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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Sirén, Osvald: Ein französisches Standardwerk der Kunstwissenschaft
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Takács, Zoltán: Zu einem Kupferstich Dürers
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0059

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Zu einem Kupferstich Dürers

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ganz unerkennbar. Es würde sehr wünschenswert sein,
daß der Verleger diesen Mangel an guten Illustrationen
in einer folgenden Auflage des sonst sehr vornehm aus-
gestattenen Buches beseitigte, denn der Text besitzt in
hohem Grade die Eigenschaften, die man von einem grund-
legenden wissenschaftlichen Universitätsbuch begehren darf
und wird wahrscheinlich bald von Studierenden in weiten
Kreisen begehrt werden. In einer klaren, übersichtlichen
Form findet man nämlich hier Forschungsresultate zu-
sammengestellt, die sonst in einer Menge von Spezialab-
handlungen aufgesucht werden müssen. Wir haben die
Lektüre des Buches mit einem Gefühl der tiefsten Dank-
barkeit geschlossen.

Die Behandlung der verschiedenen Abteilungen, Strö-
mungen, der zeitlichen und stilistischen Epochen ist wie
gesagt mehreren Spezialkennern anvertraut worden. Es
muß da auch Spezialforschern überlassen werden, den selb-
ständigen wissenschaftlichen Wert der verschiedenen Ka-
pitel zu beurteilen. Unsere Zeilen mögen nur einen Begriff
von der allgemeinen Bedeutung und Disposition dieses
ersten Teils des großen Werkes geben.

Im ersten Kapitel werden die Anfänge der christlichen
Kunst im Abendlande von M. Andre Perate geschildert.
In sehr fließender und unterhaltender Form gibt der Ver-
fasser eine Übersicht der Katakombenmalerei, hauptsächlich
auf die Arbeiten von de Rossi und Wilpert gestützt. Dieser
etwas knappe Teil seines Kapitels wird wohl weniger Kritik
begegnen als der zweite Teil, wo er die römischen Mosaiken
und Fresken behandelt. Hier ist eine Scheidung der echt
lateinisch-römischen von den aus Byzanz beeinflußten Male-
reien und Mosaiken in Italien streng durchgeführt und wie
es uns scheint zugunsten Roms. — Der Abschnitt
über die Sarkophage ist vielleicht etwas kurz geraten.

Das zweite Kapitel ist der christlichen Architektur im
Abendlande vor der romanischen Epoche gewidmet. Es
ist kurz, aber sehr inhaltsreich. Der Verfasser M. Camille
Enlart besitzt nicht nur sehr umfassende und exakte
Kenntnisse der in Frage kommenden Baudenkmäler in
Italien, Frankreich, Deutschland und Großbritannien, er
hat auch eine bewunderungswürdige Gabe, die gar
nicht leicht zugänglichen architektonischen Fragen jedem
interessierten Leser klarzulegen. Gerade hier vermißt man
trotz der zutreffenden Darstellungsart sehr die Illustrationen.

Das dritte Kapitel dürfte wohl der eigentliche Zen-
tralpunkt des ersten Teils genannt werden. Es ist eine
ziemlich umfangreiche Abhandlung über die byzantinische
Kunst in allen ihren verschiedenen Formen: Architektur,
Mosaiken und Malereien, Miniaturen, Teppiche, Skulptur,
Metall- und Emailarbeiten. Besonders auf dem byzan-
tinischen Gebiete ist ja das kunsthistorische Material in
den letzten Jahren so stark angesammelt, daß eine
übersichtliche Darstellung ebenso wünschenswert wie
schwierig war. Die Darstellung M. Gabriel Millets gibt
uns wenigstens einen Überblick des Hauptbestandes der
Monumente; für einen NichtSpezialisten wird es sogar
ermüdend, sich durch diese zahlreichen, langen Denkmäler-
oder Bilderbeschreibungen zu arbeiten, wenn man nicht
die Abbildungen an der Hand hat. Jedenfalls bringt die
letzte Abteilung dieses Kapitels eine sehr wertvolle Ent-
schädigung für alle Mühe in der zusammenfassenden
Charakteristik des byzantinischen Stiles in seinen verschie-
denen Erscheinungsformen. Hier bemerkt man erst recht,
wie souverän der Verfasser seinen Stoff beherrscht und sein
gutes Darstellungsvermögen. Ob seine Theorien und all-
gemeinen Behauptungen (die jedenfalls auf einer genauen
Kenntnis des Materials ruhen) absolut stichhaltig sind,
entgeht unserer Urteilsfähigkeit.

Das vierte Kapitel ist wieder der abendländischen

Kunst gewidmet. M. Paul Leprieur gibt im ersten Ab-
schnitt eine methodische Übersicht über die ganze Minia-
turmalerei in Großbritannien, Frankreich und Deutsch-
land vom 5. bis 10. Jahrhundert und versucht dabei eine
sehr strenge und klare Gruppierung des wichtigsten Mate-
rials mit teilweise neuen Gründen durchzuführen. Es ist
auffallend, welch ein verhältnismäßig großer Platz der alt-
französischen Produktion im Vergleich mit der irischen
und späteren deutschen Miniaturkunst eingeräumt wurde.
Dabei bemerkt man, daß das Buch sich doch in erster
Linie an ein französisches Publikum wendet.

Im zweiten Abschnitt beschreibt M. Emile Berteaux
die sehr spärlichen Malereien und die etwas reichlicher
vorhandenen Skulpturen aus dieser Zeit in Italien. Es ist
eine Untersuchung, die durchaus auf selbständigen Original-
forschungen beruht und die besonders in ihrer zweiten
Hälfte (bezüglich der ravennatischen und lombardischen
Skulpturen) sehr interessante Bemerkungen enthält.

Dann folgt ein Abschnitt, »Les influences orientales«
genannt, wo M. J. J. Marquet de Vasselot die syrischen,
persischen und muselmanischen Einflüsse auf die abend-
ländische Kunst der merowingischen und karolingischen
Epoche kurz zusammenzufassen sucht. Es ist gewiß ein in
seiner Art durchaus neuer Versuch und zwar von großer Be-
deutung für die richtige Auffassung der Kunstentwickelung
in Europa, aber man fragt sich doch, ob nicht diese Be-
merkungen sich in den verschiedenen Kapiteln, wo sonst
orientalisch beeinflußte Gegenstände beschrieben werden,
besser — zum Vorteil des Ganzen — hätten verarbeiten
lassen, separat gestellt, muß der Abschnitt fragmentarisch
ausfallen. Schließlich bekommen wir durch M. Emile Moli-
nier eine mustergültige Übersicht der Goldschmiede — und
Emailarbeiten bei den gallischen und germanischen Völkern.

Die genannten Verfasser sind schon so bekannt und
hochgeschätzt unter Fachleuten, daß eine Empfehlung
ihrer gemeinsamen Arbeit kaum nötig ist, am wenigsten
wenn jeder einzelne auf seinem eigensten Gebiete sein
persönliches Eigentum von Forschungen und Bemerkungen
darbringen darf. Detailkritik wird natürlich von Spezialisten
gegen manche Punkte in diesem Werke erhoben werden,
aber wir glauben, daß es von allen Seiten zugegeben werden
muß, daß mit diesem ersten Teil der »Histoire de l'Art«,
dem kürzlich schon der zweite gefolgt ist, ein vielverspre-
chender Anfang zu einer grundlegenden Geschichte der
christlichen Kunst gegeben ist. Osvaid Siren.

ZU EINEM KUPFERSTICH DÜRERS

Das kleine Blatt »Der hl. Sebastian am Baum«
(B. 55) nimmt eine Sonderstellung im Kupferstichwerk
A. Dürers ein. Es wird durch einen für den Meister
fremdartigen impressionistischen Zug charakterisiert. Seine
skizzenhafte Modellierung wird durch leicht und mäßig
eingegrabene, möglichst einfache Strichlagen erzielt, welche,
in der Richtung der Formen laufend, schwungvoll aus-
klingen und in den Übergängen mit größeren Haken kom-
biniert sind. Thausing (Dürer, 2. Aufl., I, 318), der das
Blatt mit Barbaris »Gefesselten« mit Recht in Verbindung
bringt, bemerkt darüber, Dürer habe die gerade jenen
Stich Barbaris vorteilhaft auszeichnende, fein empfundene
Naturtreue hier nicht erreicht, obgleich er zu so kleinen
naturalistischen Mitteln, wie die Andeutung der Beinbehaa-
rung, gegriffen hat.

Die ungewöhnliche Bearbeitung und Formengebung
des Blattes verursachte den Forschern große Schwierig-
keiten bei der Datierung desselben, und infolgedessen
weichen auch ihre Meinungen in dieser Frage bedeutend
voneinander ab. Retberg setzt den Stich in die Zeit vor
 
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