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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [1]
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Wolf, August: Neues aus Venedig, [1]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0018

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Neues aus Venedig — Bücherschau

20

Gesellschaften bei seiner Gründung mitgespielt. Es
ist menschlich sehr natürlich und begreiflich, daß ein
jeder zuerst für sich selbst sorge, und daher kommt
es, daß die Besitzenden an ihrem Besitze festhalten,
während die Besitzlosen sich seiner zu bemächtigen
suchen. Die Leute, die man früher bei den Artistes
fran^ais stiefmütterlich behandelte und die aus diesem
Grunde die Societe nationale gegründet haben, sind
jetzt die Besitzenden, und es geht ihnen viel besser,
als es den Leuten im alten Salon jemals gegangen
ist. Dort darf selbst der ehrwürdigste Akademiker
nicht mehr als zwei Bilder ausstellen, im Champ de
Mars darf er mit einem halben Dutzend ankommen.
Und natürlich benützen die beati possidentes diese
Vergünstigung, und die jungen Streber klopfen ver-
gebens an die Pforten: für sie ist eben kein Platz
mehr da.

Also ist der Herbstsalon gegründet worden, der
im vorigen Jahre zum erstenmale seine Ausstellung
hatte. Diese fand in einem dunklen Keller statt, wo
man nur mit Hilfe der Elektrizität etwas sehen konnte.
In diesem Jahre haben sich die Veranstalter des Herbst-
salons für eine nochmalige Einräumung des Erdge-
schosses des Petit Palais höflichst bedankt, und der
Unterrichtsminister war so freundlich, ihnen jenen
Flügel des Grand Palais zu überlassen, worin im
Frühjahr der Champ de Mars ausstellt. Und darüber
sind die Herren vom Champ de Mars, dessen Spitzen
ja jetzt auch würdige Akademiker sind, erschrocken
und in Zorn geraten. Herr Carolus Duran und seine
Leute haben erstens einen Protest gegen die Über-
lassung dieses Lokals an das Ministerium geschickt,
und außerdem haben sie erklärt, wer im Herbstsalon
ausstelle, dürfe nicht mehr im Salon der Societe natio-
nale ausstellen. Der gesamte alte und baufällige
Heerbann des Champ de Mars hat sich dieser ein-
fältigen, kleinlichen und unwürdigen Resolution ange-
schlossen ; dagegen protestieren die wirklich unab-
hängigen Künstler der Societe nationale gegen dieses
Verhalten, an ihrer Spitze Eugen Carriere, Besnard,
Raffaelli, Aman-Jean.

Sollte der Anhang Durans bei seinem Beschlüsse
beharren, so dürfte sehr leicht aus dem Herbstsalon
wirklich die Konkurrenz entstehen, die der Champ de
Mars verhüten möchte, und von der augenblicklich
noch nicht die Rede sein kann. Wenn alle die Leute,
welche gegen die Engherzigkeit des Komitees pro-
testieren, den Champ de Mars verlassen, dann wird
da ebenso akademische Langeweile und senile Impotenz
Trumpf sein wie nur jemals im alten Salon.

KARL EUOEN SCHMIDT.

NEUES AUS VENEDIG

Eine Anzahl hiesiger Persönlichkeiten haben ein
Komitee gebildet zum Zwecke eines Preisauschreibens und
nachfolgender Ausstellung bestellter Plakate und Exlibris.
Es ist der Vereinigung dieser Leute gelungen, eine Anzahl
Auftraggeber zu gewinnen. Wenn die Beteiligung der
Künstler dem guten Willen der Besteller entspricht, müßte
die auf Mitte Dezember festgesetzte Ausstellung der Pla-
kate und Exlibris sehr interessant werden. Das Preisaus-

schreiben ist nicht international, um diesem Kunstzweig
gerade für Italien eine bessere, wahrhaft künstlerische Rich-
tung zu geben. Es ist das erste Mal, daß in Italien der-
gleichen unternommen wird, da man sich hier bis jetzt
sehr wenig oder gar nicht um die anderswo sehr rege
Freude an den Exlibris besonders bekümmerte. Die Seele
der Unternehmung ist der bekannte hiesige tüchtige Archi-
tekt G. Sardi.

Die Hoffnung, daß sämtliche Wände der Kapelle in
SS. Apostoli mit Fresken bedeckt seien, hat sich als trüge-
risch erwiesen. Man hat mehrfache Versuche angestellt,
doch blieben die Entdeckungen auf die schon erwähnte
Kreuzabnahme und Grablegung beschränkt. Man hat nun
das Aufgedeckte so gesichert, daß die ganze Malerei als
eine Nische füllend erscheint. Man hat sich bei dieser
Gelegenheit auch die schöne Renaissancekapelle Cornaro
besehen und fand, daß die zwei großen Beichtstühle die-
selbe lange genug entstellt hätten: sie wurden entfernt.
So kamen die schönen Inschriften der prächtigen Grab-
mäler Cornaro zutage. Sie umschließen die Gebeine des
Marco und Girolamo. Marco Cornaro war der Vater der
Catarina Cornaro, Königin von Cypern. Die prächtige
Kapelle, welche auf dem Altare eines der schönsten Ge-
mälde G. B. Tiepolos in sich schließt, bildet mit den oben
genannten kürzlich entdeckten Fresken des 14. Jahrhunderts
die einzigen Überbleibsel der alten Kirche, welche 1575
den Einsturz drohte und 1752 völlig, und leider sehr häß-
lich erneuert wurde.

Aus Piove di Sacco (Provinz Padova) läuft die Nach-
richt ein von einem dort soeben entdeckten Gemälde des
Giov. Bellini (Madonna delle grazie) und einem vergessenen
Bilde Tiepolos: Madonna del Rosario. Im Stadthause zu
Feltre hat der hiesige Bildhauer Dal Zotto Fresken des
Morto da Feltre unter der Tünche entdeckt. Bei der sehr
eingehenden Restauration der Frarikirche werden fort und
fort neue ornamentale Fresken der Wölbungen entdeckt.
Neuerdings in den drei Kapellen rechts vom Chor. Sie
zeigen den Stil des 15. Jahrhunderts und leuchten in
wenigen aber sehr harmonischen Farben. Wir sind, wie
man sieht, inmitten einer Periode großen Entdeckungs-
eifers, was nur mit Freuden begrüßt werden kann.

Die Fassade von S. Stefano wird zur Zeit durch den
Architekten Sardi in ihrer ursprünglichen Gestalt hergestellt.
Es werden die in der Barockzeit vermauerten gotischen
Fenster wieder geöffnet. A. WOLF.

BÜCHERSCHAU
The art of James McNeill Whistler. An appreciation
by T. R. Way and G. R. Dennis. London, G. Bell & Sons,
1903.

Die Tatsache, daß in kurzer Zeit eine Neuauflage vor-
liegenden Buches notwendig wurde, beweist deutlich, daß
das Publikum über die Kunst Whistlers sich durch Wort
und Bild zu belehren wünscht. Die Verfasser schrieben
zu Lebzeiten Whistlers (das Buch war in der Presse, als
ein plötzlicher Tod sein Leben endete); das hat ihnen ge-
wisse Reserven auferlegt, denn wer über Whistler schrieb,
mußte fürchten, daß der Maler eines seiner immer
treffenden Spottworte gegen ihn entsenden würde. Selbst
die da lobten, waren vor ihm nicht ganz sicher.

Vielleicht hat dadurch die Darstellung etwas Sachlich-
Kühles erhalten, das zu der Bewunderung, welche die
Verfasser überall bekunden, in gewissem Gegensatz steht.
Freilich gibt ihr dies den Charakter der Zuverlässigkeit
und so mag sie zur Zeit am besten über die Entstehung
der Schöpfungen Whistlers Aufschluß geben.

Der erste Abschnitt gibt über den äußeren Lebens-
 
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