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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Society of Twelve
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0245

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473

Society of Twelve

474

Herrn Ludwig Gutbier zu ihrem Vertreter ernannt.
Er hat gegenwärtig die erste Ausstellung der neuen
Gesellschaft in seinem Kunstsalon veranstaltet; von
Dresden wird sie später nach Hamburg, Köln usw. gehen.

Die Ausschließung der reproduzierenden Stecher
und Radierer wird nicht die Tatsache aus der Welt
schaffen, daß z. B. Köppings Radierungen nach Rem-
brandt Meisterwerke ersten Ranges sind und mehr
Wert haben als Dutzende von unbedeutenden Radie-
rungen »selbständiger Schöpfung«. Der Beschluß
der Painter-Etchers, der Strang und Cameron zur
Sezession trieb, ist trotzdem begreiflich. Denn das
Überwuchern des Mittelgutes in den allzu umfäng-
lichen Ausstellungen nötigt immer wieder zur Aus-
lese, wenn der Schlendrian von neuem einzureißen
droht. Die Society der Twelve ist darum nicht die
erste, und sie wird nicht die letzte Sezession sein.

Vorläufig ist sie voll beifallswürdigen idealistischen
Jugenddranges, und man kann sich ihrer kleinen ge-
wählten Ausstellung freuen. Diese enthält Radierungen,
Holzschnitte, Lithographien und, was für England
eine Neuerung bedeutet, auch Zeichnungen. Selbst-
verständlich stehen wir als Deutsche manchen dieser
englischen Leistungen nur mit kühler Hochachtung
gegenüber, weil sie eben spezifisch englisch empfunden
sind und nicht verwandte Saiten in uns berühren.
Andere sind auch uns ohne weiteres eingängig. Im
ganzen steht die Ausstellung auf erfreulicher Höhe.

Da ist zunächst der Hauptgründer der Gesellschaft
William Strang. Seine Radierungen, besonders die
Kreuzabnahme und die Hochzeit zu Kana, sind be-
kannt; in ihrer herben Auffassung und in der ganzen
Komposition erinnern sie teils an Rembrandt, teils an
Gebhardt, ohne daß man von Nachahmung reden
dürfte. Interessant ist das Bild der Wälle von Ypern,
und auch die sonstigen Landschaften haben das Ge-
präge persönlicher Auffassung. Vier gezeichnete
Mädchenbildnisse sind fein und geschmackvoll aus-
geführt und zeigen in trefflicher Kennzeichnung den
national-englischen Typus. Die beiden Akte sind
groß und monumental aufgefaßt.

Von David Y. Cameron besitzt Herr Ludwig Gut-
bier eine Sammlung von Radierungen, wie man sie jetzt
nicht leicht zusammenbringen wird, da der Künstler
über verschiedene Blätter selbst nicht mehr verfügt.
Wir nennen nur die prächtigen Abzüge des Kruzifixes,
der Treppe und des Oudepark zu Amsterdam, die
alle drei schon im Oeuvre von Cameron verzeichnet
sind. Aber auch der Pont Neuf und das Hotel Sens
zu Paris sind vorzügliche Leistungen der Radiernadel.
Völlig anders als diese Radierungen mit ihren kräftigen
Gegensätzen wirken die ganz leicht und duftig in
Farbe gesetzten Zeichnungen: Ansichten der Loire bei
Blois und Amboise. Sie sind so fein lyrisch in der
Stimmung, wie man sie dem Schöpfer jener Radie-
rungen kaum zutraut.

William Rothensteins lithographierte Bildnisse eines
Menzel, Rodin, Legros, Coquelin, Fantin-Latour, Sir
F. Seymour Haden interessieren als Darstellungen
bekannter und bedeutender Persönlichkeiten; ihre
Züge sind mit leichter Sicherheit auf dem Stein fest-

gehalten. Auch die farbigen Zeichnungen — Bildnis
von H. Shannon, Beim Spielen — zeugen in ihrer ver-
einfachenden Farbengebung und kräftigen Beschränkung
auf das Wesentliche von Geschmack und Können.

Weiter finden wir von Gordon Craig bizarre, dem
Gegenstand nach nicht sehr verständliche Zeichnungen
von eigenartiger dekorativer Wirkung, von Charles
Rickett Illustrationen biblischer Gleichnisse in Holz-
schnitt, die in altertümelnder Weise die Art des
16. Jahrhunderts wieder aufnehmen, und von T. Sturge
Moore in der gleichen Technik poetische Vermensch-
lichungen der Natur, die allerdings zum Teil allzu
grotesk und unklar sind, ohne uns durch ihre
Stimmungskraft darüber hinwegzutäuschen: Pan als
Berg, Pan als Insel, Pan als Wolke, Pan und Echo
zeigen die Richtung seiner Phantasie. Augustus E.
John hat in seinen Zeichnungen und Radierungen
noch nichts Besonderes und Eigenartiges aufzuweisen.
Charles Conder bringt in rotgedruckten Lithographien
und in Aquarellen auf Seide orientalische Szenen und
Bilder aus der Welt der Boheme voll weichlicher
Üppigkeit. Die geschickte Komposition und eine
reich entwickelte phantastische Gestaltungskraft lassen
hoffen, daß der Künstler noch Bedeutenderes schaffen
werde. Die Zeichnungen und Radierungen von
George Clausen, z. B. Studie zweier Kinder, Bänkel-
sänger, Mutter und Kind, Mondschein, zeugen im
allgemeinen von guter Beobachtung und hoffnung-
erweckendem Streben. Bekannter und bedeutender
als diese Künstler ist Charles H. Shannon. Herr
H. W. Singer nennt ihn im Katalog »wohl die abge-
klärteste vornehmste Erscheinung der ganzen englischen
Kunst jüngsten Datums«. Wenn abgeklärt so viel
heißt wie klar über das, was einer will und kann,
und unter vornehm so viel, wie sich von den anderen
durch eine nicht auf Beifall der Menge ausgehende
eigene Weise unterscheidend, so kann man Shannon
diese beiden Prädikate zuerkennen. Aber andere
Künstler leisten in anderer Weise wohl ebenso Be-
deutendes. Shannon liebt malerisch weiche Wieder-
gabe der menschlichen Körper auf verschwommenem
Hintergrund: Säemann und Schnitter und die Wanderer
zeigen seine Art und Begabung besonders gut. Endlich
ist Unirhead Bone zu nennen, ein junger Schotte. Er ist,
wie Singer mitteilt, in allerkürzester Zeit durch seine
ungewöhnlich interessanten Kaltnadelblätter zu großem
Ansehen gelangt. Er ist geschickt in der Wahl inter-
essanter Motive, wie z. B. der Markt zu Ely, The
Shot Tower und die groß aufgefaßte Ansicht von
Wilmington in Sussex erweisen. Nicht minder ge-
schickt und interessant weiß er mit ganz einfacher
Linienführung banale Motive vorzuführen, wie z. B.
den ägyptischen Saal im British Museum zu London
beim Ümbau und Gerüste im British Museum. Er
gehört jedenfalls zu den bedeutendsten unter den
jüngeren der zwölf Engländer, deren Bekanntschaft
uns Herr Ludwig Gutbier dankenswerterweise ver-
mittelt hat. (Zu erwähnen ist nur noch, daß zu
diesen noch der Meister des Holzschnittes William
Nicholson gehört, der aber in der Ausstellung nicht
vertreten ist.) P. SCH.
 
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