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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Neueste Veränderungen des römischen Stadtbildes
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0040

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ziehen weiß. Er gelangt zu den wichtigen Erkenntnissen:
1. Das Gesetz des Fluchtpunktes wird in seiner allgemeinen
Bedeutung für den Raum von Jan van Eyck erst gegen
Ende seines Schaffens oder überhaupt erst von Petrus
Christus zwischen 1436 und 1452 erkannt. 2. Das Oesetz
der Distanz, das heißt das Verfahren mit ihrer Hilfe ortho-
gonale Linien perspektivisch zu teilen, bleibt in den Nieder-
landen in der Eyckschen Zeit unbekannt, während es in
Italien Brunellesco und Masaccio kennen.

Von einem italienischen Import der Renaissance-Per-
spektive kann also für diese Zeit nicht weiter die Rede
sein, denn die selbständige EntWickelung und die fort-
schreitende Vervollkommnung der altniederländischen Ma-
lerei in der perspektivischen Projektion spricht in deutlichen
Zeichen aus den Werken selbst. Broederlam behilft sich
noch mit der mittelalterlichen /7ara&/perspektivischen Pro-
jektion, während Petrus Christus in der Berliner Verkün-
digung (1452) und in der Frankfurter Madonna (1457) bei
der zf/z/ra/perspektivischen Projektion mit einheitlichem
Horizonte anlangt. Der Weg von einem zum andern voll-
zieht sich über die zentrale Projektion mit mehreren Horizonten,
wie sie Jan van Eyck in fortschreitend verbesserter Weise
anwendet. Den Höhepunkt erreicht er in dieser Hinsicht
in der Madonna des Kanzlers Rolin, wo zwar auch noch
nicht eine konsequent durchgeführte Konstruktion auf einem
Fluchtpunkt, aber doch eine gemeinsame, auf einen Punkt
hinzielende Konvergenz der verschiedenen Orthogonalen
wahrzunehmen ist. Es muß überraschen, bei Petrus Christus,
den man bisher nur als Nachbeter kannte, die ganz be-
deutende Neuerung des einen Fluchtpunktes und des einen
Horizontes (wenigstens im Prinzip) zu konstatieren.

Aus diesen perspektivischen Studien erwachsen auch
sofort praktisch verwertbare Kriterien für die Zuweisung
von Bildern an bestimmte Meister, ferner für die zeitliche
Einreihung in ein bestimmtes Oeuvre, ja selbst für die
Konstatierung von Übermalungen. Bisher hat der Verfasser
diese Verwertbarkeit der perspektivischen Feststellungen
nur gestreift, aber es ist offenbar damit ein selten benutztes
aber höchst wertvolles, objektives Verfahren für die Ent-
deckung mancher schwieriger Echtheitsfragen geboten. Man
darf nach den jetzt vorliegenden Resultaten in dieser Hin-
sicht noch manche andere erwarten, wenn der Verfasser
seine weiteren, durch das Thema angedeuteten Studien
über die Linear-Perspektive in der Landschaft veröffentlicht.
Und dann müßte von dem Verfasser selbst oder irgend
einem malerisch fein empfindenden und mathematisch vor-
gehenden Fachmann die Untersuchung über die Luftper-
spektive der altniederländischen Schule und der voran-
gehenden an Wunderwerken, wie den Miniaturen von
Chantilly und Turin, so reichen burgundisch-französischen
Miniaturenschule festgelegt werden. — Von besonderem

Interesse sind auch Kerns Ausführungen über die theo-
retische Beschäftigung des Jan van Eyck mit der Perspek-
tive und die Studie über die Kenntnis der mittelalterlichen
Wissenschaft der Perspektive und ihrer Verbreitung in
Nordeuropa. Er weist nach, daß der von vielen ganz ver-
worfene Bericht des Facius über Jan van Eycks Geometrie-
studien der Wahrheit entsprechen muß, denn Jans leider
verloren gegangene Weltkreiskarte und seine konvexen
Spiegelbilddarstellungen, in Verbindung mit den nachweis-
baren perspektivischen Konstruktionen in den Gemälden
lassen nicht den geringsten Zweifel von Jans ernsten und
eindringenden Studien in dieser Hinsicht. Da er mit den
Italienern in seinen Resultaten nicht zusammentrifft, muß
er sich an Euklids Theorien angeschlossen haben, dessen
»Geometrie zu Jans Zeiten im Norden so verbreitet war,
daß sie in mehreren Hochschulen den Gegenstand wissen-
schaftlicher Studien bildete«. — Für die kürzlich auch
durch Dvoräks scharfsinnige und bedeutende Abhandlung
so mächtig geförderte Lösung des Rätsels der van Eyck
bringt die vorliegende Arbeit also mancherlei wertvolle
Erkenntnisse und willkommene Kriterien bei. Abgesehen
von einer vielleicht allzugroßen Vorsicht in der Verfol-
gung praktisch sich eröffnender Ausblicke z. B. bei der
Analyse der architektonischen Teile im Mittelbilde des
Genter Altarwerkes (wo Dvorak in gradezu glänzender und
überzeugender Weise, hauptsächlich auf Grund der perspek-
tivischen Verschiedenheiten des Hintergrundes dieTrennungs-
linie zwischen der Arbeit Huberts und Jans zieht) und ab-
gesehen von einem kleinen Irrtum hinsichtlich der Bezeichnung
des Dresdener Triptychons des van Eyck kann man der
vortrefflichen Abhandlung volles Lob spenden, f. Becker.

NEUE BEI DER REDAKTION EINGEGANGENE
ERSCHEINUNGEN DER KUNSTLITERATUR

Besprechung vorbehalten. Rücksendung Findet in keinem Falle statt

Kunst und Künstler in den Fürstentümern Calenberg und
Lüneburg in der Zeit von 1636 bis 1727. Von Eduard
Schuster. Hannover und Leipzig. Kommissionsverlag
der Halmschen Buchhandlung.

Das Heidelberger Schloß. Werden, Zerfall und Zukunft.
In zwölf Vorträgen dargestellt von Adolf Zeller. Karls-
ruhe. Druck und Verlag der G. Braunschen Hofbuch-
druckerei.

Pisanello, by G. F. Hill, M. A. London, Duckworth and Co.

Jacques Jordaens et son oeuvre. Par P. Buschmann jr.
Traduite du Neerlandais par Georges Eckhoud. Bru-
xelles. G. van Oest & Co.

Die Kunst des 19. Jahrhunderts. Ein Grundriß der mo-
dernen Plastik und Malerei. Von Dr. Berthold Daun.
Lieferung 1—4. Verlag von Georg Wattenbach, Berlin.

4 werden für die Rezension von kunstgeschichtlichen und technischen
wQSUClir Wcrken qualifizierte Fachleute.

- Zuschriften sub F. C. N. 366 an Rudolf Mosse, Frankfurt a.M.

Dieser Nummer liegt ein Prospekt der Verlagsbuchhandlung Chr. Herrn. Tauchnitz in Leipzig bei betr.
Mohrmann und Elchwede, Germanische Frühkunst. (Besprechung Kunstchronik XVI, Nr. 33.)

Inhalt: Der Pariser Herbstsalon. Von Karl Eugen Schmidt. — Neueste Veränderungen des römischen Stadtbildes. — K. J- Geiger t; P. Miciol f.

— F.Thiele ordentlicher Professor; K. Laszoska und J. v. Mehoffer Ordinarien. — Wettbewerbe um ein Virchow-Denkmal, ein Denkmal
für Herzog Friedrich [. und ein Schillerdenkmal; Stipendium der Friedrich Eggers-Sliftung. — Restauration des Freiberger Domes. —
Denkmäler für Ilmenau, Darmstadt und Berlin. - Entdeckung eines antiken Theaters. - Ausstellungen in Graz, Berlin, Köln und Dresden.

— Gemäldesammlung in Berlin; Antiken in Amerika. — Zwei neue Kunstzeitschriften; Jahresbericht des Kunstvereins der Rheinlande und
Westfalen; Diebstähle in Florenz; Georgsbrunnen in Dresden. — Josef Kern, Die Grundzüge der linear perspektivischen Darstellung. —
Neue bei der Redaktion eingegangene Erscheinungen der Kunstliteratur. — Anzeigen.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstrabe 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., q. m. b. h., Leipzig
 
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