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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Wolff-Beckh, Bruno: Paul Thumann
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Steinmann, Ernst: Zur Restauration der Sixtinadecke
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https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0293

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56g

Zur Restauration

der Sixtinadecke

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freude erfülltes und mit Olücksgütern gesegnetes Leben
führt.

Von Leipzig ging die Familie Thumann nach Weimar,
wo der Künstler, obwohl als Illustrator schon bekannt und
anerkannt, sich nochmals lernend an den inzwischen an
die dortige Kunstschule berufenen Pauwels anschloß und
1866 schon selber Professor und Lehrer an der Kunstschule
wurde. Das Jahr 1865 führte ihn zum erstenmale nach
Italien, 1866 nach London und 1867 nach Paris.

In seiner Weimaraner Zeit bot sich für Thumann eine
Aufgabe, die ihm Gelegenheit gab, sein künstlerisches
Können mit besonderer Kraft zu entfalten: die Aus-
schmückung der Wartburg durch fünf Gemälde aus dem
Leben und Wirken des Reformators. Der Künstler schuf
in Weimar auf Veranlassung der Tiedge-Stiftung und des
Großherzogs von Sachsen-Weimar als erstes dieser Bilder:
»Luther verbrennt die Bannbulle« und alsbald im Auftrage
des Vereins für historische Kunst: »Luthers Trauung mit
Katharina von Bora«. Nirgends besser als in Weimar
konnte der Künstler den starrköpfigen Menschenschlag des
Reformationszeitalters studieren. Leben doch hier die
Nachkommen derselben und befinden sich doch imWeimar-
schen allenthalben Werke Lukas Cranachs, des vortreff-
lichen Porträtisten jener Zeit. Gleichwohl sehnte sich Thu-
mann wieder nach größeren Verhältnissen und wandte sich
1870 nach einem mehrwöchigen Abstecher auf den Kriegs-
schauplatz wieder nach Dresden. Dort entstanden dann
die drei letzten, packendsten Lutherbilder: »Luther vor dem
Reichstag zu Worms«, »Luthers Entführung nach der Wart-
burg« und »Luthers Unterhaltung mit den Schweizer Stu-
denten im Bären zu Jena«, Werke von geistreicher Kon-
zeption und äußerst lebenswahrer Schilderung. Namentlich
die Teilnehmer des Wormser Reichstages zeigen Leben
und Mannigfaltigkeit und die Schweizer Studenten sind von
köstlicher Frische.

Der große Erfolg Thumanns mit diesen fünf Luther-
bildern brachte ihm 1875 einen Ruf als Lehrer an die Ber-
liner Akademie, dem er Folge leistete. Dort erhielt er
1876 die kleine goldene Medaille, wurde 1880 Mitglied der
Akademie der Künste, legte aber 1887 seine Lehrtätigkeit
nieder, nachdem dieselbe noch kurz vorher durch Verleihung
des Roten Adlerordens Anerkennung gefunden hatte. Die
nächsten Jahre sahen ihn dann zumeist in Italien.

In Berlin hat Thumann eine ganz andere Richtung
eingeschlagen, als er bis dahin gepflegt. Wohl beeinflußt
durch den dort zu jener Zeit noch vorherrschenden Schin-
kelschen Geschmack und vielleicht auch durch die Erfolge
Makarts, Feuerbachs und Alma Tademas, wandte er sich
antikisierenden Stoffen zu, die er gewissermaßen ins
Deutsche übertrug und dabei in eine so heitere Anmut
tauchte, wie sie nur die Goethesche Verarbeitung der glei-
chen Stoffe auf anderem Gebiete erreicht hat.

Auf seinem in dieser Zeit entstandenen Bilde »Fahren-
des Volk« schildert Thumann noch das Reformationszeit-
alter, aber schon mit munterer Schalkhaftigkeit, indem er
wälsche Gaukler und Gauklerinnen gibt, die an der Kloster-
pforte den frommen Mönchen gefährlich zu werden scheinen.
Damit nimmt der Künstler Abschied von der Reformations-
zeit, und seine nächsten Bilder, »Die unaufmerksame
Schülerin«, die ihrem jungen Lehrer nicht wenig zu schaffen
macht, »Sommerzeit« und »Liebesfrühling«, zeigen schon
dem antiken Leben entnommene Gestalten. Der allge-
meine Beifall, den der Künstler mit diesen Werken fand,
ließ ihn auf dem betretenen Wege weiterschreiten und
förderte sein Hauptwerk dieser Richtung, die berühmten
»Parzen«, die im Gegensatz zu dem schnell entstandenen
»Liebesfrühling« erst nach jahrelanger, sorgfältiger Feile
veröffentlicht wurden.

Neben diesen Werken entstanden zahlreiche Bildnisse
und Studienköpfe, sowie Illustrationen für Berthold Auer-
bachs Kalender, die »Spinnstube«, die »Deutschen Klas-
siker«, »Volkslieder«, »Deutsche Jugend«, »Enoch Arden«,
»Frauenliebe und Leben«, »Lebensbilder«, »Amor und
Psyche«, »Für Mutter und Kind«, zu »Heine«, zum »Ratten-
fänger«, zum »Vaterunser« und andere mehr.

Seit 1886 hat Thumann nicht mehr illustriert, nachdem
er mehr als 3000 Illustrationen geschaffen, sondern hat
nur noch Tafelbilder gemalt. In Italien entstand unter
anderem »Kunst bringt Gunst« (ein römischer Vasenmaler,
dem ein blondes Mädchen mit Interesse bei der Arbeit
zuschaut), Ende der neunziger Jahre in Berlin ausgestellt
gewesen, »Amor und Psyche« (zwei liebliche Gestalten,
sich küssend), drei »Sirenen« als Seitenstück zu den »Par-
zen«, eine nicht weniger interessante Frauengruppe, die er
in München vollendete.

Im Jahre 1892 wurde dem Künstler ein Meisteratelier
in der Berliner akademischen Hochschule übertragen. An
dieser Lehrtätigkeit, die er noch regelmäßig ausübt, findet
der Meister seine Freude. Er hat dort meist nur zwei
bis drei Schüler, die schon selbständig ausübende Künstler
sind und sich nur noch den letzten Schliff bei ihm holen
wollen. In seiner Eigenschaft als Lehrer erhielt er 1902
auch den Kronenorden III. Klasse.

Nebenher schuf der Künstler immer noch selber Neues,
so eine »Madonna«, die frisch aus dem Atelier vom Kaiser
von Rußland erworben wurde und wohl 1899 ln Berlin
ausgestellt war, »Nymphenbad« (Akt eines blonden Mäd-
chens), »Ernte« (Italienerin pflückt Orangen) und noch viele
andere anmutige Szenen.

Wie sorgfältig Paul Thumann oft an seinen Werken
feilt, ersieht man besonders daraus, daß er jetzt dabei ist,
seine längst als Photographien verbreiteten Gemälde
»Quellnymphe«, »Winter« und »Echo«, lauter interessante
Gestalten, gänzlich umzuarbeiten, während wiederum viele
andere seiner Bilder sogleich auf den ersten Wurf das ge-
worden sind, was der Künstler sich vorgesetzt hatte. Den
größeren Erfolg hatten bald die einen, bald die anderen.

Trotz des großen Beifalls, den der Meister auch mit
seiner jetzigen antikisierenden Richtung gefunden hat,
schätzt er selber doch seine fünf Lutherbilder auf der
Wartburg als die Höhe seines Lebenswerkes. Und es ist
richtig: Wer sich tiefer in diese Kunstwerke hineinschaut,
der entdeckt immer neue Schönheiten darin. Auf der
Wartburg stehen sie unter der Obhut des kunstverstän-
digen Schloßhauptmanns, Major z. D. von Cranach, der
zu den aufrichtigen Bewunderern Thumanns zählt und
ein ausgezeichneter Interpret der Lutherbilder ist; wer
das Glück hat, von ihm geführt zu werden, dem geht erst
so recht das Verständnis dafür auf, was Paul Thumann

dort geschaffen. Bruno Wolff-Beckh.

ZUR RESTAURATION DER SIXTINADECKE

Von Ernst Steinmann

Eine im Leben Michelangelos von Giuseppe Piacenza
(Torino 1812, pag. 58) gefundene Notiz gibt mir Veran-
lassung, noch einmal auf die Restaurationsarbeiten an der
Decke der Sixtinischen Kapelle zurückzukommen. Bei der
Besprechung der verschiedenen Übermalungen des jüngsten
Gerichtes äußert sich dieser Autor wie folgt: »Auch
zur Zeit Pius V. (1566—1572), nach dem Tode des
Daniello da Volterra, wurde dem Girolamo da Fano, einem
tüchtigen Maler, der Auftrag erteilt, die Nuditäten dieses
Gerichtes zu bedecken. Dieser Girolamo — sei es, daß
er sich scheute, jene Gemälde zu berühren, sei es, daß
andere, mehr künstlerische Aufgaben ihn beschäftigten —
 
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