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Bücherschau
152
Professor Dr. W. Weitzel, Die deutschen Kaiserpfalzen und
Königshöfe. 131 S. 8° mit 45 Abb. Halle, Waisenhaus
1905. 3 M.
Gottschalckius redivivus! Als wenn in den letzten 50
Jahren schlechterdings nichts über diesen vornehmen Gegen-
stand gearbeitet worden wäre, so wird hier kompiliert:
Historien aus den trübsten Quellen, anerkannte Märchen,
Phantastereien über Bau- und Bildwerke. Es werden zahl-
reiche Orte behandelt, wo zufällig einmal ein König ur-
kundete, andere werden mit einem »es soll, es mag« in
die Gruppe eingereiht. Für den Bau, die Einrichtung, die
Entwickelung der »Pfalz« ist nicht die Spur eines Verständ-
nisses. Unter den Bildern nicht ein einziger Grundriß! Das
Heft wird fraglos viel Verwirrung stiften. Denn es ist im
gelehrten Deutschland doch kaum glaublich, daß sich drei
Jahre nach K. Simons Studien zum romanischen Wohnbau
eine so gefährliche Spielerei ans Licht wagt.
Dr. H. Brrgner.
LITERATUR
ZUM OTTHEINRICHSBAU IN HEIDELBERG
I. Die Entstehungsgeschichte des Ottheinrichsbaues zu
Heidelberg, erörtert imZusammenhangmitderEntwicklungs-
geschichte der deutschen Renaissance von Tri. Alt. Heidel-
berg 1905, Karl Winter.
Anthoni der Meister vom Ottheinrichsbau zu Heidel-
berg von Dr. A. Peltzer, Heidelberg 1905.
Die erste der beiden im gleichen Verlag erschienenen
Schriften gibt neue wertvolle Beiträge zur Geschichte des
vielumstrittenen Baues. Dr. Theodor Alt in Mannheim, der
unermüdliche Forscher, untersucht von neuem die ganze
Entstehungsgeschichte des Ottheinrichsbaues auf Grundlage
der vorhandenen Urkunden und sucht sie in Zusammenhang
zu bringen mit der Entwicklungsgeschichte der deutschen
Renaissance überhaupt. In 18 Leitsätzen bringt er eine
Fülle von Stoff, teilweise Neues, aus bis jetzt nicht an
die Öffentlichkeit gelangten archivalischen Quellen.
Der Standpunkt des Verfassers ist bekanntlich der:
die italienische Provenienz des Baues mit allen Mitteln
zu verteidigen. Seine ersten elf Leitsätze beschäftigen sich
mit Colin und dem Vertrag von 1558. Die Auslegung
dieses Vertrags läßt verschiedene Deutungen zu und ist
daher von den verschiedenen Forschern je nach dem Stand-
punkt, welchen sie in der Frage einnehmen, verschieden
ausgelegt worden. Alt legt nun auf die Mitwirkung des
im Vertrag genannten Bildhauers Anthoni ganz besonderen
Wert und baut darnach seine ganze Hypothese von der
angeblichen italienischen Provenienz auf. Wir wissen aber
von diesem Anthoni weiter nichts, als daß er ein Tür-
gestell im Ottheinrichsbau unvollendet hinterlassen hat,
welches jetzt Colin fertig machen soll. Wir kennen aber
dieses Türgestell nicht, und alle Versuche, dasselbe bezeichnen
zu können, sind als mißlungen zu betrachten. Der weitere
Schluß aus dem Vertrag, Anthoni sei zuerst von Ottheinrich
an den Bau berufen worden, entbehrt jeder Grundlage und
ist wieder nur die Frucht einer falschen Auslegung des
Nachsatzes im Vertrag, wo von dem »vorigen Geding« Colins
die Rede ist. Es ist sprachlich ganz unmöglich, hier an
etwas anderes zu denken, als an einen früheren Vertrag
mit Colin. Auch die Zweifel an der Ausführung der Portal-
figuren durch Colin sind ungerechtfertigt, da ja diese Figuren
im Vertrag besonders aufgeführt sind. Ebenso ungerecht-
fertigt ist die Annahme, aus der im Vertrag genannten
Position von 14 Statuen, welche noch gefertigt werden
sollen, seien damals nur diese 14 projektiert gewesen und
nicht 16, wie solche heute noch stehen, ebenso gesucht
ist die Meinung, die 14 Fensterpfosten, welche nach dem
Vertrag noch zu fertigen sind, beruhen auf einem Schreib-
fehler des Abschreibers, es müßte 28 heißen.
Wenn die ersten elf Kapitel, durch den Standpunkt
des Verfassers bedingt, nicht immer der Wahrheit ent-
sprechen und zu sehr vielen Fragezeichen herausfordern,
ist dagegen Leitsatz 12 von hervorragender Bedeutung und
durchweg richtig historisch begründet. Was nun die Aus-
fälle auf meine Wenigkeit betrifft, so ist hier nicht der Ort,
darauf zu antworten, ich möchte nur konstatieren, daß ich
durch ein falsches Zitat Alts auf das erwähnte Ornament
Serlios gestoßen bin und nicht wider besseres Wissen ge-
handelt habe. Ebenso bin ich jetzt durch eigene Studien
überzeugt, daß das Monogramm am Ruprechts- und glä-
sernen Saalbau nicht dasjenige des Kurfürsten Friedrichs IL,
sondern dasjenige des Bildhauers ist, welcher nach den
neuen Forschungen Alts bezw. Rotts in der Person des
Conrad Forster festgestellt ist. Ottheinrich und nicht Fried-
rich IL ist der Gründer und Erbauer des nach ihm ge-
nannten Palastes. Die Leitsätze 13 und 14 handeln von
dem mutmaßlichen ersten Bauprojekt und der Wetzlarer
Skizze. Hier können wir dem Verfasser in keinem Punkte
folgen. Gesicherte Tatsachen werden in einer ganz un-
glaublichen Weise vernörgelt und verdreht, um seiner nun
einmal vorgefaßten Meinung zum Recht zu verhelfen.
Im Vertrag von 1558 werden fünf große Löwen erwähnt,
von welchen drei auf dem Kupferstich von Kraus wieder-
kehren und ebenso ein solcher auf der Wetzlarer Skizze.
Damit ist klar, daß der ursprüngliche Plan, mag er nun von
Colin oder einem anderen entworfen worden sein, mit
zwei großen Giebeln versehen war, welche auf dem oberen
Absatz in symmetrischer Weise mit je zwei hockenden Löwen
verziert waren, ganz ähnlich wie die Hirsche am Stuttgarter
Lusthaus. Weiter wird gegen das Vorhandensein der Giebel
schon im ersten Entwurf angeführt: der Zustand der
oberen Sockelschicht sei, wie Koßmann untersucht hat,
nicht geeignet, um einen Giebelaufbau zu tragen, und was
für Alt besonders schwerwiegend ist: die Postamente der
zwei oberen Figuren seien vor diese Sockelschicht »vor-
geblendet«, das heißt also nicht in den Mauerverband ein-
gelassen. Nun bedenke man aber doch, daß das Dach
des Gebäudes vier- bis fünfmal abgebrannt ist und man
daher unmöglich aus dem jetzigen Zustand der obersten
Sockelschichten solche wichtige Schlüsse ziehen kann. Die
Vorblendung der Figurenpostamente zeigt aber zur Genüge,
daß diese Figuren nicht mehr an ihrem ursprünglichen Ort
stehen, sondern wie schon die Darmstädter Skizze von 1580
zeigt, an den Giebeln angebracht waren. Den Platz, welchen
sie eingenommen haben, zeigt die leere Nische oben auf
der Wetzlarer Skizze. Daß die unteren Fenstergruppen
der Giebel mitsamt den Pilasterstellungen jetzt noch genau
am ursprünglichen Ort sitzen, habe ich anderwärts nach-
gewiesen1).
Es verbietet mir der Platz, hier weitere Belege für die
Unrichtigkeit der Altschen Annahme, daß der Bau ehemals
mit einem geraden Abschluß geplant worden sei, zu geben.
Leitsatz 15 beschäftigt sich mit den früheren Ansichten
des Schlosses seit 1580 und daran anschließend eine nicht
uninteressante Darstellung über die Entwickelung des Front-
giebels in der deutschen Renaissance. Wie Alt aber zu
dem Schluß gelangt, die Zwerchgiebel des Ulrich Kraus
seien vor dem Jahr 1620 errichtet worden, ist völlig uner-
findlich.
Kapitel 16 handelt von den beiden pfälzischen Bau-
meistern Haider und Fischer, Alt gibt hier wieder einige
interessante, aus Archiven geschöpfte, bisher unbekannte
1) Süddeutsche Bauzeitung, 1903, Nr. 25.
Bücherschau
152
Professor Dr. W. Weitzel, Die deutschen Kaiserpfalzen und
Königshöfe. 131 S. 8° mit 45 Abb. Halle, Waisenhaus
1905. 3 M.
Gottschalckius redivivus! Als wenn in den letzten 50
Jahren schlechterdings nichts über diesen vornehmen Gegen-
stand gearbeitet worden wäre, so wird hier kompiliert:
Historien aus den trübsten Quellen, anerkannte Märchen,
Phantastereien über Bau- und Bildwerke. Es werden zahl-
reiche Orte behandelt, wo zufällig einmal ein König ur-
kundete, andere werden mit einem »es soll, es mag« in
die Gruppe eingereiht. Für den Bau, die Einrichtung, die
Entwickelung der »Pfalz« ist nicht die Spur eines Verständ-
nisses. Unter den Bildern nicht ein einziger Grundriß! Das
Heft wird fraglos viel Verwirrung stiften. Denn es ist im
gelehrten Deutschland doch kaum glaublich, daß sich drei
Jahre nach K. Simons Studien zum romanischen Wohnbau
eine so gefährliche Spielerei ans Licht wagt.
Dr. H. Brrgner.
LITERATUR
ZUM OTTHEINRICHSBAU IN HEIDELBERG
I. Die Entstehungsgeschichte des Ottheinrichsbaues zu
Heidelberg, erörtert imZusammenhangmitderEntwicklungs-
geschichte der deutschen Renaissance von Tri. Alt. Heidel-
berg 1905, Karl Winter.
Anthoni der Meister vom Ottheinrichsbau zu Heidel-
berg von Dr. A. Peltzer, Heidelberg 1905.
Die erste der beiden im gleichen Verlag erschienenen
Schriften gibt neue wertvolle Beiträge zur Geschichte des
vielumstrittenen Baues. Dr. Theodor Alt in Mannheim, der
unermüdliche Forscher, untersucht von neuem die ganze
Entstehungsgeschichte des Ottheinrichsbaues auf Grundlage
der vorhandenen Urkunden und sucht sie in Zusammenhang
zu bringen mit der Entwicklungsgeschichte der deutschen
Renaissance überhaupt. In 18 Leitsätzen bringt er eine
Fülle von Stoff, teilweise Neues, aus bis jetzt nicht an
die Öffentlichkeit gelangten archivalischen Quellen.
Der Standpunkt des Verfassers ist bekanntlich der:
die italienische Provenienz des Baues mit allen Mitteln
zu verteidigen. Seine ersten elf Leitsätze beschäftigen sich
mit Colin und dem Vertrag von 1558. Die Auslegung
dieses Vertrags läßt verschiedene Deutungen zu und ist
daher von den verschiedenen Forschern je nach dem Stand-
punkt, welchen sie in der Frage einnehmen, verschieden
ausgelegt worden. Alt legt nun auf die Mitwirkung des
im Vertrag genannten Bildhauers Anthoni ganz besonderen
Wert und baut darnach seine ganze Hypothese von der
angeblichen italienischen Provenienz auf. Wir wissen aber
von diesem Anthoni weiter nichts, als daß er ein Tür-
gestell im Ottheinrichsbau unvollendet hinterlassen hat,
welches jetzt Colin fertig machen soll. Wir kennen aber
dieses Türgestell nicht, und alle Versuche, dasselbe bezeichnen
zu können, sind als mißlungen zu betrachten. Der weitere
Schluß aus dem Vertrag, Anthoni sei zuerst von Ottheinrich
an den Bau berufen worden, entbehrt jeder Grundlage und
ist wieder nur die Frucht einer falschen Auslegung des
Nachsatzes im Vertrag, wo von dem »vorigen Geding« Colins
die Rede ist. Es ist sprachlich ganz unmöglich, hier an
etwas anderes zu denken, als an einen früheren Vertrag
mit Colin. Auch die Zweifel an der Ausführung der Portal-
figuren durch Colin sind ungerechtfertigt, da ja diese Figuren
im Vertrag besonders aufgeführt sind. Ebenso ungerecht-
fertigt ist die Annahme, aus der im Vertrag genannten
Position von 14 Statuen, welche noch gefertigt werden
sollen, seien damals nur diese 14 projektiert gewesen und
nicht 16, wie solche heute noch stehen, ebenso gesucht
ist die Meinung, die 14 Fensterpfosten, welche nach dem
Vertrag noch zu fertigen sind, beruhen auf einem Schreib-
fehler des Abschreibers, es müßte 28 heißen.
Wenn die ersten elf Kapitel, durch den Standpunkt
des Verfassers bedingt, nicht immer der Wahrheit ent-
sprechen und zu sehr vielen Fragezeichen herausfordern,
ist dagegen Leitsatz 12 von hervorragender Bedeutung und
durchweg richtig historisch begründet. Was nun die Aus-
fälle auf meine Wenigkeit betrifft, so ist hier nicht der Ort,
darauf zu antworten, ich möchte nur konstatieren, daß ich
durch ein falsches Zitat Alts auf das erwähnte Ornament
Serlios gestoßen bin und nicht wider besseres Wissen ge-
handelt habe. Ebenso bin ich jetzt durch eigene Studien
überzeugt, daß das Monogramm am Ruprechts- und glä-
sernen Saalbau nicht dasjenige des Kurfürsten Friedrichs IL,
sondern dasjenige des Bildhauers ist, welcher nach den
neuen Forschungen Alts bezw. Rotts in der Person des
Conrad Forster festgestellt ist. Ottheinrich und nicht Fried-
rich IL ist der Gründer und Erbauer des nach ihm ge-
nannten Palastes. Die Leitsätze 13 und 14 handeln von
dem mutmaßlichen ersten Bauprojekt und der Wetzlarer
Skizze. Hier können wir dem Verfasser in keinem Punkte
folgen. Gesicherte Tatsachen werden in einer ganz un-
glaublichen Weise vernörgelt und verdreht, um seiner nun
einmal vorgefaßten Meinung zum Recht zu verhelfen.
Im Vertrag von 1558 werden fünf große Löwen erwähnt,
von welchen drei auf dem Kupferstich von Kraus wieder-
kehren und ebenso ein solcher auf der Wetzlarer Skizze.
Damit ist klar, daß der ursprüngliche Plan, mag er nun von
Colin oder einem anderen entworfen worden sein, mit
zwei großen Giebeln versehen war, welche auf dem oberen
Absatz in symmetrischer Weise mit je zwei hockenden Löwen
verziert waren, ganz ähnlich wie die Hirsche am Stuttgarter
Lusthaus. Weiter wird gegen das Vorhandensein der Giebel
schon im ersten Entwurf angeführt: der Zustand der
oberen Sockelschicht sei, wie Koßmann untersucht hat,
nicht geeignet, um einen Giebelaufbau zu tragen, und was
für Alt besonders schwerwiegend ist: die Postamente der
zwei oberen Figuren seien vor diese Sockelschicht »vor-
geblendet«, das heißt also nicht in den Mauerverband ein-
gelassen. Nun bedenke man aber doch, daß das Dach
des Gebäudes vier- bis fünfmal abgebrannt ist und man
daher unmöglich aus dem jetzigen Zustand der obersten
Sockelschichten solche wichtige Schlüsse ziehen kann. Die
Vorblendung der Figurenpostamente zeigt aber zur Genüge,
daß diese Figuren nicht mehr an ihrem ursprünglichen Ort
stehen, sondern wie schon die Darmstädter Skizze von 1580
zeigt, an den Giebeln angebracht waren. Den Platz, welchen
sie eingenommen haben, zeigt die leere Nische oben auf
der Wetzlarer Skizze. Daß die unteren Fenstergruppen
der Giebel mitsamt den Pilasterstellungen jetzt noch genau
am ursprünglichen Ort sitzen, habe ich anderwärts nach-
gewiesen1).
Es verbietet mir der Platz, hier weitere Belege für die
Unrichtigkeit der Altschen Annahme, daß der Bau ehemals
mit einem geraden Abschluß geplant worden sei, zu geben.
Leitsatz 15 beschäftigt sich mit den früheren Ansichten
des Schlosses seit 1580 und daran anschließend eine nicht
uninteressante Darstellung über die Entwickelung des Front-
giebels in der deutschen Renaissance. Wie Alt aber zu
dem Schluß gelangt, die Zwerchgiebel des Ulrich Kraus
seien vor dem Jahr 1620 errichtet worden, ist völlig uner-
findlich.
Kapitel 16 handelt von den beiden pfälzischen Bau-
meistern Haider und Fischer, Alt gibt hier wieder einige
interessante, aus Archiven geschöpfte, bisher unbekannte
1) Süddeutsche Bauzeitung, 1903, Nr. 25.