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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0048

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Bücherschau

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gleich in greifbarer Festigkeit und in leichter, fast schwe-
bender Bewegung zu zeigen, bietet das kleine Bild der
Uffizi mit der sitzenden Venus und den drei Grazien.
Panischer Zusammenklang zwischen Mensch und Natur
offenbart sich in dem Kasseler Gemälde »Die Kindheit
des Bacchus«. Lastend, kalt schön, ein fettes Gespenst
waltet die Melkerin ihres Amtes, frech in den Tag hinein
drängt sich die Gestalt des tobenden Götterknaben, von
sicherster Weltlichkeit ist die blondfröhliche Nymphe, die
das Kinn auf die geschlossene Hand stützt und uns an-
schaut, der breitleibige flötende, braune Waldgott aber,
halb ein Baumstamm, halb ein Mensch, leitet zu der wei-
ten, aufgelösten, wolkendurchjagten Landschaft über.

Und der Maler dieser Werke, den man sich gern als
einen Katholiken von der bunten Seite vorstellen würde,
war ein religiöser Grübler, ein »Mucker«, wie man heute
so schnell sagt, in dessem Hause calvinistische Konven-
tikel abgehalten wurden, und der für seinen und der Sei-
nigen Leichnam jenseits der holländischen Grenze, auf dem
Friedhof von Putte, die Stätte suchen mußte. Ein merk-
würdiger Fall zur Frage des Zusammenhängens von Künstler
und Werk.

Buschmanns Arbeit tritt mit gewinnender Bescheiden-
heit auf und gibt sich mehr als die Zusammentragung der
bisher verstreuten Forschungsergebnisse denn als ein Neu-
bau aus Eigenem. Das Bild des Menschen Jordaens wird
aus den überlieferten Zügen klar und greifbar hingestellt.
Die eingehende Beschreibung sämtlicher dem Autor be-
kannt gewordenen Werke des Malers, mit dem hier be-
sonders schwierigen Versuche der Anordnung nach der
Entstehungszeit, dürfte den Verfasser ermüdet haben, und
ermüdet den Leser. Schilderung der Hauptwerke, dann
ein Katalog, nach den Gegenständen geordnet, so wäre es
wohl besser gewesen. Der Verfasser kennt aus eigener
Anschauung die französischen Sammlungen gründlich, auch
viele kleinere Provinzmuseen, er kennt den Prado und die
meisten Galerien Deutschlands, nicht aber England und
die Ermitage. Lebhaft und anschaulich versteht er die
Farbengebung und Strichführung der selbstgesehenen
Werke zu charakterisieren. Besonders sympathisch wirkt
die freimütige Ablehnung der zahlreichen nachlässig ge-
machten oder mißlungenen Stücke.

Der Druck ist angenehm in ruhiger Antiqua auf rauhem
Papier. Die 43 ziemlich großen Abbildungen in verschie-
den getöntem Netzdruck sind nach Schärfe und Klarheit
ähnlich ungleich wie das Werk des Meisters selbst, im
ganzen jedoch wird für den mäßigen Preis etwas recht
Stattliches geboten. Warum wurde für die einzige, dem
Buch als Frontispiz vorgesetzte Heliogravüre gerade das
überfüllte, schreiende, in Barocklinien verzerrte Bohnenfest
des Wiener Hofmuseums gewählt? Auch der Umschlag
mit Jordaens' aufgeklebtem (!) Bildnis aus van Dycks Iko-
nographie und dem Namen in kursiver Goldschrift darunter
paßt nicht gut zu dem wertvollen und würdigen Buche.

Franz Dalberg.

C. M. Kaufmann, Handbuch der christlichen Archäologie.
XVIII u. 632 S. mit 239 Abb. Paderborn, F. Schöningh,
1905. 11 M.

Mit einer neuen Auflage von Viktor Schultzes »Archäo-
logie der altchristlichen Kunst« (München 1895) wäre der
Wissenschaft besser gedient worden. Denn dies neue

Buch bedeutet in entscheidenden Gesichtspunkten einen
Rückschritt gegen den straffen und klaren Aufriß der Dis-
ziplin, wie ihn Schultze gegeben hat. Man hat den Ein-
druck, als sei ein viel größer geplantes Werk in Eile und
ohne Gleichmäßigkeit beschnitten und zusammengestrichen
worden. Ohne alles Verhältnis steht die breitangelegte
Einleitung mit einer ausführlichen Geschichte der Forschung
und einer umfänglichen Topographie (S. 74—107) zu der
kärglichen Behandlung der Architektur (108—188), wobei
die Basilika mit 22 Seiten abgetan wird, während wieder
dem 3. Buch (Inschriften) eine völlig entbehrliche chrono-
logische Hilfstabelle von 17 Seiten (258—274) angehängt
ist und unter anderen Exkursen S. 303 — 67 eine Erzählung
Wilperts abgedruckt wird, die den Text unterbricht. Ganz
unglücklich ist die Symbolik mit der Malerei zusammen-
gekoppelt. Natürlich werden dabei schon eine Menge
plastische Sachen besprochen und spätere Wiederholungen
und Ergänzungen unvermeidlich gemacht, während man sich
über Umfang und Entwickelung des ganzen Bilderkreises und
der einzelnen Motive nicht leicht orientieren kann. Und grade
in diesem Punkte ist die Kunstgeschichte der neueren Zeit
aufs lebhafteste an den Ergebnissen der altchristlichen in-
teressiert. Es gibt fast kein Gebiet der Spezialforschung
des Mittelalters, das der Anknüpfung an den sachlichen
und formellen Inhalt altchristlicher Kunstvorstellungen ent-
raten könnte. Schließlich ist die Anführung und Verwer-
tung der Literatur für ein Handbuch, welches der Ein-
führung in das Studium und in die wissenschaftliche Mit-
arbeit dienen soll, viel zu mangelhaft und subjektiv. Die
Menge der Monographien, welche Schultze verzeichnet, und
sehr viele, die inzwischen hinzugekommen sind, werden ein-
fach mit Stillschweigen übergangen. Wer also in dieser
Hinsicht Belehrung sucht, wird immer noch zu Schultzes
Archäologie greifen müssen und dann auf eigene Findig-
keit angewiesen sein.

Diesen bedauerlichen Mängeln gegenüber sollen die
Vorzüge des Buches hoch gerühmt werden. Zunächst
ist das Werk von einer wohltuenden Wärme der Empfin-
dung durchweht, von einer persönlichen Teilnahme, An-
schaulichkeit und liebenswürdigen Begeisterung, welche
vom ersten Augenblick an fesseln und die akademische
Jugend sehr zu gewinnen geeignet sind. Dann tritt uns
der mächtige Fortschritt der Arbeit des letzten Jahrzehnts
überall lebendig entgegen, neben Wilperts römischen For-
schungen besonders die großen Perspektiven, die neuen
umstürzenden Erkenntnisse, die Strzygowski für den Ein-
fluß des Ostens eröffnet hat. Und nicht das geringste
Lob ist eine ruhige vornehme Unparteilichkeit auch anders-
gläubigen Mitarbeitern gegenüber, welche hoffen läßt,
daß man in Zukunft konfessionelle Gegensätze nicht
wieder in die Frühzeit christlicher Kunst hineintragen
wird. Wer sich der älteren zornigen Kämpfe noch er-
innert, glaubt sich jetzt in das Reich des Friedens versetzt.
Und man wird es der persönlichen Freundschaft und
Neigung des Verfassers zugute halten, wenn er in der
Beräucherung eines evangelischen Gelehrten, der angeblich
»eine erste Stelle in der Wissenschaft einnimmt« nach un-
serem Empfinden die Grenze der Objektivität überschreitet.
Hierüber hat sich Dr. Pelka im »Kirchenschmuck« XXX VI.90.
mit entschiedenem Recht des näheren ausgesprochen.

Dr. Bergner.

Dieser Nummer liegt ein Prospekt der Firma Karl Block, Buchhandlung, Breslau, Bohrauerstraße 5
(am Hauptbahnhof) bei über „Meisterwerke der Malerei", Alte Meister, herausgeg. von Geh. Rat Dr. Wilhelm Bode.

Inhalt: Eduard His f- Von Max Lehrs. — E. Brack ti Verheyden t; J- Inipens ti J- Herterich f; F. Willems t; R- Lehmann f. — H. Zügel,
goldene Medaille; A. Brütt und L. v. Hofmann in Weimar; Wahl von Lhermitte; J. Bergmann nach Karlruhe; Erklärung von L. Fielt. —
Erlaß des Rates der Stadt Dresden. — Denkmäler für Prag, Paris und Wien. — Handschriftenfund; Bilder von Hogarth aufgefunden. —
Ausstellungen in Weimar, Prag, Frankfurt, Wien, Brünn, München und Leipzig. - Paris, Änderungen im Louvre; Paris, Kleines Palais.
— Selbstbildnis von F. Stuck; Orabmal für Lenbach; Künstlerlithographien; Deutscher Kunstverein in New York; Neue Vereinigung in
Paris; Rembrandt-Feier. — Das Recht der bildenden Künstler; Joseph Popp, Martin Knoller; Jacques lordaens et son Oeuvre; C. M. Kauf-
mann, Handbuch der christlichen Archäologie.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., ct. m. b. h., Leipzig
 
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