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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schmidt, Karl Eugen: Die ausländische Kunst in St. Louis
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0273

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

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Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XV. Jahrgang 1903/1904 Nr. 32. 9. September

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haas enstein 81 Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE AUSLÄNDISCHE KUNST IN ST. LOUIS

Allgemein war in Deutschland die Befürchtung,
daß die deutsche Kunst sich auf der St. Louiser Aus-
stellung infolge des Ausbleibens der Sezessionen eine
schwere Schlappe zuziehen werde. Diese Befürchtung
war sehr berechtigt, aber die Deutschen haben bei
dieser Gelegenheit, wenn der Ausdruck gestattet ist,
mehr Glück als Verstand gehabt. Vielleicht wäre es
noch richtiger zu sagen: die Deutschen haben mehr
Glück als die Franzosen Verstand gehabt. Denn die
einzige wirklich den Deutschen Künstlern furchtbare
Konkurrenz ist die französische, und diese hat es
nicht im geringsten verstanden, aus dem unvollstän-
digen und unvorteilhaften Auftreten der Deutschen
Nutzen zu ziehen. Die englische Konkurrenz fällt
weniger ins Gewicht, sowohl im allgemeinen, als auch
im besonderen Falle dieser Ausstellung. Für die Ver-
einigten Staaten existiert eigentlich nur ein Kunstland:
Frankreich. Vor einigen Monaten habe ich an dieser
Stelle die Zahlen angegeben, welche zeigen, in welchem
Verhältnis deutsche und französische Kunst in den
amerikanischen Museen vertreten sind. Aul ein deutsches
Bild in einer öffentlichen Sammlung Amerikas kommen
etwa zehn französische Werke. Paris ist also für die
Vereinigten Staaten der fast ausschließliche Kunstmarkt.

Nun wurde den deutschen Künstlern durch die
St. Louiser Ausstellung eine so leicht nicht wieder-
kehrende, vielleicht nie mehr sich darbietende Gelegen-
heit geboten, der französischen Konkurrenz scharf auf
den Leib zu rücken. Leider wurde sie verpaßt, und
ich glaube nicht, daß eine solche Gelegenheit je
wiederkommen wird. Es mögen ja vielleicht noch
Weltausstellungen in den Vereinigten Staaten stattfin-
den, wenn auch nicht in den nächsten zehn Jahren,
aber Frankreich wird dann wohl ein anderes Gesicht
zeigen als diesmal. Hier in St. Louis hatte die deutsche
Kunst deshalb eine so herrliche Gelegenheit, den fran-
zösischen Konkurrenten auszustechen, weil die franzö-
sische Abteilung mit so wenig Verstand ausgewählt
und eingerichtet ist, wie nur jemals ein Reich regiert
wurde. Das ist so arg, daß die deutsche Abteilung
trotz dem Fehlen der besten neuen Namen einen weit
besseren Eindruck als die französische macht. Ich will

nicht sagen, daß sie besser ist, aber sie sieht weit
besser aus, und alles in allem genommen, dürfte auch
die Qualität der gezeigten Werke nicht hinter der der
französischen Arbeiten zurückbleiben.

Nach dieser Bemerkung können Sie sich denken,
wie elend die französische Abteilung aussieht. Um
erstens von der Auswahl der hier gezeigten Werke
zu sprechen, muß konstatiert werden, daß man Krethi
und Plethi zugelassen hat. Wem immer einmal das
Glück einer goldenen, silbernen oder bronzenen Me-
daille im Salon zuteil geworden ist, dem wurde die
Sendung eines Bildes nach St. Louis gestattet, und
einige der Aussteller dürfen sich nicht einmal einer
solchen Medaille rühmen. So haben die Franzosen
mit allem, also Malerei, Plastik, Architektur, Griffel-
kunst und Kunstgewerbe 1443 Nummern zusammen-
gebracht, beinahe so viel wie sie im kleineren Salon
alljährlich zu zeigen pflegen. Das Deutsche Reich hat
im Katalog 640 Nummern, davon sind aber 74 in
der kunstgewerblichen Abteilung im Gebäude für ver-
schiedene Industrien untergebracht. Und das Deutsche
Reich hat in der bildenden Kunst genau ebensoviel
Platz wie Frankreich. In dem nämlichen Raum, wo
die Franzosen 1443 Arbeiten zeigen, stellen die
Deutschen 566 aus. Das heißt mit anderen Worten:
bei den Franzosen sieht es aus wie in der Rumpel-
kammer, oder besten Falles wie in dem Laden eines
Kunsthändlers. Die Wände sind bis oben vollgehängt,
und überall stehen Glasschränke und Skulpturen herum.
Und das ist mit einer Geschmacklosigkeit gemacht,
die eine rührende Ähnlichkeit mit der elenden Ein-
richtung der Pariser Salons hat. In Paris versteht es
jeder Kaufmann und jedes Ladenmädchen, seine Aus-
lage so geschmackvoll und schön zu arrangieren, wie
es der deutsche oder englische Konkurrent nimmer-
mehr fertig bringt. Die Pariser Künstler aber haben
nicht den Schatten einer Ahnung von der Kunst, einen
Ausstellungsraum würdig und schön herzurichten. Sie
belegen ihre Wände mit einem ochsenblutroten Stoff
und hängen dann die Bilder dahin, wie sie ihrer
Größe nach passen. Ob sie sonst im Ton zusammen-
klingen oder ob eins das andere tötet, ist dem Bilder-
hänger einerlei. Wie einerlei, kann man daraus er-
messen, daß die Bilder nach dem Alphabet gehängt
 
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