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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Der Kunstkongress in Venedig
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0014

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Nekrologe

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Gedächtnisfeier für John Ruskin im Dogenpalast abgehalten.
Es hat etwas Eigentümliches, daß gerade für den Verehrer
und Parteigänger ausgesprochen gotischer Kunst das präch-
tige Milieu des Palazzo Ducale mit seiner Kunst des Paul
Veronese und des ausklingenden Cinquecento gewählt
wurde. Aus den zahlreichen Sitzungen des Kongresses,
die in den Räumen des Künstlervereins tagten, möchte ich
an dieser Stelle nur die bedeutendsten Redner und The-
mata erwähnen. Viel Persönliches steckte in mancher
Rede. So stand der Maler Calderini (Turin) wohl mit
seiner Ansicht ziemlich allein, als er eine vollkommene
Abschaffung jeglicher Ausstellungsprämien vorschlug. Der
Advokat Luzzatti erörterte die Rechte des Künstlers auf
sein verkauftes Kunstwerk, ohne indes viel Neues zu sagen.
Interessant war eine Erörterung über internationale Wett-
bewerbe bei öffentlichen Monumenten und Bauwerken,
über welches Thema sich G. Loulier sehr geschickt ver-
breitete. Mit Recht wurde seinen Vorschlägen entgegen-
gehalten, daß bei Verwirklichung dieser Ideen jeder natio-
nale Charakter der Bauwerke verloren gehen müsse. Da-
gegen wurde der erste Vorschlag des Redners, der sich
nur auf internationale Wettbewerbe für Monumente solcher
Männer erstreckte, deren Verdienste so allgemein in der
gebildeten Welt anerkannt seien, daß jedem Volke deren
Verherrlichung verständlich sei, angenommen. Diego Angeli
ging für das Kunstgewerbe und die dekorative Kunst ins
Zeug und betonte sehr überzeugend die Notwendigkeit,
mit allen Mitteln der dekorativen Kunst den ihr gebühren-
den Platz bei Anordnung von Kunstausstellungen zu er-
möglichen, um den Geschmack des Volkes an sich künst-
lerisch zu bilden und andererseits eine enge Verbindung
zwischen dekorativer und malerisch-plastischer Kunst her-
beizuführen. Fournieros Vortrag über die Mängel des
Unterrichts in den Kunstakademien hatte viel Wahres, be-
traf im einzelnen aber mehr die Verhältnisse Italiens. Das
Gleiche kann man von dem Vortrag des Architekten Man-
foldi sagen, der darlegte, daß der Unterricht in der Archi-
tektur in Italien im Vergleich zum Ausland minderwertig
sei. Der allmächtige Fiorilli sprach gegen die Beibehal-
tung der Künstlerstipendien von Seiten des Staates und
empfahl die Gründung einer Art Kunstuniversität, in
welche die besten Talente aufzunehmen seien. Nach
diesen im allgemeinen sehr bedeutungslosen und an sich
zwecklosen Erörterungen wurden einige wichtige und prak-
tische Fragen behandelt. So schnitt TV. Ojetti die Frage
der Denkmalpflege an und verwandte sich für den Schutz
der städtischen Altertümer. Bemerkenswert aus dieser
Abteilung dürften Corrado Riccis Ausführungen gewesen
sein, der sich in ähnlichem Gleise wie der Vorredner be-
wegte und vor allem das Aufstellen von Standbildern mo-
derner Menschen auf altertümlichen Plätzen geißelte; ebenso
erging er sich gegen die Manie, die alten Straßennamen
durch neue zu ersetzen. Für Cantalamessa sprach Dr. G.
Frizzoni über das interessante Thema: »Die besten Mittel,
der Ausfuhr von Kunstwerken aus Italien entgegen zu
arbeiten, ohne Privatrecht zu verletzen«. Während Frizzoni
auf dem Standpunkt steht, daß keine Gesetzgebung im-
stande sei, der Ausfuhr vorzubeugen, und der Regierung
empfiehlt, den guten Willen solcher Privatleute anzuspornen,
welche sich geneigt zeigen sollten, dem Staate ein Kunst-
werk aus ihrem Privatbesitz geschenkweise zu überlassen,
behaupteten andere dagegen mit Recht, daß die Zahl der-
jenigen Besitzer, welche verkaufen wollen, ungleich größer
sei als die Zahl derer, die zu schenken beabsichtigen, und
in der Debatte kommt die Meinung zum Ausdruck, die
Regierung möge das Gesetz vom 12. Juni 1902 vervoll-
ständigen und das Recht in Anspruch nehmen, jeden
Kunstgegenstand, dessen Ausfuhr drohe, und dessen Wert

8000 Francs übersteigt, zu kaufen, und zwar nicht gegen
Barzahlung, sondern in Form einer Rente von 3,5 Prozent
des Ankaufskapitals, welches in fünfzig Jahren amorlisier-
bar sei. Das hierzu nötige Geld muß aus der Ausfuhr-
steuer der wertvollen archäologischen Stücke und aus dem
Eintrittsgeld der zahlreichen Museen genommen werden.
Dieser überraschende Vorschlag, der entschieden die Not-
wehr der Regierung bei der Erhaltung des nationalen
Kunstgutes betont, fand die lebhafteste Zustimmung der
Anwesenden und wurde in einer betreffenden Tagesord-
nung formuliert, in welcher ausgesprochen ist, daß dieser
Vorschlag so bald als irgend möglich dem Ministerium
vorzulegen sei. Auch Corrado Ricci berührte das nationale
Kunsterbe und begründet das Recht der Regierung auf
archäologische Fundstücke. Von den deutschen Vertretern
sprach Olbrich über die Kunst im Hause und Georg Fuchs
über Umgestaltung der Theater nach heutigen künstleri-
schen Erfordernissen.

Wenn somit der Kunstkongreß positive Resultate vor-
läufig noch nicht zutage gefördert hat, so sind doch alle
Teilnehmer für die hier erhaltenen Anregungen außer-
ordentlich dankbar und hoffen, daß die Zukunft auf Grund
der in Venedig geäußerten Ideen auch praktische Erfolge
zu verzeichnen habe. a. w.

NEKROLOGE

Pistoja. Am 24. September ist in Collegigliato bei
Pistoja nach langem schweren Leiden der Architekt Giuseppe
Sacconi gestorben, der Erbauer des Nationaldenkmals,
welches Italien König Victor Emanuel II. errichtet. Wer
den großen Baumeister gekannt und gesehen hat, wie
er sich mit ganzer Kraft seinem Werke widmete, welches
wie aus einem Guß, mächtig und dabei bis ins kleinste durch-
dacht, sich den großen Denkmälern vergangener Epochen
in dem an Prachtbauten so reichen Rom würdig an die
Seite stellen sollte, dem mag wohl bange werden, da sein
schöpferischer Geist und seine leitende Kraft durch keinen
anderen zu ersetzen sind. Vom einfachen Marmorarbeiter
bis zu den Bildhauern, welche die Statuen und Reliefs
modellierten, standen sie alle unter dem zwingenden Willen
dieses Genies. Wer wird jetzt das begonnene halbfertige
Monument zu Ende führen? Wird es ein Mann sein, der
nur pietätvoll die Pläne des Verstorbenen ausführen wird,
den Trieb, Eigenes zu schaffen, dagegen beiseite setzt?

Guiseppe Sacconi war im Jahre 1850 in Montalto in
der Provinz Ascoli geboren und studierte Architektur in
der Kunstakademie zu Rom. Seiner Tätigkeit als Architekt
sind nicht nur neue Bauten, wie die Sühnkapelle von
Monza und vieles andere zu verdanken, sondern auch ver-
ständnisvolle Restaurierungen alter Monumente, wie S.
Francesco in Assisi und die Kirche in Loreto. Italien hat
wohl Grund, um diesen Sohn zu trauern.

Federico Hermanin.

In München ist im Alter von 84 Jahren der Historien-
maler Friedrich Hohfelder, einer der letzten Schüler von
Cornelius und Schwind, gestorben; von ihm sind in vielen
Kirchen Münchens Bilder religiösen Inhaltes zu sehen.

In Paris starb im Alter von 55 Jahren der Direktor der
»Gazette des beaux arts« Charles Ephrussi, ein als Kunst-
kenner sehr geschätzter und durch seine Dürerforschungen
bekannter Gelehrter. Diese Arbeiten brachten ihn einst in
arge Fehde mit dem streitbaren Thausing, der in der Vor-
rede zur zweiten Auflage seines Dürer von Zorn gegen
Ephrussi förmlich überfloß. Heute ist das halb vergessen
und möge es auch bleiben. Jedenfalls hat Ephrussi die
Gazette in vorzüglicher Weise geleitet und viel Sympathien
und Anerkennung in der französischen Gelehrtenwelt
gehabt.
 
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