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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Münchener Ausstellungen
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0123

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229

Münchener Ausstellungen — Nekrologe

230

MÜNCHENER AUSSTELLUNGEN

1. Winter-Ausstellung der Sezession. Der naheliegende
Gedanke, das schöne, intime Ausstellungsgebäude am
Königsplatz auch im Winter zu benutzen, ist endlich aus-
geführt worden. Der Erfolg war in jeder Hinsicht so gut,
daß man auf eine alljährliche Wiederkehr solcher Kollek-
tionen hoffen darf. Diesmal waren vertreten Becker-Oun-
dahl, der verstorbene V. Weishaupt und Richard Pietzsch,
Becker-Oundahl ist einem größeren Publikum aus seinen
romantisch-balladesken Federzeichnungen für die »Fliegen-
den Blätter« bekannt — nicht gerade von seiner besten
Seite. Sie zeigen ihn als gewandten, aber nicht sehr tiefen
Illustrator und verraten nichts von dem Problematischen
seines Wesens, das in seinen Gemälden oft recht wunder-
lich zutage tritt. Becker-Gundahl ist eine feine, lyrische
Natur. Die warmen, schmelzenden Töne, mit denen er
seine Darstellungen bindet, geben diesen einen liedhaft ge-
schlossenen, lyrisch zugespitzten Charakter, selbst da, wo
er in deutlicher Abhängigkeit von anderen nur auf den
»Naturausschnitt« zu gehen scheint. An vorzüglichen An-
sätzen ist kein Mangel. Besonders glücklich ist er in einigen
Porträts. Im ganzen kann man seine Arbeiten liebge-
winnen, ohne sich zu verhehlen, daß er den großen Zug,
nach dem er offenbar strebt, nicht erreicht hat.

V. Weishaupt ist mit tüchtigen, aber wenig indivi-
duellen Tierschilderungen vertreten. Eine gute Leistung
ist sein »Wilder Stier«, sehr energisch in der Charakteristik,
die leider durch die malerische Behandlung nicht genügend
unterstützt wird. Auch eine »liegende Kuh« fällt vorteil-
haft auf.

Von den drei Ausstellern steht R. Pietzsch dem mo-
dernen Empfinden am nächsten. Der furchtbare Ernst, die
tiefe, untröstliche Schwermut seiner großgesehenen Land-
schaften spricht unmittelbar zum Herzen, mag auch seine
Arbeit im einzelnen manchmal etwas flüchtig und zu wenig
gegenständlich sein. Für das Verhältnis moderner Men-
schen zur Landschaft haben diese Arbeiten einen eminent
dokumentarischen Wert. Wir haben aufgehört, die Natur
nur in ihrer Beziehung zum Menschen zu sehen und zu
schätzen. Pietzsch gibt die Natur in ihrer unbelauschten
Heimlichkeit und Größe, in ihrer elementaren Selbstgenüg-
samkeit, die sich dem Menschen fremd, fast abweisend
gegenüberstellt. Pietzsch hat zum Modell nicht einzelne
Landschaftsausschnitte, er gibt Naturporträts, er malt die
Erde, die alte, wilde Teilus, mit dem barbarischen Stirnschmuck
der vier Elemente prunkend. Melancholie, die den Alten
als das Temperament der Erde galt, hat füglich auch bei
ihm das erste Wort. Unter ernsten, herbstlichen Himmeln
bauen sich da die struppigen Wälder auf, gehen bleiche
Ströme ihren ehernen Gang. Es ist das Naturgefühl
Eichendorffs und Lenaus, das sich hier offenbart. Die großen
Töne der Landschaft weiß Pietzsch vorzüglich zu treffen.
Er gewinnt ihr auf diese Weise dekorativ-malerische Werte
ab, ohne in die etwas schematische Art von W. Leistikows
späteren Arbeiten zu verfallen. Trotz der grundlegenden
Verschiedenheit der Mache möchte ich Pietzsch mit dem
trefflichen Karl Haider zusammenstellen, der ebenfalls einen
großen Begriff von der heiligen Strenge, der taufrischen
Keuschheit der Natur verrät. Die Gefahr, die im Auf-
suchen der »großen Töne« liegt, wird Pietzsch hoffentlich
zu vermeiden wissen. Im einzelnen verdient seine Isartal-
landschaft mit der herbstlichen Blässe ihrer Farben und
dem meisterlichen Ausschnitt hervorgehoben zu werden,
ferner ein Waldhügel, aus dessen braungrünem Rasen
bleiche Felsblöcke von fast erschreckender Beseelung empor-
ragen.

2. Ausstellung des Museumsvereins. Zugleich mit den
Kollektionen von Becker-Gundahl, Weishaupt und Pietzsch
zeigte der Museumsverein im Sezessionsgebäude eine reiche
Sammlung von Antiken, wie man sie in dieser gedrängten
Fülle und Schönheit selten zu sehen bekommt. Die be-
deutendsten Privatsammlungen Münchens, voran diejenige
des Prinzen Rupprecht, haben zu ihr beigesteuert. Eine
ganze Reihe wohlerhaltener Stücke läßt den Besucher fast
vergessen, daß er es hier mit den Erzeugnissen einer längst
versunkenen Kultur zu tun hat. Um so höher ist der rein
ästhetische Genuß. Die Fülle des Gebotenen schließt eine
detaillierte Besprechung aus. Ich erwähne einen meister-
lichen hellenistischen Aphroditetorso, ferner eine Aphro-
dite, die sich das Haar aufbindet, eine unaussprechlich reife,
in sich geschlossene Arbeit. Bemerkenswert erscheint mir
eine völlig bekleidete weibliche Marmorstatue, die beweist,
daß auch das Gewand zu einem hohen plastischen Werte
erhoben werden kann. Der Künstler hat der Figur eine Art
Tanzbewegung gegeben (Verbindung von Drehung und
Beugung), die alle Anmut des Körpers verrät und zugleich
einen rhythmischen Schwung in das Gewand bringt. Einen
tiefen, fremdartigen Reiz strömt ein Knabenkopf in Bronze
aus, dem aus einer gelblich schimmernden Masse Augäpfel
(ohne Iris und Pupille) eingesetzt sind. Die römische
Kopie eines Narziß polykletischer Kunstrichtung fällt —
ungerechnet ihre sonstigen Vorzüge — besonders durch
die überaus klare Gegenbewegung der Hüft- und Brust-
linie auf. Als die Krone der ganzen Sammlung erscheint
mir ein ägyptischer Alabasterkopf »Alexander der Große«,
vorzüglich wegen des tiefen matten Glanzes im Material,
das aussieht, als sei es ganz mit heimlichem Licht gesättigt.
— Die in Vitrinen untergebrachten Erzeugnisse der ange-
wandten Kunst gewinnen im Lichte unserer heuligen kunst-
gewerblichen Bemühungen doppeltes Interesse. Bei den
Farben der ägyptischen Keramiken denkt man an Schar-
vogels Vasen, die »Neujahrsflasche«, von der nur eine
Scherbe vorhanden ist, könnte man neben die Keramiken
von Amstelhoek stellen. Ganz hervorragend sind zu einem
großen Teile die Goldarbeiten. In den breiten Goldblechen
(Haar- und Armschmuck), goldenen Lorbeerkränzen usw.
können wir heute allerdings nur eine Verirrung, eine un-
gerechtfertigte Materialvergeudung erblicken. Dagegen
halten sich die Ketten, Ohrgehänge, Fibeln, Anhänger,
Ringe durchweg auf einer Höhe des Geschmackes und der
Arbeit, die heute nur von wenigen erreicht wird.

3. Kunstsalon Krause. Daniel Staschus, von dem eine
Kollektion Ölgemälde und Holzschnitte zu sehen ist, hat
sich die in München bereits bestehende Holzschnitt-Tradition
mit großem Verständnis zu eigen gemacht. Er kann schon
mit diesen seinen ersten Versuchen (die noch dazu größten-
teils Linoleumschnitte sind) zu den besten Landschafts-
schilderern auf dem Gebiete des Holzschnittes gerechnet
werden. Mehr als vier Platten verwendet er nie, versteht
aber sogar mit einer geringeren Anzahl y°n Farben den
dominierenden Tönen der Landschaft vollauf gerecht zu
werden. Sein Kolorismus ist zart und aristokratisch, der
lyrischen, melancholischen Weichheit seines Empfindens
(der Künstler ist geborener Littaue) durchaus angemessen.
Nicht auf gleicher Höhe stehen seine landschaftlichen Öl-
gemälde, die zwar mit den Holzschnitten die liebens-
würdige lyrische Empfindung, nicht aber den einwandfreien
stilistischen Ausdruck gemeinsam haben. Die vorhandenen
Ansätze deuten jedoch auf spätere Vervollkommnung hin.

w. M.

NEKROLOGE
Eduard Charlemont. In Wien starb in der Nacht
zum 9. Februar, nach einer im Sanatorium vorgenommenen
 
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