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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Florentiner Brief, [1]
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Dülberg, Franz: Die Leydener Rembrandtausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0044

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Die Leydener Rembrandtausstellung

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das chikanöse Gesetz über das Photographieren in
den Staatsgalerien, fast als eine heilsame und er-
freuliche Maßregel betrachten. G. Gr.

DIE LEYDENER REMBRANDTAUSSTELLUNG
Die Ausstellung, die Leyden zum dreihundertsten Ge-
burtstage des größten Leydeners seinen sommerlichen
Besuchern bot, lag noch zu sehr im Schatten der trium-
phierenden Veranstaltung des Jahres 1898 — auch hatte
man, um den großen Oberlichtsaal der Tuchhalle zu füllen,
die Trabanten des Meisters und seine Leydener Zeitgenossen
heranziehen müssen. Ein hübsches Stückchen seiner Erschei-
nung und ein Eindruck davon, wie er auf die Menschen
um ihn wirkte, kam doch zutage. Räumlich trat als Hauptstück
das früher als Triumph Scipios bezeichnete, in dieser Zeit-
schrift bereits durch den Berufensten eingeführte altrömische
Anekdotenbild auf: am ehesten der »Eendracht van't Lant«
ähnlich, skizzenhaft, vielfach aufgefrischt, in der Aktion
nicht allzu deutlich, wirkte es nicht sehr erfreulich (46.
London, W. Newgass). Neben dem allgemein bekannten,
in der Behandlung des Mundes so unnachahmlich vornehmen
hellen Liechtensteinschen Selbstporträt von 1635 waren
nur noch das Bildnis eines jungen Mannes von 1631, mit
schönem von links unten aufsteigenden Licht und mit
amethystenem Violett des Hutes (38. Chicago, H. Rein-
hardt) und das große, 1657 datierte Existenzbild der
Catharina Hooghsaet — etwas der Elisabeth Bas des
Ryksmuseums verwandt, meisterlich in der Malerei eines
Teppichs! (48. Lord Penrhyn) wirklich großer Rembrandt.
In der Qualität diesen Proben zunächst kamen: Christus
und die Samariterin, von 1655 (47. Harrogate, Rev. Sheep-
shanks) ausgezeichnet durch das prachtvolle tiefe Licht, das
die Frau umgibt, die erst kürzlich durch Bredius erworbene,
augenscheinlich sehr frühe Andromeda, magisch vor dem
Hügelrand ins volle Licht gedrängt (37), das kleine skizzen-
hafte Bild des Jan Six in ganzer Figur, im Ausschnitt vor-
züglich und mit trefflichem Schlaglicht, eine ebenso kleine
Susannastudie mit feinem zierlichem Oberkörper (43. 44.
Paris, Leon Bonnat) und die lebensgroße Halbfigur des
Vaters in orientalischem Kostüm, wichtig, reich durch-
geführt und mit bannendem Blick (34. Brüssel, Madame
May). Wieder um einen Grad kühler in der Wirkung
blieben dann: das Bildnis der Petronella Buys von 1635,
elegant aber auch breit gemalt, ein verständiges langes
Gesicht in unwahrscheinlicher Halskrause (47. Haag, A.
Preyer), das etwas flockige Brustbild des Bruders mit
goldener Kette (45. Paris, Graf Potocki), und zwei phan-
tastische Saskiabilder — das frühere (37 jelsum, van Wage-
ningen) noch recht schwerfällig und bunt, das andere, eine
Flora! nicht ganz unverdächtig in dem aufdringlichen Rosa
der Wangen (53. Schloß Hermance bei Genf, Meyer von
Stadelhofen). Interessanter als manche kleine Olskizze
Rernbrandts war eine nur als Werk seiner Schule ausge-
stellte kleine Küstenlandschaft (54. Kopenhagen, Karl Mad-
sen), dunn mit einer wahren Furie des Pinsels hingemalt.
An 100 Zeichnungen Rernbrandts, für den nachdenklichen
phantasievollen Betrachter einer Mappe ebenso fruchtbar
wie als Ausstellungsgegenstand an Wänden wirkungslos,
meist aus den Sammlungen Hofstede de Groot und Leon
Bonnat, waren im Vorraum des Bildersaals und besonders
in einer Art Annex in den alten Klosterräumen der Uni-
versität ausgestellt, wo es außerdem eine sehr reichhaltige,
etwas unbequem untergebrachte Sammlung von Reproduk-
tionen nach Gemälden des Meisters zu sehen gab. —
Gerard Dou, der Wagner dieses Faust, kam merkwürdig
gut fort. Nicht nur, weil der Herzog von Westminster
das Prachtstück der »Jungen Mutter« geliehen hatte (ein

Wunder der Durchführung, dabei farbig lebhaft und nur
wenig bunt), auch ein weniger bekanntes Werk »Die Ope-
ration« (6. Genf, Leopold Favre) wirkte durch die treffliche
Behandlung des einfallenden Lichtes und den gespannten
Ausdruck der zuschauenden Frau. Sehr rembrandtisch,
ähnlich den »Philosophen« des Louvre, machte sich das
Interieur mit einem jungen Gelehrten, hell, durch feines
Blau und Violett belebt. (9. London, Walter J. Abraham),
und wie eine Reliquie aus der Jugendzeit des größten
Leydeners mutete das mit ängstlicher Liebe gemalle
Schweriner Bild an, wo Rernbrandts Mutter beobachtet
ist, wie sie ihren Brei verzehrt. Recht Dou-artig, auffallend
hell, dabei äußerst farbenfrisch zeigte sich ein früher Lievens,
das Brustbild eines Mädchens mit flachsblondem Haar, im
Besitz von Frau Geheimrat Thieme in Leipzig. Das späte
Herrenbildnis, glatt, in üblem Sinne van-Dyckisch, das
Dr. Wassermann in Paris gesandt hatte, diente diesem
Stücke nur zur Folie. Von den Schülern Dous verriet
Abraham de Pape rembrandtischen Einfluß in der ener-
gischen Malweise einer alten Frau, die an einer Treppe
Rüben schält; leider ist die Komposition hier etwas leer
(30. Wien, J. Schwartz), während Frans van Mieris in dem
kleinen Bilde der Dame am Klavier (26. Schweriner Mu-
seum) offenbar die Wege der Vermeer und Metsu wandelt.
Freilich bereitet die äußerst zarte Modellierung der Schultern,
die Vermeidung der so nahe liegenden Banalität in dem
rosa Atlaskleid und blauen Stuhl hier einen eigenartigen,
von der tiefen Männlichkeit Rernbrandts allerdings weit
abliegenden Genuß. Der Dilettant Isaac Koedyk lernte
wahrscheinlich ebenfalls bei Dou; mit etwas eintönigeren
Farben vertritt er jene lichte Zimmermalerei, deren Begriff
wir meistens mit dem Namen des etwas jüngeren Pieter
de Hooch verbinden. Von ihm war ein sehr reiches Stück,
ein Arzt, der einen Bauern verbindet, ausgestellt; den hohen
Raum, wo dieses geschieht, füllen allerhand Utensilien,
vor denen mau mehr an eine Tenierssche Versuchung des
hl. Antonius denken möchte (23a. München, Böhler). De
Hooch selbst war mit zwei nicht eben charakteristischen
Bildern vertreten: ein Jäger mit seiner Frau in einem Stall
(21 London, C. Fleischmann), und eines seiner bekannten
Zimmerbilder, bezeichnet und 1673 datiert, aber ein klein
wenig flau in der Ausführung (22. Paris, A. Schloß). —
Äußerst stattlich kam Quirin Brekelenkam zur Geltung,
etwas von der Rembrandtschen Art, den Dingen auf den
Grund zu gehen, leuchtet bei diesem mit Unrecht gering
geschätzten Meister durch alle Metsusche Eleganz hindurch.
Breit und energisch ist das Bild der Fischhändlerin (3.
Leipzig, Frau Geheimrat Thieme) gemalt, vor allem der
Junge erstaunlich frisch gesehen. Ziegelrot und Violettrot
kontrastieren hier trefflich. Äußerst fein in dumpfhellem
Licht ist die »Schneiderwerkstatt« gehalten, der rote Stoff
des Lehrbuben gibt den glücklichsten Mittelakzent (4. Paris,
Jules Porges). Eine feine geschlossene Gruppe, ruhig und
hell in der Farbe, bietet die »Tischgesellschaft« in der
Pariser Sammlung Schloß. — Zwei merkwürdige, aufs
stärkste von Rembrandt beeinflußte Werke seltener Leyde-
ner Meister besitzt das Leydener Museum selbst: Adriaen
van Gaesbeeks Heilige Familie hinter blauem Vorhang,
mit der Madonna in blauem Hut, ist bei manchen Fein-
heiten Rernbrandts Kasseler Bilde in einem Grade nach-
empfunden, der heute nicht mehr als erlaubt gelten dürfte.
Karel van der Pluym aber, ein Seitenverwandter Rern-
brandts, beweist durch das farbenstarke, sehr kräftig her-
ausgearbeitete Bild eines alten Philosophen, daß er doch
unrecht tat, das Malen wieder aufzugeben. — Adriaen van
Ostade wird allgemein mehr in die Nähe des Frans Hals
gestellt, in Leyden aber war von ihm ein kleines, wahr-
scheinlich schon 1633 gemaltes Stück zu sehen, das im
 
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