Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

DOI Artikel:
Engelmann, R.: Der Apoll von Belvedere
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0057

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

ltpDnie,.^"stchronil<

1905/1906

Nr. 7. 1. Dezember

monaten JU|, bis SentemW als Beiblatt zur «Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
•uinst« erhalten h;. monatlich einmal. Der lahrirnno- Uoctoi a M*rV „*,A ..mfaRt «Ninn». n;» ihn..»i.. ,w .7.;fc»4.ri« f.-,r hiiH^nrlp

Verlaeshanrli 6 Ku"stchron

=_J|r«spaltige Petitzeile,

V , ' "halten die Kunst 1 m0"1ft''ch emmal- Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
^rlagshandlung keine Tip "k" sn b"'"'' ~~ FÜr Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
■ wahr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
ne"men außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

DER APOLL VON BELVEDERE
Apoll von Belvedere und kein Ende, so könnte man
geneigt sein auszurufen, wenn man sieht, wie immer und
immer wieder die vatikanische Statue zum Gegenstand von
Reden und Streitschriften gemacht wird. Die Begeisterung
des 18. Jahrhunderts, die zu wahren Apotheosen Veran-
lassung gab, hat ja einer etwas kühleren Auffassung Platz ge-
macht, aber der Streit um die Handlung, in der man sich
den Gott begriffen denken soll, hat noch heute nicht
aufgehört. Bekanntlich ist die linke Hand, wohl auch
das äußere Gewandstück1) ergänzt, ebenso der ganze
rechte Unterarm*), ferner der obere Teil des Stammes,
auf den sich der Gott stützt; außerdem sind eine ganze
Reihe von Stellen durch Einflickung einzelner Marmor-
stuckchen ausgebessert worden Diese können wir als
unwesentlich beiseite lassen; es bleiben also die beiden
Hände übrig, die man mit Schmerzen vermißt, weil mit
ihnen auch die Attribute verschwunden sind, die einst jeden
Betrachter über die Bedeutung der Statue und über die
Haltung, in welcher der Gott begriffen ist, ohne Zweifel
aufklärten. In bezug auf die eine Hand, die rechte, ist
man allerdings in neuerer Zeit noch etwas weiter ge-
kommen. Furtwängler, und schon vor ihm Karl Bötticher
(in seinem Verzeichnis der Abgüsse antiker Werke, Berlin
1872, S. 323), haben entdeckt, daß an dem oberen antiken
Ende des Baumstammes, der Stütze, Blätter vom Lorbeer-
baum und die Enden von Wollbinden erhalten sind, und
haben daraus den Schluß gezogen, daß Apollo in der
rechten Hand einen Lorbeerzweig hielt, von dem Woll-
binden herabhingen also die mlp/iara oder die

w*W«o» *U8ot, mit denen nicht bloß der Gott, sondern
auch seine Schutzflehenden ausgerüstet werden. Ich
brauche nur an die erste Szene des OlSbiovs zvQawos zu
erinnern, wo die Greise, Jünglinge und Knaben vor dem
Altar und Bild des Gottes erscheinen tm^qioK K,Aadowlv
t^artfiftivoi. Über die rechte Hand werden wir dadurcn

1) Zwischen dem auf dem linken Arm aufliegenden
und dem herabhängenden Teil ist ein Stück des Gewandes
nur aus Gips ergänzt, so daß wenigstens soviel klar ist,
daß das herabhängende Stück einst abgebrochen war.
H. Freericks (Der Apollo von Belvedere, eine archäologische
Studie. Paderborn 1894, 8, S. 37) führt eine Reihe von
Auffälligkeiten an, die dazu führen können, das ganze her-
abhängende Stück für modern zu halten. Völlige Sicher-
heit wird sich darüber wohl erst gewinnen lassen, wenn
man sich dazu versteht, den dazwischengeschmierten Oips
wegzunehmen. Eine Photographie von dem Stuck zu
nehmen, ist leider wegen der Aufstellung untunlich.

2) Wie Petersen nachgewiesen hat, Jahrb. d. Inst, lboo
Arch. Anz. S. 51

aufgeklärt; es wäre da nur noch zu bemerken, daß, wie
der noch erhaltene Puntello, der den Arm stützen sollte,
beweist, der rechte Unterarm mit der Hand etwas weiter
nach vorn gerichtet war. (Vergleiche Abbildung 2, die
deutlich den Puntello, die Reste des Zweiges mit den
Wollbinden und das neu zugesetzte Stück des Stammes
erkennen läßt.) Aber die linke Hand! Da ist kein
Rest erhalten, der uns Aufklärung verspräche. Mon-
torsoli hat wegen des Köchers, den der Gott auf dem
Rücken trägt, ihm in die linke Hand den Bogen gegeben,
oder vielmehr durch das gerad verlaufende Mittelstück,
das zwischen den beiden geschwungenen Hälften liegt,
anzudeuten versucht, und als Bogenschießender hat der
Gott bis zu der Mitte des 19. Jahrhunderts gegolten. Da,
im Jahre 1860, veröffentlichte Ludolf Stephani in St. Peters-
burg die Bronzestatuette des nach ihrem Besitzer genannten
Apollo Stroganoff!), der im einzelnen genau mit der
vatikanischen Statue übereinstimmt, in der linken Hand
aber den Rest eines Felles oder Gewandes hält. Indem
Stephani darin den Rest einer Aegis sah, also eines Ziegen-
felles mit dem darauf haftenden, Schrecken und Erstarren
vor sich her verbreitenden Gorgonenhaupte, glaubte er in
der Statue den Gott dargestellt zu sehen, wie er an der
Spitze der Troer gegen die Griechen einherschreitet (Horn.
Ilias XV, 308) und sie in wilder Flucht zurückdrängt.
Diese Ansicht wurde durch Preller2) etwas modifiziert,
indem er nicht die Griechen, sondern die Kelten von
dem Gott zurückscheuchen läßt, bei Gelegenheit des im
Jahr 279 erfolgten Angriffs der Galater auf Delphi, wo
nach einer in ganz Griechenland verbreiteten Sage die
Barbaren durch das persönliche Einschreiten der Götter
Apollo, Artemis und Athena in die Flucht getrieben waren3).
In dieser Form hat der Apoll mit der Aegis allmählich
auch von allen mythologischen und kunsthistorischen
Handbüchern Besitz ergriffen; aber auch er mußte weichen.

1) L. Stephani Apollon Boedromios, Bronzestatue im
Besitz Sr.Erlaucht des Grafen Sergei Stroganof f. Mit4Kupfer-
stichen. St. Petersburg 1860. Eine zuverlässigere Abbildung
bietet die Arch. Zeit. 1883, T. 5. Vgl. noch Bull. Mun. di
Roma 1889, T. 13—14 Die Statuette war 1818—1819 >n
Italien von Graf Gregor Orloff angekauft, dann weiter von
diesem durch Erbschaft in den Besitz des Fürsten Dolgumni
gelangt. Von diesem hat sie Graf Stroganoff wohl kurz
vor 1860 erworben.

2) Bull, de l'Acad. de St. Petersb. 1861, S. 329.

3) Eine in Kos neuerdings gefundene, von Sal. Reinach
in den Comptes rendus de l'Acad. des Inscr. 1904 heraus-
gegebene Inschrift zeigt, daß schon wenige Monate nach
dem Galatereinfall die Nachricht von der persönlichen Er-
scheinung und tätigen Beihilfe des Gottes bis nach den
äußersten Grenzen des griechischen Landes gelangt war.
 
Annotationen