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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Schleinitz, Otto von: Die Watts-Ausstellung in der Londoner Akademie
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Das neue italienische Antikengesetz
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0107

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197

Das neue italienische Antikengesetz

»Fortschritt«, »Fiesole«, »Die Kindheit Jupiters«,
»Sir Galahad«, »Am Vorabend des Friedens«, »Zeit,
Tod und Gericht«, das vorzügliche Porträt Walter
Cranes, Lord Roberts, Balfours und Watts Adoptiv-
tochter »Lilian«. In dem Porträt »Ophelia«, das
die Züge von der Schauspielerin Ellen Terry, seiner
ersten Gattin, trägt, hat Watts es verstanden, wie
es kaum einem Künstler zuvor gelungen, den Aus-
druck von Liebeselend und erloschenem Gedächtnis
zur Anschauung zu bringen. »Triumphierende Liebe«
will der Meister ausdrücklich als Pendant zu »Zeit,
Tod und Gericht« aufgefaßt wissen. Die triumphie-
rende, geflügelte Liebe schwingt sich siegreich, mit
dankerfülltem Blick, emporgehobenen Armen und Gott
preisend zu den Wolken empor. Zu ihren Füßen
liegen keine irdischen Gestalten, sondern die deutlich
erkennbar überwundenen und symbolisierten Figuren
»Zeit« und »Tod« aus dem bezüglichen Bilde. Auch
dies hochpoetische Gemälde zählt der Maler des Todes
und der Liebe zu seinen Lieblingswerken.

Endlich bieten die drei zur Besichtigung gebotenen
Landschaften als Allegorien eine intimere Bezüglich-
keit auf den Meister selbst. Die betreffenden Titel
lauten: »Die beiden Wege«, eine Anspielung auf eine
von Ruskin verfaßte, mit gleicher Überschrift versehene
Abhandlung; alsdann »Das Ende des Tages«, in
welchem die untergehende Sonne eine wesentliche
und nur zu verständliche Rolle spielt, und endlich
»Grüner Sommer«. Hier besagt der mitten unter
seinen mit frischem Laub bedeckten jüngeren Ge-
fährten fast kahl zum Himmel strebende, mächtige,
aber dem Ausgehen bereits bedenklich nahe Baum-
stamm leider deutlich genug, wer hier gemeint sein
sollte! Wir haben in diesen Werken mehr ideale
Visionen vor uns, als gerade Landschaftsbilder im
wörtlichen Sinne. Bemerkenswert erscheint der Um-
stand, daß gegen Ende seiner Laufbahn des Künstlers
landschafsliche Szenerien mehr als früher zu einem
helleren Kolorit neigen.

Michelangelos Ausspruch: »Wenn es möglich ist,
im Jenseits Statuen zu formen und zu malen, so
werde ich es sicher dort tun,« kann man getrost
auch Watts in den Mund legen. Nicht minder lassen
sich die Michelangelo geltenden Worte der Vittoria
Colonna, daß, wer nur seine Werke bewundert, das
geringste an ihm schätzte, in gewisser Hinsicht gleich-
falls auf den ideenreichen und Pläne entwerfenden
Watts anwenden. Er war als Mensch ebenso groß
wie als Künstler, ja eine so einzig dastehende Per-
sönlichkeit, wie sie in unserer modernen Zeit wohl
kaum noch zum zweitenmal in die Erscheinung treten
wird! O. v. SCHLEINITZ.

DAS NEUE ITALIENISCHE ANTIKENGESETZ

Wie übel beraten man im italienischen Unterrichts-
ministerium gewesen ist, als man das berühmte oder be-
rüchtigte Antikengesetz erließ, scheint allmählich dem
Ministerium selbst klar zu werden. Wenigstens darf man
das aus einem Artikel schließen, der soeben in der »Arte
e Storia« aus der Feder von Romolo Artioli erschienen ist.
Es heißt dort: »Alle wissen, wie sehr das neue allgemeine

Oesetz über die Erhaltung der Denkmäler, Altertümer und
Kunstgegenstände in seiner Anwendung als mangelhaft
und voll von Fehlern sich erwiesen hat, so daß es in Italien
sowohl wie im Ausland eine gewaltige Masse von Beschwer-
den darüber veranlaßt hat. Ich erwähne z. B. die Para-
graphen, die sich auf die photographische Wiedergabe von
Denkmälern und Kunstgegenständen beziehen, das uns
besonders hier in Florenz schwer getroffen hat. Während
ich mich in meinen freien Augenblicken mit einer unbe-
fangenen Prüfung des ganzen Gesetzes beschäftige, erfahre
ich zu meinem großen Vergnügen, daß Seine Exzellenz
Orlando mit dem Rundschreiben Nr. 95, vom 4. Oktober
datiert, aber jetzt erst zur öffenllichen Kenntnis gebracht,
sich an die Museums- und Oaleriedirektoren und an die
Vorsteher der Ausgrabungen (warum nicht auch an die
Vorsteher der Behörden, welche die Ausfuhr von Alter-
tümern und Kunstwerken zu kontrollieren haben, sowie
an die Provinzialbehörden, denen die Aufsicht über die
Erhaltung der Altertümer und Kunstwerke obliegt) ge-
wendet und sie aufgefordert hat, ihm ihre Erfahrungen
und Beobachtungen mit Bezug auf das neue Gesetz in
seiner praktischen Anwendung mitzuteilen, also anzugeben,
wo es und warum es fehlerhaft erscheint und wie es
wohl verbessert werden könnte, alles, um eine Summe von
Beobachtungen und Vorschlägen in der Hand zu haben,
was für die zur Verbesserung des fraglichen Gesetzes not-
wendigen Studien von größtem Vorteil ist. — Hier erlauben
wir uns hinzuzufügen, daß solche Studien sobald wie mög-
lich angestellt werden müßten. Der Gedanke ist gut —
man möchte ihn eigentlich als ganz natürlich bezeichnen
— daß man sich an die Direktoren der Kunstinstitute
wendet, um Fingerzeige und Hinweise zu erhalten. Es
wäre überhaupt in allen Verwaltungen des Staates eine
sehr angebrachte und hübsche Gewohnheit, wenn bei
jedem neuen Gesetz oder jeder neuen Verfügung, die er-
lassen oder aber abgeändert werden soll, die Grundlagen von
den Direktoren der betreffenden Behörden eingeholt würden
und, nachdem die neuen Bestimmungen in Worte gefaßt
sind, diese den betreffenden Direktoren wieder vorgelegt
würden, damit sie sich gutachtlich darüber äußern. Die
Direktoren der Behörden, die über ganz Italien hin ver-
streut sind, und die täglich Gesetze und Bestimmungen
anzuwenden haben und die täglich in direkter Beziehung
mit dem Publikum stehen, wissen besser als die Zentral-
behörden, was not tut, was neu zu machen, was zu ver-
ändern, mitunter auch ganz abzuschaffen ist. Und so
wagen wir zu hoffen, daß jetzt bei der Verwaltung der
Altertümer und schönen Künste im Unterrichtsministerium
und bei den anderen Behörden immer so verfahren werden
wird; dann brauchen nicht nur viele Kommissionen nicht
ernannt zu werden, sondern es wird auch viel Papier und
Zeit erspart werden, und es werden die fortwährenden
Proteste und das ewige Herumverbessern an den Gesetzen
in Fortfall kommen.

Den vernünftigen Worten Rom. Artiolis wird, denke
ich, jeder Beifall zollen. Wunderbar ist nur, daß das be-
treffende Gesetz, das als Anhang zum Bullettino ufficiale
del Min. della pubbl. Istruz. vom 8. September erschienen
ist und am 1. November in Kraft treten sollte, das aber
noch nicht einmal heute von der betreffenden Tipografia
ausgegeben wird, schon am 4. Oktober verbesserungsfähig
erscheint. Wäre es da nicht viel besser gewesen, man
hätte mit der Veröffentlichung des Gesetzes noch etwas
gewartet und hätte vorher die Direktoren der Museen und
Galerien um ihre Meinung gefragt? Das betreffende Ge-
setz kann recht als Beweis dienen, wie hier die Gesetze
gemacht werden. Was geht es die Zentralstelle an, ob
durch ein solches Gesetz blühende Industrien vernichtet
 
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