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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Die Liste der Denkmäler
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0073

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVII. Jahrgang 1905/1906 Nr. 9. 22. Dezember

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewei beblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Querstraße 13 Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petiizeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

DIE LISTE DER DENKMÄLER

Ob Preußen wirklich j'emals ein Denkmalpflege-
gesetz bekommen wird, mag zweifelhaft sein. Die
Hoffnung ist nicht groß, und wenn sich die Auguren
begegnen, so lachen oder lächeln sie.

Immerhin heißt es wieder einmal, nun solle aber
wirklich und wahrhaftig das vielbeschrieene Geschöpf
zur Welt kommen, mit dem die Geheimen Räte seit
langer Zeit kreißen, und der jetzige Landtag werde
die Geburt zu erleben haben. Und da die Herren
Landboten wahrscheinlich nicht wissen, daß es in
Preußen zu schützende Denkmäler gibt, hat es sich
jemand ausgedacht,ihnen gleich mit der Einbringung des
Gesetzes eine Liste vorzulegen, die sie enthalten soll, und
die Provinzialkommissionen sind aus ihrer Beschaulich-
keit aufgestört worden mit der Zumutung, solche Listen
zu machen oder ihnen Kraft zu geben. Die darin ent-
haltenen Gegenstände werden wahrscheinlich, wenn
der Landtag auf das Vorhaben sein Siegel drückt, heilig
gesprochen und vor jeder rauhen Berührung gesichert
werden. So ist man denn beschäftigt, nach franzö-
sischem Muster, die Denkmäler zu »klassieren«, das
heißt also durchzumustern, zu prüfen, gewissermaßen
mit Zeugnissen zu versehen und schließlich die,
welche die besten haben, in die oberste Klasse zu
setzen und für reif zu erklären. Es wird nämlich in
Deutschland noch lange nicht genug geschrieben und
examiniert. Das Ergebnis ist dann die Denkmalliste.
Es ist der Mühe wert, ja notwendig, die Angelegen-
heit ein wenig genau zu betrachten.

Die Denkmalliste ist die Quintessenz der Buch-
stabenweisheit. Man versteht also darunter ein Papier,
auf dem ist ein Verzeichnis der Gegenstände, welche
»wegen ihres künstlerischen, kunstgeschichtlichen oder
geschichtlichen Wertes« des Schutzes teilhaft werden
sollen.

Die Aufstellung einer solchen Liste ist nur des-
halb dem Gesetzgeber ein leichtes Geschäft, weil sie
lediglich ein Akt der Willkür ist. Eine Liste, die
wegen der Richtigkeit ihres Inhaltes Anspruch auf
Anerkennung machen könnte, aufzustellen, ist ein
Ding der Unmöglichkeit. Denn hier ist alles im
Flusse, alles ist Verhältnis, und jeder Gegenstand ist
mannigfach. Es ist ebenso leicht, wenn nicht viel
leichter, etwa eine richtige Liste der fünfzig, oder
hundert, oder tausend bedeutenden Künstler seit

Thubalkain aufzustellen. Doch wäre dieses wenig-
stens unschädlich; die Nichtklassierten würden darum
nicht totgeschlagen. Aber die Denkmalliste ist nicht
unschädlich; ihre Wirkung ist sofort die, daß, was
nicht auf dem Papiere steht, zugestandenerweise auf-
gegeben ist. Das heißt also, schroff gesagt, es kann
totgeschlagen werden. Es ist zu vernichten, meint
mancher, dem der Buchstabe Richtung gibt — denn
ist es nicht, nach dem Urteil der Kunstpfleger selbst,
wertlos und deshalb auch vom Gesetzgeber preis-
gegeben? Für das dagegen, was auf der Liste steht,
muß in jedem praktischen Falle die Anerkennung
der Unantastbarkeit oder der Schonung doch erst
erstritten werden.

Und die Anführung des Namens hat bei der
unendlichen Vielseitigkeit der Angriffspunkte noch
nicht einmal umfassenden Wert.

So ist z. B. das Heidelberger Schloß in allen
seinen Teilen gegenwärtig genau so gut gesichert,
als wenn es in der badischen Denkmalliste zu oberst
stünde; aber kaum ebenso schlecht. Denn für die
Lösung jeder einzelnen Frage ist dadurch, daß der
Name des Ganzen in der Liste steht, gar nichts getan.
Sollte aber auch jede mögliche Anwendung in der
Liste mit enthalten sein, dann würden solche Gesetze
so umfassend wie die Inventarien selber.

Demnach ist die Aufstellung solcher Listen keine
Tat, und sie ist schlimmer als die Unterlassung. Der
Himmel bewahre uns in Preußen gnädig davor.
Gegenwärtig sind die Gegenstände, denen vom Stand-
punkte der Denkmalpflege aus einiger Wert beige-
messen werden kann, wenigstens einigermaßen ge-
sichert und sind es zur Genüge, soweit nicht die
Behörden selbst verständnislos oder eigensinnig (was
auch vorkommt) versagen oder sich widersetzen.
Allerdings reicht ihr Arm nicht so weit, daß sie auch
das im unbestrittenen Eigentum Einzelner Stehende
ergreifen könnten, und hier ist für den Gesetzgeber
Gelegenheit, sich zu betätigen. Möge er doch das tun!

Vor einigen Jahren hat man im Darmstädtischen
ein Denkmalgesetz wirklich zustande gebracht, und
seitdem ist das dortige Vorgehen einfach als vorbildlich
für Preußen hingestellt worden. Aber von dort her
dringen Stimmen, nach denen man sich aus dem
Buchstaben des Gesetzschemas hinaussehnt zu den
Sachen selbst; ein kluger und scharfer Beobachter
bemerkt von da, es lasse sich nicht leugnen, daß
 
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