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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Schmidt, Karl Eugen: Ein Kunstminister für Frankreich
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Simon, Karl: Hans Makart und Graf Athanasius Raczynski
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0122

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Hans Makart und Oraf Athanasius Raczynski

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köpften, Akademien verbrannten und staatliche Kunst-
tempel stürmten. Ebenso grimmig blieb Dujardin
auch als Deputierter. Er hat zwei- oder dreimal den
Bericht des Budgets der Kunst verfaßt und jedesmal
verlangt er darin die eingreifendsten Reformen, die
Abschaffung jedes alten Zopfes und die radikalsten
Neuerungen. Jetzt, wo er sie durchführen könnte,
oder wo er doch wenigstens den Versuch dazu
machen könnte, werden wir wohl bald sehen, daß
Versprechungen von Politikern selbst dann nichts
wert sind, wenn die betreffenden Politiker früher
Künstler gewesen sind. Jedenfalls kann man von
ihm nichts erwarten, wenn man nicht seine Worte,
sondern seine Malerei wägt.

Die Neuerung ist zu bedauern, weil der bisherige
Kunstdirektor Marcel ein sehr verständiger und ge-
schmackvoller Kenner ist. Er hatte den in den Kunst-
handel übergegangenen Direktor Roujon abgelöst, der
in seiner langen Amtsführung nie etwas anderes getan
hatte als bremsen. Roujon ist der kluge Mann
gewesen, der von dem Vermächtnis Caillebotte absolut
nichts wissen wollte. Diese Geschichte ist dermaßen
typisch für die Leitung der französischen Museen,
daß man sie nicht vergessen sollte, und wäre es auch
nur, um zu zeigen, daß es in gewissen Kunstsachen
in der Patrie des arts noch bedeutend schlimmer ist
als in Deutschland. Denn wenn man vor sieben
Jahren, als dieses passierte, irgend einem deutschen
Museum als Geschenk ein halbes Dutzend Manets,
ebensoviele Monets und dreißig oder vierzig Bilder
von Raffaelli, Pissarro, Sisley, Guoeneutte usw. (als
Geschenk!) angeboten hätte — wäre es denkbar ge-
wesen, daß das betreffende Museum das Geschenk
abgewiesen hätte? In Dinkelsbühl oder in Heidekrug
vielleicht, aber doch nicht in Berlin oder Wien, in
München oder in Hamburg oder in irgend einer
anderen Stadt von mehr als fünfzigtausend Einwohnern.
In Paris aber ist das passiert, und Caillebotte, der
die Kunstbonzen seines Vaterlandes kannte, hatte das
vorausgesehen. Er hatte sein Testament danach ein-
gerichtet und verfügt, seine Erben sollten seine Ge-
mälde so lange aufbewahren, bis der Staat die Stiftung
annehme und ihr einen besonderen Saal einräume.
Unter diesen Umständen lag es im Interesse der Erben,
die ja ihre Bilder nicht verkaufen konnten, einen Ver-
gleich zustande zu bringen. Da der Staat sich absolut
weigerte, die ganze Sammlung anzunehmen, einigte
man sich dahin, daß seine Beamten eine Anzahl
ihnen zusagender Bilder auswählten. Und der weise
Kunstrat verwarf die Hälfte der Manets, die Hälfte
der Monets, alle Cezannes und die Mehrzahl der
Sisleys, Pissarros, Raffaellis. Er verwarf eine Sammlung,
die heute in jeder Versteigerung mehrere hundert-
tausend Mark bringen würde.

An dieser Geschichte Caillebotte war der damalige
Kunstherrscher Roujon der Hauptschuldige. Sein
Nachfolger Marcel hätte sich so etwas nicht zu
Schulden kommen lassen. Er schätzte im Gegen-
teil gerade die nicht akademische Kunst und hätte
am liebsten alle Aufträge des Staates an Leute wie
Carriere, Besnard, Henri Martin vergeben. Unter

seiner Herrschaft kam auch die neulich erwähnte
Ausstellung von Lithographien Toulouse-Lautrecs im
Luxembourg zustande. Herr Roujon, der Manet und
Monet nicht geschenkt haben wollte, hätte einen
solchen Unfug nimmermehr geduldet. Toulouse-
Lautrec, ein Mensch, der weder den Rompreis besaß,
ja auch nur hors concours im Salon war! Und dem
zu Ehren eine Ausstellung im Nationalmuseum!
Nein, so was wäre unter Roujon nicht passiert.

Herr Marcel erfreut sich also des Vertrauens der
vorwärtsstrebenden Künstlerschaft und somit ist die
Neuerung vielleicht keine Verschlechterung, aber
sicher auch keine Besserung. Das Beste an der
Sache dürfte sein, daß das gegenwärtige Ministerium
wohl gar bald schon in der Versenkung verschwinden
könnte. Dann wäre es wol auch fertig mit dem
neuen Staatssekretär und Herr Marcel würde ganz
von selbst wieder in sein Amt eintreten.

KARL EUGEN SCHMIDT.

HANS MAKART
UND GRAF ATHANASIUS RACZYNSKI
Von Karl Simon

Unter den etwa 200 Kunstwerken der jetzt im
Kaiser Friedrich-Museum zu Posen aufgestellten Gräf-
lich Raczynskischen Kunstsammlungen befinden sich
auch zwei kleinere Ölgemälde von Makart. Das er-
scheint zunächst für eine Sammlung vielleicht auf-
fällig, deren Katalog der Graf Raczynski mit Cornelius
beginnen läßt, dessen »Name nicht durch Zufall hier
obenan steht«. Nimmt man aber dazu, daß der
Graf auch einen Böcklin erworben hat, so zeigt sich
schon darin, daß er bis zuletzt entwicklungs-
fähig geblieben ist, daß die Verehrung des Konturs
und der Linie ihn nicht blind gemacht hat gegen neue
Werte, die in der Zeit, wo er sich den Achtzigen
näherte, gebieterisch Beachtung forderten. Interessant
ist in dieser Hinsicht sein Briefwechsel, der Verhand-
lungen über die Erwerbung der beiden Makartschen
Bilder enthält1), von denen das eine die von Kindern
durch den Wald getragene Elfenkönigin, das andere
einen Kentaurenkampf darstellt. Der Graf war von
befreundeter Seite auf ein Werk Makarts aufmerksam
gemacht worden, das Kaulbach, der »Makart sehr
hoch stellt«, für sich erworben. Sofort »brennt er
vor Ungeduld«, das neue Talent kennen zu lernen
und bittet, durch einen »jungen hungrigen Anfänger«
ein Kontur des Gegenstandes machen zu lassen.
Kaulbach läßt ihm mitteilen, daß nicht im Kontur,
sondern in der Farbe »der ganze Reiz der Sache«
liege. Ähnlich äußert sich der damalige preußische
Gesandte in München, Baron von Werthern, der dies
Bild kurz charakterisiert. »Denken Sie sich ein Holz-
getäfel, gemalt, die Felder dazwischen einen Wald
von Brozeliand; der Himmel Goldgrund; als Staffage
ein verzaubertes Prinzeßchen, welches von Riesen ge-
tragen und begleitet wird. Die reizenden Details
werden Ihnen nicht entgehen. Wahrscheinlich werden

1) Aufbewahrt im Kaiser Friedrich-Museum zu Posen.
 
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