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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Stiftungen — Ausgrabungen und Funde — Archäologisches

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STIFTUNGEN

Der Bankier Ernst Hasengier in Halle überwies bei
Gelegenheit der Silberhochzeit des Kaiserpaares der Stadt
100000 Mark, von deren Zinsertrag % an junge Künstler
und Künstlerinnen gegeben werden soll.

AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Die Ausgrabungen in Milet. In den Sitzungs-
berichten der Berliner Akademie 1906, VIII, liegt Theodor
Wiegands fünfter vorläufiger Bericht über die von den
Königlichen Museen in Milet 1905 unternommenen Aus-
grabungen vor, bei denen unter der Direktion Wiegands
die Architekten Knackfuß und Kawerau und der Stipendiat
der Wagnerstiftung in Würzburg A. Zippelius, ferner Dr.
Steiner aus Xanten und für die Inschriften Hiller von Gaer-
tringen, sowie Dr. Albert Rehm aus München beteiligt
waren. — Dank der außerordentlichen Hilfsbereitschaft
und der materiellen Unterstützung zahlreicher Altertums-
freunde — namentlich der Herren vom Norddeutschen Lloyd,
des Geh. Kommerzienrat Arnhold in Berlin, des Herrn
Gustav H. Schwab in New York, der Frau von Siemens
und anderer mehr — konnten 60 Häuser, die auf der Stätte
des Didymeions im heutigen Griechendorfe Jeronta stehen,
rasch enteignet und abgerissen werden, so daß die Frei-
legung des berühmten Apollotempels jetzt im Frühjahr
beginnen kann, ohne daß die milesischen Grabungen unter-
brochen werden. —- In Milet wurde zunächst im Theater die
fast vollständig erhaltene Bühnenvorderwand der ersten
römischen Bauperiode herausgeschält. Vor der 54 cm
dicken Marmorwand mit drei Durchgängen stand in 27 cm
Entfernung eine dekorative Säulenstellung von dorischen
Pfeilersäulchen mit Zahnschnittgebälk und Simaprofil. Die
Säulen sind in ihrem unteren glatten Teil aus rotem, der
kannelierte Teil aus schwarzem, Kapitell und Gebälk aus
weißem Marmor: ein Beispiel der farbigen pompejanischen
Architekturen in echtem Material, deren bunte Wirkung
durch die Pracht der mit farbigen Marmorsorten ausge-
legten Orchestra noch gesteigert wurde. Die 2,03 m hohe
Bühne (Vitruv schreibt höchstens fünf Fuß für die römische
Bühne vor) liegt genau in derselben Höhe wie der Fuß
der untersten Sitzreihe. — Den Gebäuden an der Löwen-
bucht galt auch diesmal der Hauptteil der Arbeit, so daß,
nachdem der ganze Nordmarkt vom Schutt befreit ist, ein
vollständiges Bild dieser Anlage gewonnen ist. Der Nord-
markt bildete in der älteren hellenistischen Zeit einen recht-
eckigen Hof mit zweistöckigen Marmorhallen an drei Seiten
und zwölf Kammern in der Nordhalle und zwanzig in der
Westhalle. In der Quadermauer der östlichen Seite lag
ein Propylaion, gegenüber in die Westhalle führte ein drei-
fach größerer Torbau. Die Schmuckformen gehören der
jüngeren hellenistischen Zeit an; der untere Stock der
Marmorhallen war streng dorisch, der obere schloß mit
einem weit ausladenden, schön gezeichneten Konsolgesims
ab. Der freie Platz war von Denkmälern geschmückt, von
denen Unterbauten und bei denen Inschriften gefunden
wurden. In römischer Zeit war der Nordmarkt bedeutend
verändert worden, nur die Nord- und Südhalle blieb. Eine
große Halle aus Mörtelwerk mit zwei Zimmerfluchten trat
an die Stelle der Ostmauer und des Propylaions; an der
Rückwand dieser Mauer führt eine siebenstufige Treppe
zu der 30 m breiten Prachtstraße, die vom Hafen zum Platz
vor dem Rathaus führt. — Am nördlichen Ende dieser
römischen Prachtstraße stand das 21 m breite von 16 Säulen
getragene verschließbare Hafentor am Delphinion. Wer
hier vom Hafen kommend die Straße betrat, sah nach
Süden auf Stadionlänge schon das Propylaion des Rat-
hauses und das 29 m breite Südmarktportal. Vier zwei-

stöckige Tabernakelbauten, deren äußere noch einmal be-
sonders vorgelagerte Tabernakel zeigen, ruhen auf einem
dreistufigen niedrigen Orthostatensockel; diese vier Taber-
nakel in interessantem, wechselndem und reichem Aufbau
schließen drei nach dem Südmarkt führende Tore ein, denen
im Oberstock wahrscheinlich figürlich geschmückte Blend-
nischen entsprachen. Hier fanden sich eine überlebens-
große Maske vom Typus des Zeus von Otricoli, der über-
lebensgroße Torso eines nackten jugendlichen Gottes, des-
gleichen eines römischen Kaisers, dem zu Füßen ein ge-
fesselter Barbar hockt. Dieses Markttor hat gemäß einer
gefundenen Inschrift mit den Namen des Justinian und der
Theodora von 538 n. Chr. an als Festungstor gedient, und
in diese Zeit ist auch die spätere Milesische Stadt-, so-
genannte Gotenmauer zu datieren. — Östlich von diesem
Markttor zwischen Südmarkt und Nymphäum wurde noch
ein anderes reich geschmücktes Marmorpropylaion aus der
späteren Römerzeit entdeckt; der etwa 10 m breite Bau
erhob sich auf fünf Stufen, auf denen vier korinthische
Säulen standen. Über den Seitenintercolumnien lag ein
gerader, über dem Mittelintercolumnium lag ein Bogen-
architrav, den der dekorierte Fries und die mit dem so-
genannten Pfeifenornament geschmückte Hängeplatte mit-
machte. Das Ganze überdeckt ein Giebeldach. Dieser
außerordentlich ansehnliche Eingang mußte wohl zu einem
bedeutenden Bezirk führen: es fand sich östlich eine alt-
christliche Basilika mit zwei Vorhöfen mit Säulenperistylen,
die das römische Tor in die Mitte nahmen. Eine Inschrift
läßt darauf schließen, daß ein Asklepieion in dem Bezirk
lag. Eingebaute Architekturreste und Trümmer weisen mit
Sicherheit auf einen großen Marmortempel dorischen Stils
aus hellenistischer Zeit. — Auch am Delphinion wurden
Aufräumungs- und Nachtragsarbeiten vorgenommen und
in den großen Thermen Grabungen gemacht, die sich in
unregelmäßiger Form in den Zwickel schieben, den die
heilige Straße mit dem östlichen Uferstaden des Theater-
hafens bildete, an dem die Hauptfassade der Thermen mit
einer über 100 m langen einstöckigen korinthischen Säulenhalle
lag. In diesen Thermen war auch ein Vorlesungssaal, ein
Museion, mit Pulpitum in der Apsis und Bildnischen, aus
deren Schmuck der Panzertorso eines römischen Kaisers,
ein bärtiger spätrömischer Porträtkopf, eine weibliche Por-
trätgürtelfigur, ein männlicher Torso im Chiton gefunden
wurde. In anderen Thermensälen hat man dann noch
einen Aphroditetorso vom Typus der Theraeischen Sta-
tuette, und als Hauptstücke einen leierspielenden Praxiteli-
schen Apollo und sechs Musen gefunden, Typen, die an
das Archalaosrelief und die Musenbasis von Knidos er-
innern. Nur die mitesische Melpomene entspricht keinem
Typus der beiden Reliefs. m.

ARCHÄOLOGISCHES
Athlet oder Apollo: Nachdem ich an dieser Stelle
(Kunstchronik 1904/5, Sp. 486,7) Hausers Hypothese von
dem »zum Apollo erhöhten Diadumenos« vorgetragen habe,
sollen auch die Einwendungen E. Löwys nicht verschwiegen
werden, der im gleichen Band der Jahreshefte des Öster-
reichischen archäologischen Instituts den Diadumenos wieder
für die Athleten in Anspruch nimmt. Der römische Ge-
lehrte geht jedem einzelnen der von Hauser für seine An-
sicht vorgebrachten Gründe nach; er nimmt einen viel
früheren Zeitpunkt für die Entstehung des »nicht lang-
haarigen« Apollotypus an, hält den Beweis der tatsächlichen
Existenz einer polykletischen Apollostatue nicht erbracht und
legt keinen Wert auf das zufällige, unter Umständen ge-
dankenlos angebrachte Beiwerk von Mantel und Köcher
auf dem Palmstamm des delischen Diadumenos, während
die Sprunggewichte bei dem Torlonia-Diadumenos doch
 
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