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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Simon, Karl: Hans Makart und Graf Athanasius Raczynski
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Kesser, Hermann: Rudolf Koller
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0124

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231

Rudolf Koller

232

Der Termin für die Ablieferung — Ende des
Jahres 1869 — war schon überschritten, da brachte
ein Auftrag des Kaisers von Österreich (ein Bildnis
der kleinen Erzherzogin Valerie als Überraschung für
die aus Rom zurückkehrende Kaiserin) neue Verzöge-
rung. Endlich am 24. Februar 1870 meldet ein Tele-
gramm den Abgang des Bildes von Wien; am 27.
übersendet der Graf die 500 Reichstaler mit einigen
liebenswürdigen Zeilen: »Das Bild entspricht meinen
Wünschen und Hoffnungen. Es macht mir große
Freude«.

Der lebhafte Enthusiasmus des gräflichen Mäcens
und seine Fähigkeit, sich in eine gänzlich neue Kunst-
richtung mit Verständnis hineinzudenken, tritt in dem
Briefwechsel ebenso hervor wie eine selbständige
Kritik im einzelnen; das klare Unterscheidungsver-
mögen von künstlerisch Wertvollem und menschlich
ihm Unsympathischen macht seinem künstlerischen
Geschmack wie seinem Charakter alle Ehre.

RUDOLF KOLLER

Der verstorbene Schweizer und Zürcher Künstler Rudolf
Koller gehörte für die weitere Kunstwelt schon seit Jahr-
zehnten zu den Toten. Wenn man bei seinem Ableben
das künstlerische Schaffen Kollers nochmals überblickt, so
geschieht es deshalb, weil Koller ein gutes Stück Schweizer
Kunstgeschichte versinnbildlicht und weil er als künstlerische
Persönlichkeit der Schweiz für immer genannt werden wird.
Er war das letzte Stück einer altfränkischen, fremden Welt,
ein vom Tode vergessener, den die Heimat liebte und
ehrte und zu dem selbst das moderne Schweizer Künstler-
geschlecht, mit dem Koller nichts mehr gemein hatte,
mit jener Verehrung aufblickte, die man den Männern,
die einst Gutes gaben und die alt geworden mit ihrem
Schaffenswerk abschlössen, niemals zu versagen pflegt. Zu
dieser Verehrung hat auch Böcklins Freundschaft ihren
Teil beigetragen.

Der große Romantiker war bis zum Ende seiner
Tage ein treuer Freund des Zürcher Tiermalers ge-
wesen. Koller und Böcklin waren zusammen in die
Lehre gegangen, hatten in Düsseldorf, Brüssel und Paris
gemeinsam studiert und der derb ehrliche künstlerische
Qrundton, der beider Kunstauffassung eigen war, hatte
das dauernde Bindeglied gegeben. Wir wissen es aus
den Biertischgesprächen, die uns Floercke überlieferte. Da
wird in jenem Atelierjargon, den sich Böcklin erlauben
durfte, mit Koller über Wesen und Zweck der Kunst ge-
sprochen, da erzählte Koller mit Stolz von seiner Gewandt-
heit in der Darstellung feiner Unterschiede der Kuhrassen
und läßt sein Glaubensbekenntnis schließlich in dem Satze
auslaufen: »Faune, Nymphen und Kentauren sind an sich
noch nicht malerischer als Geißbuben und Küh«. Es gibt
keine Rangliste für den Maler. Es kommt auf das »wie«
an, nicht auf das »was«. Sieht man sich das Lebenswerk
Kollers auf diese These hin an, so kann man über dieses
große Wort nicht ohne weiteres die Achseln zucken, man
muß mindestens die Dauerhaftigkeit Kollers schätzen, mit
der er seiner Auffassung treu geblieben ist, ein früh ge-
borener Naturalist, der im guten Glauben lebte, es bis
zum Ende seiner Tage geblieben zu sein.

Koller hätte nicht sein Stoffgebiet einer Materie ent-
nehmen müssen, die in einem Lande, wo die Rinderzucht
zu Hause ist, so hoch eingeschätzt wird, um nicht einer
der bekanntesten und beliebtesten Schweizer Künstler zu |

werden. Man muß weit gehen, um in der Schweiz einen
Künstler kennen zu lernen, der so wie Koller von dem
Volksempfinden der Menge Besitz ergriffen hat und so
wie Koller selbst dem kleinen Mann, der sich sonst um
Kunst wenig kümmert, vertraut ist. Wo man sich in der
Schweiz für Kunst erwärmt, kann man Kollersche Werke
sehen. Die meisten öffentlichen und privaten Galerien
haben Bilder aus allen seinen Lebensepochen. In seiner
engeren Schweizer Heimat gehört es in vornehmen Häusern
fast zum guten Ton, einen Rudolf Koller an der Wand
hängen zu haben. In der Anerkennung seiner künstlerischen
Bedeutung ist übrigens auch das Ausland nicht zurückge-
blieben. Die Museen von Wien, Dresden und Madrid
haben Kollersche Werke angekauft; 1873 erhielt Koller aus
Wien einen Orden, Medaillen sandten ihm in . den sieb-
ziger Jahren München und Paris. Das war der Höhepunkt
der Erfolge des Zürcher Meisters. Wenn man ihn heute
draußen vergessen hat, so hängt das mit den veränderten
Zeitanschauungen zusammen. Kollers Lorbeer blühte in
den siebziger Jahren und noch in die achtziger Jahre hinein,
also zur Zeit des Genrebildes, der gemütvollen und er-
zählenden Kunst.

Daß er das Zeug gehabt hätte, modern zu werden,
wissen wir aus seinen Skizzen und Entwürfen, in denen
er sich mitunter vollständig der heutigen Auffassung der
Tiermalerei nähert, nach der die Tiere in der Landschaft
lediglich als malerische Erscheinung Geltung haben. Vor
seinem künstlerischen Gewissen hatte diese Auffassung
keinen Bestand. Nur das »ausgeführte« Bild schien ihm
wertvoll und unter »Ausführen« verstand er eben die Ein-
fügung des malerisch Geschauten in den Rahmen eines
Tieridylls, einer Tiergeschichte, kurz eines Geschehnisses.
Beispiele zu nennen, die dem Leser geläufig sind, ist bei
einem Tiermaler schwer. Einzig die »Gotthardpost«, die
Kühe, die vor der gelben Postkutsche und dem Peitschen-
knallen die Flucht ergreifen, ist in vielfachen Nachbildungen
allerorts bekannt geworden. Eingebürgert haben sich da-
neben seine Bilder mit dem Hintergrunde landschaftlicher
Architektur, seine Stimmungslandschaften mit weidenden
Herden, auf denen oft genug die Landschaft gerade so
Selbstzweck wird wie die Tiere, denn Koller war ein Land-
schafter mit einer besonders charakteristischen Note.
Wenigstens so lange er seinem alten Stil treu blieb. Da
zeichnete er z. B. zu kämpfenden Pferden eine wildbewegte
stürmische Landschaft, zu dem abendlichen Viehtriebe eine
leuchtende Abendlandschaft, zu der Siesta der Rinderherde
eine beschauliche Mittagsstimmung, alles mit einer ge-
wissen Schwere, mit kräftiger breiter Wucht und vor allem
mit viel Wahrheitsliebe. Die reifsten Werke seiner mitt-
leren Lebensepoche stehen dem Besten, was uns die Tier-
maler aller Länder gegeben haben, nicht nach. Das Pferd,
das Rind, das Schaf hat er mit einer Liebe beobachtet, mit
einem Fleiß studiert, wie es heute fast unmodern geworden
ist. Kein Wunder, wenn ihm die Wiedergabe von schwie-
rigen Bewegungszuständen fast immer glückte, wenn er
täuschend ähnliche Kopien der Natur fertig brachte. Der
Farbton seiner besten Werke ist tief satt und dunkel, das
Licht mit einer Sorgfalt behandelt, wie es bei Meistern
aus dieser Zeit recht selten ist. Verbesserungen der Natur
hat er auf seinen Tierbildern niemals versucht, dadurch
hob er sich von den zeitgenössischen Genremalern wirk-
sam ab. Er ist bei genrehaften Absichten immer Künstler
geblieben. In den beiden letzten Jahrzehnten bekannte er
sich zu einer andern Mal weise; ein Augenleiden, das vor
nahezu dreißig Jahren anhub, wird der Grund sein, warum
ihm schließlich nur Weniges mit gleichem Glück wie früher
gelang. Die Kraft versagte, und als der Sechsundsiebzig-
jährige am 5. Januar starb, da mußte man wohl außerhalb
 
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