorher sich
in Reliefs versucht zu haben, so dürften auch Porträtbüsten
von seiner Hand vorauszusetzen sein, und der Hinweis
Bodes auf die Marmorbüste eines jungen Mädchens mit
dem Nelkenstrauß im Museo Nazionale in Florenz verdient
volle Beachtung.

In dem Aufsatze: Hugo van der Goes, eine Nachlese,
wendet Dr. Max J. Friedländer das den Archäologen so
geläufige, in der modernen Kunstgeschichte viel zu wenig
geübte Verfahren des Nachweises von verloren gegangenen
Meisterwerken in spätere Kopien an und zwar äußerst
scharfsichtig und feinfühlig und mit dem schönen Erfolge,
daß er gleich von einer ganzen Reihe von verloren ge-
gangenen Gemälden Hugos van der Goes durch Auffindung
von Kopien eine mehr oder weniger deutliche Vorstellung
verschafft. Die von K. van Mander erwähnte Begegnung
Davids mit Abigail hat Friedländer in vier Kopien aufge-
funden, von denen die besten im Museum zu Brüssel und
in der Sammlung Merzenich zu Cöln sind. Ganz sicher
und deutlich erkennt man auch die Typen und eigentümliche
Gestaltungsart Hugos van der Goes in der Teilkopie der
Beweinung Christi im Neapeler Museum und in der Kopie
einer figurenreichen Krönung Mariä in Triptychonform
im Buckingham Palace. Sehr interessant ist auch der
überzeugende Nachweis, daß wir in der Anbetung der
Könige von Gerard David in der Münchener Pinakothek
eine freie Kopie eines Gemäldes von van der Goes haben,
von dem sich eine zweite, in der Arbeit geringere, aber
treuere Kopie im Depot der Berliner Galerie befindet.
In dem Triptychon mit der Anbetung der Könige im Be-
sitze des Herrn Durlacher, das sonst aus Entlehnungen
zusammengesetzt ist, kann man aber, wenigstens in der
Abbildung, auch nichts mehr von H. v. d. Goes Spuren
erkennen. Eine eigenhändige, freilich sehr ruinierte Arbeit
H. v. d. Goes sieht Friedländer wohl ganz mit Recht in
einem Leinwandbilde mit der Gruppe des klagenden
Johannes, der Maria, Magdalena und zwei Frauen, in der
Berliner Galerie.

Weiterhin bringt das Heft auch einen interessanten
Beitrag zur Dürerforschung durch eine Studie S. M.
Peartrees über eine Zeichnung aus Dürers Wanderjahren.

Es ist eine Federzeichnung mit der Darstellung eines
Liebespaares in der Hamburger Kunsthalle. Entgegen
Lippmann, der die Autorschaft Dürers an diesem Blatte
beanstandete, unternimmt es der Verfasser die Zeichnung
als eine Jugendarbeit Dürers und zwar als ein Selbstporträt
des etwa 22jährigen Künstlers und als ein Bindeglied
zwischen sicheren Jugendarbeiten und den Baseler Illustra-
tionen zu erweisen. Kann man diesem Blatte gegenüber
noch nicht allen Bedenken Valet sagen, so spricht doch
eine hohe Wahrscheinlichkeit für Dürers Hand, und auf
jeden Fall kann man dem Verfasser Dank wissen, daß er
es in die Literatur eingeführt und zugleich mit einer vor-
trefflichen Lichtdruckreproduktion der Reichsdruckerei zu
nachprüfenden Studien darbietet.

Es fügt sich gut, daß im Anschluß an das Dürerblatt,
bei dessen Darstellung man sofort an das Liebespaar des
Hausbuchmeisters denkt, auch von dem Funde einer
Zeichnung dieses trefflichen Anonymus berichtet werden
kann. Professor J. Springer bespricht dieses kleine Blatt,
eine Darstellung eines Mannes in langem Mantel, und
reiht es den bisher bekannten drei sicheren Zeichnungen
des Meisters an. Geheimrat Bode fand es auf dem Buch-
deckel eines Lyoner Druckes von 1558 eingeklebt und
bestimmte es zuerst. f. Becker.

BÜCHERSCHAU
Corrado Ricci. // palazzo pubblico di Siena e la mostra

d'anüca arte senese. Collezione di monografie illustrate.

Serie Va. Raccolte d'arte I. Bergamo, Istituto italiano

d'arti grafiche 1904.

Fast gleichzeitig mit dem offiziellen Katalog, der erst
fertiggestellt werden konnte, als die Ausstellung bereits
wochenlang geöffnet war, erscheint eine Publikation, die
für den Besucher der Ausstellung ein willkommenes An-
denken, für alle anderen aber ein nützliches Handbuch
bilden wird, sich über die wesentlichsten Stücke der mostra
zu informieren. Herausgeber ist derjenige, der die Aus-
stellung zusammengebracht und geordnet hat; sein Text
beschränkt sich auf kurze Noten, die alle erwünschte Aus-
kunftgeben; die publizierende Firma, das rührige graphische
Institut in Bergamo, das unter anderen die illustrierte
Monatsschrift »Emporium« — worin fast in jedem Heft
ein den Kunsthistoriker interessierender Beitrag — und eine
Serie von Städteführern, nach dem Muster von Seemanns
Städtebildern, herausgibt.

Die Publikation erklärt 215 Illustrationen, die zum
Teil den Palazzo pubblico und seine bekannten Monumente,
in der Hauptsache aber Gegenstände der Ausstellung
wiedergeben. Hier sind alle Abteilungen berücksichtigt und
jeder, auch wer sich speziell für Kunstgewerbe interessiert,
kommt zu seinem Recht. Besonders sei auf die Wieder-
gabe einer Zahl von Holzstatuen, sowie der schönsten
Reliquiare hingewiesen, und betont, daß eine große Zahl
von Aufnahmen nicht im Handel sind, sondern für eben
diese Publikation gemacht werden.

Es sollen weitere Veröffentlichungen folgen, die jedes-
mal möglichst viel Abbildungen mitteilen. Zunächst ist
eine Publikation über Ravenna in Aussicht genommen.

a. Gr.

Die Eyck-Frage kommt wieder in Iebhaften;,Fluß.
Begreiflich nach dem Eindruck, den die Ausstellungen der
»Primitiven« in Brügge und Paris auf Laien und Fachleute
gemacht haben. Unter verschiedenen Autoren, die über
diese Frage arbeiten, hat Max Dvorak in der Geschwin-
digkeit, mit der er zum Ziele gelangt ist, den Rekord er-
reicht, ob auch in der Lösung des »Rätsels« wollen wir erst
entscheiden, wenn die übrigen Arbeiten vorliegen werden.
Nur so viel sei hier gleich gesagt, daß der Verfasser des
 
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