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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Wolf, August: Denkmalpflege in Venedig
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0286

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555

Nekrologe

556

Einsturz des Markusturms herabgerissenen Schmalseite der
Bibliothek ist schon ziemlich weit gediehen. Der unterste
Teil des Baues ist bereits emporgewachsen. Die alten
Prokurazien sind in ihren wesentlichsten Teilen restauriert
und der gefahrdrohendste Teil, der mittlere, beim Durch-
gang nach Ponte dei Dai völlig neu fundamentiert und in
den inneren Teilen vollkommen neu aufgebaut worden.
Nur ein letztes Überbleibsel des Gerüstes bedeckt noch
einen kleinen Teil der Fassade. — Der schönste Palast
Venedigs, Palazzo Dario am Canal grande, wird von Grund
aus neu fundamentiert und die Innenmauern neu aufgebaut.
Dicht daneben liegt der Palast Wolkoff. Die ganze go-
tische Fassade mußte abgetragen werden und ist nun,
genaue Wiederholung der alten, vollkommen neu auf-
gebaut worden. — Am 1. Oktober wird die neue Fassade
der Kirche della Pietä auf der Riva enthüllt werden, welche
infolge eines hochherzigen Vermächtnisses nach den alten
Plänen Massaris vollendet wurde. a. wolf.

NEKROLOGE

In Basel starb am 24. August im Alter von 84 Jahren
Herr Dr. Eduard His-Häusler, dessen Name mit der
Baseler Kunstsammlung und der wissenschaftlichen Hol-
beinforschung auf das engste verknüpft ist. Eine aus-
führliche Würdigung des Verstorbenen bereitet für die
nächste Nummer der »Kunstchronik« einer seiner Freunde vor.

In Paris ist am 6. September der Kunsthändler S. Bing
gestorben, derindermodernen kunstgewerblichen Bewegung
Frankreichs eine große Rolle gespielt hat. Bing war gebo-
rener Hamburger, lebte aber schon viele Jahre in Paris, wo er
sich zunächst besonders um die japanische Kunst verdient
gemacht hatte. Die meisten Pariser Sammler japanischer
Kunstsachen hatten an Bing, der Japan bereist und von
dort große Schätze gebracht hatte, einen kundigen Berater,
und Edmond de Goncourt wie Ary Renan, Philipp Burty
wie Gillot und Duret machten viele ihrer Einkäufe unter
Beihilfe Bings. Bing galt denn auch für den besten Pariser
Kenner japanischer Kunst und wurde bei allen großen
Versteigerungen japanischer Kunstwerke als Sachverstän-
diger zugezogen. So leitete er die letzte große derartige
Versteigerung, die des Japaners Hajaschi, vor drei Jahren.
Nachdem Bing zwanzig Jahre lang allein die Japaner pous-
siert und in seinem geschmackvoll eingerichteten Kaufhause
in der Rue de Provence die Liebhaber für japanische
Kunst begeistert hatte, erwärmte er sich plötzlich dermaßen
für die neue Bewegung im europäischen Kunstgewerbe,
daß er das ganze Haus von japanischen Dingen räumte
und mit den Millionen, die ihm das japanische Geschäft
eingebracht hatte, dem sogenannten Art nouveau eine glän-
zende Heimstätte eröffnete. Besnard malte Decken und
Wände in dem neu eingerichteten Hause, de Feure, Char-
pentier, Majorelle schufen die innere Einrichtung, und
alles, was in Paris neue Tapetenmuster zeichnete, Möbel
schreinerte, Krüge und Gläser formte, Bilder malte und
Statuen modellierte, die mit den Forderungen der modernen
Kunstbewegung übereinstimmten, brachte seine Werke zu
Bing. Diese Bewegung war nicht tief genug und hielt
nicht lange genug an, um für den Unternehmer lohnend
zu werden. Bing war auch nicht der Mann, der mit eige-
nem, festen Urteil eine solche Bewegung hätte leiten
können. Er ließ den Künstlern freie Bahn, und viele von
ihnen förderten Dinge zutage, die nicht nur unbrauchbar,
sondern obendrein gar noch häßlich waren. So ist die
moderne kunstgewerbliche Bewegung, die in England,
Amerika und in Deutschland so schöne und Dauer ver-
sprechende Blüten gezeitigt hat, in Paris ziemlich unfrucht-
bar im Sande verlaufen. Bing kämpfte ein Jahrzehnt lang,
dann gab er das aussichtslose Ringen auf, um wieder zu

seiner alten japanischen Liebe zurückzukehren. Im letzten
Jahre versteigerte er den Rest des Inhaltes seines Kauf-
hauses, um sich von der modernen Kunst zurückzuziehen
und hinfort nur noch japanische Kunstsachen zu führen.
Ehe er sein neues Haus völlig eingerichtet hatte, über-
raschte ihn der Tod im Alter von 67 Jahren. Das moderne
Kunstgewerbe in Frankreich, wie die japonisierende Bewe-
gung hat im vieles zu verdanken.

In Breslau verstarb am 14. September im Alter von
53 Jahren der Bildhauer Professor Christian Behrens,
Inhaber des Meisterateliers für Bildhauerei im Breslauer
Museum und der Schöpfer des Kaiser-Wilhelm-Denkmals
und vieler hervorragender Werke, von denen eine große
Anzahl in Dresden steht, wo Behrens früher tätig ge-
wesen ist.

In London verstarb kürzlich einer der bedeutendsten
englischen Architekten, Alfred Waterhouse. Er war im
Jahre 1830 geboren und hatte sich durch ausgedehnte
Reisen und Studien vornehmlich in Deutschland und Frank-
reich auf seinen Beruf vorbereitet, den er zunächst in
Manchester und später in London ausübte. In beiden
Städten hat er ein ausgiebiges Feld für seine schöpferische
Tätigkeit durch eine Reihe von Monumentalbauten, womit
er diese Städte geschmückt hat, gefunden. Der Schwur-
gerichtshof und das Rathaus in Manchester, das natur-
geschichtliche Museum, das City-Institut, das national-
liberale Klubhaus und das noch im Bau begriffene Uni-
versitätshospital in London, alles Werke Waterhouses, ge-
hören mit zu den besten Schöpfungen auf dem Gebiet
moderner Architektur.

In Saint-Laurent-du-Var ist im Alter von 93 Jahren der
Marinemaler M. Fran§ois Barry gestorben. Barry war
einstmals offizieller Hofkünstler des Königs Louis Philipp.
Im Museum von Versailles hängt seine »Einnahme von
Algier«. Zwei seiner Hauptwerke besitzt der Kaiser von
Rußland. Seit vielen Jahren hatte Barry überhaupt nicht
mehr gemalt.

Enrico Sacchetti, einer der genialsten italienischen
Karikaturisten, ist, wie aus Mailand berichtet wird, infolge
eines Sonnenstiches, den er im Manöver erlitten hatte,
gestorben. Seine Karikaturen bildeten den Hauptreiz der
illustrierten Wochenschriften Verde ed Azzurro, Pasquino,
Teatro Illustrato und anderen.

Der soeben im Alter von 74 Jahren in Paris gestor-
bene Medailleur Alphee Dubois kann als der Vater der
modernen französischen Plaketten- und Medaillenkunst
angesehen werden. Natürlich gab es auch vor ihm schon
französische Medailleure, aber die Oudine, Montagny,
Vautier, Galle usw. waren im besten Falle brave und
tüchtige Arbeiter, und bei David von Angers war die
Medaille weiter nichts als ein etwas kleines Relief, das
zudem den Namen Medaille kaum verdient, weil es nicht
geprägt, sondern gegossen wurde. Alphee Dubois, den
wir schon als fünfzehnjährigen Jungen, wo er die von sei-
nem plötzlich erblindeten Vater, ebenfalls einem Medailleur,
begonnenen Arbeiten vollenden mußte, tätig sehen, befreite
die Medaille von den handwerklichen und konventionellen
Banden und eröffnete die lange Reihe französischer Künst-
ler, unter denen der früh gestorbene Daniel Dupuis und
die noch lebenden Oscar Roty, Alexander Charpentier,
Carabin, Dupre, Michel Cazin und Vernon besonders her-
vorragen. Als Lehrmeister hatte Dubois neben seinem
Vater, dessen Unterweisung nach seiner Erblindung auf-
hörte, den Bildhauer Duret, dessen napolitanischer Fischer-
junge ein Meisterwerk der modernen Skulptur ist, und
nach bestandener Lehrzeit ging er mit dem Staatspreise
nach Rom. Lange Zeit arbeitete er dann für die Regie-
rung Napoleons III., der alle mehr oder weniger wichtigen
 
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