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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Schmidt, Karl Eugen: Die amerikanische Kunst auf der St. Louiser Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0289

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XV. Jahrgang 1903/1904 Nr. 33. 30. September

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haas enstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE AMERIKANISCHE KUNST AUF DER
ST. LOUISER AUSSTELLUNG

Die Amerikaner haben für sich allein ein ganzes
Gebäude mit Kunstwerken angefüllt. Es ist das ein
sehr hübscher und einfacher, wirklich vornehmer Bau
aus festem Stein, der hinter der großen Kuppel der
Festhalle auf dem Hügel liegt, von wo er nach Weg-
räumung der ephemeren Ausstellungsbauten würdig
in die Ebene hinabschauen wird. Denn dieser Palast
soll nicht mit der Weltausstellung verschwinden, son-
dern als Museum der bildenden Kunst erhalten bleiben.
Ähnlich haben es ja vor vier Jahren auch die Pariser
gemacht, als sie das Grand und das Petit Palais an
den Champs Elysees aus dauerndem Material auf-
führten und für Museums- und Ausstellungszwecke
beibehielten. Aber es muß gesagt werden, daß das
neue St. Louiser Museum sowohl an eindrucksvoller
Würde und Einfachheit seiner Fassaden, wie an prak-
tischer Nutzbarkeit den beiden Pariser Bauten weit
überlegen ist. Während die ephemeren Ausstellungs-
bauten mit skulpturellem Schmuck überladen und
überhaupt zu stark herausgeputzt sind, imponiert der
Kunstpalast durch einfach schöne Formen, denen sich
die wenigen Rund- und Flachfiguren gehorsam unter-
ordnen. Am Grand Palais in Paris sitzen die zwanzig
oder dreißig Marmorgruppen zwischen den Säulen
der Kolonnade, ohne da überhaupt hinzugehören.
Irgendwo anders würden sie sich ebenso schlecht aus-
nehmen.

St. Louis wird also nach der Ausstellung ein
schönes und würdiges Museum besitzen, dessen ein-
ziger Fehler die weite Entfernung von der Stadt sein
wird. In der Stadt selbst haben die St. Louiser schon
seit zwanzig oder dreißig Jahren einen sehr hübschen
Museumsbau, der aber wie der Pariser Louvre alle
möglichen Schätze beherbergt, wie sie gerade vom
Glück und von der Laune der freigebigen Schenker
zusammengebracht wurden. Das Museum kauft aller-
dings auch selbst, in der Hauptsache aber ist es auf
Schenkungen angewiesen. Nur ein einziger ziemlich
großer Saal im oberen Stockwerk, abgesehen von den
Wänden im Treppenhaus, steht in diesem Museum
der Malerei zur Verfügung, und deshalb reicht, wie
beim Pariser Luxembourg, der Raum lange nicht zum
Zeigen des ganzen Besitzstandes aus. Kaum der
zehnte Teil ist den Besuchern zugänglich, der große

Rest liegt oder steht verborgen in den Magazinen.
So ist mir unter den Gemälden, die jetzt hier hängen,
nur ein einziges aus meinem früheren Aufenthalte er-
innerlich, alle anderen sind neu, und einige davon
habe ich schon im Pariser Salon gesehen. Um eine
Idee davon zu geben, was die Amerikaner in Europa
einkaufen, seien die gegenwärtig im St. Louiser Mu-
seum hängenden europäischen Bilder kurz genannt.
Da ist erstens ein ausgezeichneter Lavery, der vor
einem Jahr in Paris war, ein weibliches Bildnis, das
im Salon als Le chou bleu bezeichnet war, wenn ich
nicht irre, außerdem ein kleinerer, ebenfalls sehr guter
und charakteristischer Lavery. Zwei mäßige Porträts
von Blanche, ein sehr guter Cottet aus seiner vene-
zianischen Zeit, ein großer Julien Dupre, der schon
vor zwölf Jahren hier war, zwei kleine und hübsche
Strandbilder von Morrice und zwei nicht besonders
gute, aber doch die Note des Meisters gebende Aman-
Jean bilden den Anteil Frankreichs, wenn man nicht
den in Paris lebenden Italiener Boldini, von dem ein
sehr gutes männliches Bildnis da ist, zu den Franzosen
rechnen will; die Deutschen sind vertreten durch ein
vortreffliches Fischermädchen von Hans Bartels, ein
gutes Porträt von dem in London lebenden Kölner
Neven du Mont, durch den von den Furien verfolgten
Verbrecher Franz Stucks und durch den Mann mit
den Papageien von Liebermann. Außerdem hat der
Holländer Willem Mesdag und der Belgier Emil Claus
ein Bild in dieser Sammlung. Das gänzliche Fehlen
großer amerikanischer Namen ist sehr auffallend.
Weder Whistler noch Sargent, Alexander, Melchers,
noch überhaupt irgend einer der in Europa bekannten
amerikanischen Meister hat etwas in diesem Museum,
wo also die europäische Kunst besser vertreten ist,
als die heimische. Möglich, daß die Magazine gute
amerikanische Sachen bergen, die später in dem neuen
Museum, wo hinreichend Platz ist, Unterkunft finden
werden.

Das neue Museum ist, wie die umliegenden drei
anderen Kunstpaläste, ein einstöckiger Bau ohne Fenster.
Alle Säle empfangen ihr Licht von oben, und dieses
Licht ist durchgängig gut. Das Fehlen der Fenster
scheint mir sehr praktisch, weil dadurch große Wand-
flächen für das Aufhängen der Bilder gewonnen wer-
den. Selbst wenn ein Fenster nur einen kleinen Teil
der Wand einnimmt, ist doch die ganze Wand wegen
dem hier herrschenden ungünstigen Lichte für die
 
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