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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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Petersburger Brief
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Hermanin, Federico: Die kaiserlichen Fora und die Verkehrsadern des modernen Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0236

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Leistung der ganzen Ausstellung und somit auch
der gesamten diesjährigen Saison bezeichnet werden.
Auch Leon Bakst, den man vorzugsweise als Por-
trätisten schätzt, hat sich in seinem »Nassen Tage in
den Alpen« als guter Landschafter erwiesen. Als
Leistung freilich wird der Mehrzahl das Porträt
S. P. Diägilews mehr imponieren, in dem Baksts
Talent den momentanen Eindruck der Persönlichkeit
zu fixieren sich wieder einmal vortrefflich doku-
mentierte.

Wie Sie sehen, herrscht in Petersburg durch-
gängig das Prinzip der Sonderausstellungen. Fast
jedes Jahr taucht nun das Projekt auf, einen großen
Kunstpalast zu gründen für Massenausstellungen nach
westlichem Muster. Hoffentlich kommt dieses Projekt
überhaupt nicht zustande, denn künstlerisch bedeutende
Ausstellungen großen Stils unter starker Beteiligung
des Auslandes, die unumgänglich nötig wäre, in
Petersburg zu organisieren, ist ziemlich aussichtslos,
weil dem hiesigen Kunstmarkt durchaus die Kauf-
kraft fehlt, um anziehungskräftig in großem Maßstabe
zu sein. Eine Massenausstellung würde nur eine
Masse von Mittelmäßigkeiten zusammenbringen, in der
die wenigen künstlerisch hervorragenden Leistungen
ganz verloren gehen würden. Unser bisheriges
System verbürgt wenigstens der einzelnen Ausstellung
eine einigermaßen geschlossene Physiognomie, mögen
ihre Züge der Kritik nun sympathisch oder anti-
pathisch sein. Es ist zu hoffen, daß dieses Argument
unseren Künstlern mit der Weile auch einleuchten
wird. Bei Ihnen draußen macht sich ja eine starke
Opposition gegen die Massenausstellungen geltend,
warum sollten wir den alten russischen Fehler hier
nicht vermeiden können, westliche Muster einen Post-
tag zu spät nachzuahmen, wo wir uns freuen könnten,
ein unerquickliches Zwischensfadium frank und frei
überspringen zu können. Der Wunsch unserer
Künstler nach einem gut eingerichteten Ausstellungs-
lokal ist sehr begreiflich, nur würde ihnen durch
eine Ausstellungshalle künstlerisch ein wahrer Bären-
dienst erwiesen werden; auch materiell würden sie
den kürzeren ziehen: die Massenausstellung würde
nur durch den wiederholten Besuch durch den
Einzelnen rentabel zu machen sein; die Kreise der
Petersburger Gesellschaft, die am Kunstleben Anteil
nehmen (sie sind gar nicht so klein!) würden aber
nach wie vor eher geneigt sein, die ganze Serie der
Sonderausstellungen hintereinander zu besuchen, als
sich mit systematischer Konsequenz durch eine
Massenausstellung durchzuwinden, die das Unverein-
bare vereinen wollte. Der Mangel eines geeigneten
Platzes in geeigneter Gegend macht einstweilen die
Realisierung des Kunstpalastprojektes illusorisch und
hoffentlich bleibt dieses Projekt eben Projekt.

—chm—

DIE KAISERLICHEN FORA UND DIE VERKEHRS-
ADERN DES MODERNEN ROM.

Im dritten Märzheft der »Kunstchronik« gab ich die
kurze Nachricht, daß die Commissione archeologica comunale
das Regierungsprojekt zur Fortsetzung von Via Cavnur,

welche den Hauptbahnhof und die östlichen Stadtteile mit
dem Zentrum verbinden soll, genehmigt hatte, weil die
Staatsingenieure bei ihren Plänen das Prinzip aufrecht
halten wollten, durch die Straßenregulierung den künftigen
Ausgrabungen der Fora keine Schwierigkeiten in den Weg
zu stellen.

Jetzt aber, wo man ernstlich daran denkt, vom allge-
meinen Prinzip zum konkreten Fall überzugehen, zeigen
sich immer mehr Schwierigkeiten und mehren sich die
Projekte, welche alle das schwierige Problem einer be-
quemen Straßen verbindung mit Berücksichtigung der archäo-
logischen Erfordernisse lösen möchten. Das Interesse für
die Sache ist allgemein und so hat der Vorstand der neu-
gegründeten Societä di archeologia e storia deWarte es für
gut gehalten, die Serie ihrer öffentlichen Vorträge durch
eine Vorlesung Professor Rodolfo Lancianis über diese
Stadtregulierungsfrage zu eröffnen und ich glaube, daß es
den Lesern der »Kunstchronik« nicht uninteressant sein wird
zu hören, welcher Meinung der eminente Topograph des
alten Rom ist.

Die Region, die in Frage kommt, ist die, welche zwischen
der an ihrem Ende unfertigen Via Cavour und Piazza
Venezia liegt und nördlich von den Ausläufern des Quiri-
nais begrenzt ist, südlich von dem Kapitolsabhang, wo das
Nationaldenkmal errichtet wird. Hier liegen die vier Fora,
mit welchen man in der Kaiserzeit das ungenügend ge-
wordene Forum Romanum vergrößerte und die ihren Namen
von ihren Erbauern tragen, Julii, Augusti, Nervae, Trajani.
Nun soll eine große moderne Straße diese Region durch-
schneiden, wo nicht nur interessante Bautenüberreste be-
graben sind, sondern vermutlich auch große Kunstschätze
verborgen liegen. Viele glauben, daß dieie Region nicht
so sehr ausgeplündert worden und daß noch vieles zu
finden sei, andere zweifeln an dieser Zuversicht. Die Nach-
richten, die wir über die archäologischen Forschungen im
Bereiche der Fora während der Renaissance haben, sind
spärlich, genügen aber, um uns wissen zu lassen, daß große
Ausplünderungen gemacht worden sind, so z. B. als Six-
tus IV. Material brauchte, um 42 Kirchen zu restaurieren.
Aus Fra Oiocondos Schriften erfahren wir, daß die Malteser-
ritter im Jahre 1518 das ganze Material, welches man aus
ihrem Gemüsegarten, dem Forum Augusti, holen konnte, für
Geld abtraten. Daß man aber trotz dieser systematischen
Plünderung noch vieles in diesem Forum finden kann, darüber
haben uns die Ausgrabungen belehrt, welche die römischen
Stadtbehörden im westlichen Hemicyclium desselben im
Jahre 1888 unternahmen und bei welchen ein ungemein
wertvolles Material zum Vorschein kam. Was das Forum
Nervae anbelangt, so ist die Hoffnung auf reiche Ergebnisse
der Ausgrabungen gering, weil man weiß, wie Clemens VIII.
und Paul V. dort gehaust haben. Der bis ans Ende des
16. Jahrhunderts fast unversehrt erhaltene Tempel der Pallas
wurde zerstört und die mächtigen Quadern wurden zum
Bau des St. Peter und des Prachtbrunnens der Aqua Paola
gebraucht. Jede Hoffnung ist aber nicht verloren und von
modernen Baumeistern, die dort gearbeitet haben, weiß
man, daß einige Häuser auf den Grundfesten des Forums
liegen. Aus Flaminio Vacca erfährt man, wo der Triumph-
bogen des trajanischen Forums lag und wird es nicht
schwer sein, Überreste davon zu finden, wie man bei Aus-
grabungen sicher einige von den hunderten von Statuen
berühmter Männer, die die Hallen dieses Forums schmückten,
finden würde. Von den Dekorationen des Tempels der
Venus genetrix, welcher auf dem Forum Caesar stand, hat
sich ein Stück in Villa Medici erhalten. Leider werden
die Aufdeckungsarbeiten all dieser historischen Stätten nicht
so bald begonnen werden, aber die Anlage von neuen
Straßen muß so geschehen, daß die Möglichkeit der Aus-
 
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